Interview von François Bausch im Tageblatt

"Strom, Steuern und eine Wasserstoff-Tankstelle"

Interview: Tageblatt (Tom Haas)

Tageblatt: Ab Samstag ist der öffentliche Transport umsonst Die Kirsche ist da, der Kuchen fehlt. Ist das eine Werbemaßnahme, um die Menschen über die Baustellen hinwegzutrösten?

François Bausch: Das Ziel des kostenlosen öffentlichen Transports ist es nicht, die Menschen zu trösten. Wir eröffnen ja permanent neue Angebote. Es geht darum, eine Diskussion zu provozieren. Die Menschen sollen sich fragen, ob es Möglichkeiten abseits des Autos gibt. Und wenn ja: Welche lassen sich kombinieren? Natürlich funktioniert heute noch nicht alles so perfekt, wie ich es mir wünschen würde. Aber es gibt bereits Alternativen, die für viele Menschen greifen könnten. Sie greifen aber immer noch reflexartig zum Autoschlüssel. Das muss sich ändern.

Tageblatt: Und das klappt?

François Bausch: Wir haben einen Investitionsplan bis 2025. Bis dahin müssen wir den Menschen das System so vermitteln, dass sie es verstehen und auch nutzen. Wir arbeiten aber auch schon an der Fortsetzung bis 2035. Zurzeit laufen wir der Entwicklung hinterher und ich will, dass wir in die Lage kommen, die Verkehrssituation in Zukunft antizipieren zu können.

Tageblatt: Es gibt neben Modu 2.0 ja auch das Programm "Horizont 2035" Sie wollen, wie Sie sagen, die Entwicklungen antizipieren. Jetzt gibt es aber Studien, die den Erfolg von Modu 2.0 bezweifeln, da die angenommene Zahl von 20 Prozent mehr Verkehrsteilnehmern von der wirtschaftlichen Entwicklung. Überholt wird. Besteht überhaupt die Möglichkeit, dem rasanten Fortgang nicht bis in alle Ewigkeit hinterherzulaufen?

François Bausch: Ich denke nicht, dass unsere Schätzungen unrealistisch sind; auch angesichts des Umstandes, dass die wirtschaftliche Entwicklung in den nächsten Jahren vermutlich ausgebremst wird. Die 20 Prozent sind schon ambitioniert, wenn uns das gelingt, ist das schon ein großer Sprung nach vorne. Wichtig ist, dass die Fortsetzung "Horizont 2035" bis zur Hälfte der laufenden Legislaturperiode steht. Ich möchte der nächsten Regierung einerseits die Finanzierungsgesetze, andererseits ein ganzes Konzept mit auf den Weg geben.

Tageblatt: Wollen Sie noch mal Verkehrsminister werden?

François Bausch: Länger als zehn Jahre möchte ich nicht in der Regierung sein. Ich hatte Glück, dass ich während zwei Amtsperioden Transportminister sein konnte, das hat es in Europa bislang meines Wissens noch nicht gegeben. Gut vier Jahre habe ich noch vor mir., Ich hoffe, dass, ich nach Ablauf der Zeit den Hebel umlegen konnte und den Paradigmenwechsel in der Mobilität in Luxemburg eingeleitet habe.

Tageblatt: Neben dem öffentlichen Transport ist das "Co-Voiturage" eine weitere Säule in Ihrer Mobilitätsstrategie. Dafür existiert sogar eine App. Gibt es da Nutzungszahlen?

François Bausch: Die App wird bei Weitem nicht so häufig benutzt, wie ich mir das wünschen würde. Wir haben etwa 3.000 Nutzer. Wir werden jetzt einen Neustart mit einer verbesserten Version hinlegen. Die Firma, die unsere App ursprünglich entwickelt hat, wurde aufgekauft interessanterweise von der Firma, die wir uns bei der Ausschreibung eigentlich gewünscht hätten. Aber ich glaube, dass das "Co-Voiturage" erst richtig greifen wird, wenn ich den Menschen; die ihr Auto Mitfahrern anbieten, einen Vorteil bieten kann.

Tageblatt: Wie könnte so ein Vorteil aussehen?

François Bausch: Auf der Autobahn A3 wird die neue Spur beispielsweise für Leute reserviert, die zu dritt im Auto fahren. Das wird auch digital überwacht. Dazu kommen P&R Parkplätze, die dem "Co-Voiturage" gewidmet sind. Dann kommen noch steuerliche Ermäßigungen hinzu. Es reicht nicht nur, die Technik zur Verfügung zu stellen, das Gesamtpaket muss attraktiv sein.

Tageblatt: Bei der Tram ist der Mentalitätswechsel gelungen: Anfangs wurde viel darüber gelacht, heute wird sie rege genutzt. Wie steht es um die Akzeptanz der Elektromobilität? Da bleiben die Zahlen doch - genau wie beim "Co-Voiturage" - hinter den Erwartungen zurück?

François Bausch: Das hat zwei Gründe: einerseits das. Angebot an Elektrofahrzeugen, das noch etwas dürftig ist, andererseits die Infrastruktur. Das Angebot und die Auswahl an E-Autos wird aber bald rapide anziehen. Hinsichtlich der Lade-Infrastruktur arbeite ich gerade mit Claude Turmes an einem Plan, um neben den Chargy-Ladestationen auch ein Schnellladesystem im ganzen Land aufzuziehen. Die Menschen sollen nicht in die Situation kommen, wegen ihres Ladebalkens in Panik zu geraten.

Tageblatt: Wieso gehen Sie von einer Steigerung des Angebots aus?

François Bausch: Aufgrund der europäischen Direktive zur Reduzierung des CO2- Ausstoßes von Fahrzeugflotten wird das Angebot an Fahrzeugen förmlich explodieren. Die Direktive wird 2025 noch mal verschärft, die Autohersteller kommet gar nicht daran vorbei, umzuschwenken. Und in Zukunft wird der Wasserstoff noch hinzukommen.

Tageblatt: Was ist denn hinsichtlich des Wasserstoffs geplant? Davon hat man ja bis jetzt in Luxemburg noch nichts gehört.

François Bausch: Wir haben zwei Dinge in der Planung: einerseits eine Wasserstoff-Tankstelle, die 2022 auf der Aire de Berchem eröffnen soll. Wir haben lange mit Shell verhandelt, um uns den Preis nicht von der Firma diktieren zu lassen. Das zweite Projekt ist industrieller Natur: Paul Wurth hat eine deutsche Firma aufgekauft, die sehr stark in der Produktion von Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen ist. Wir müssen diesen Weg ebenfalls verfolgen. Wasserstoffautos werden in Zukunft eine große Rolle spielen. Meiner Meinung nach wird sich in den nächsten 20 bis 30 Jahren ein Mix aus Elektroautos, Brennstoffzellenfahrzeugen und Hybriden entwickeln - also Fahrzeuge, bei denen die Brennstoffzelle Strom für die Batterie des Elektroautos produziert. Deswegen ist es wichtig, technologieoffen zu bleiben.

Tageblatt: Luxemburg war immer eine Autofahrernation. Denken Sie, dass der Mentalitätswechsel gelingen wird?

François Bausch: Davon bin ich überzeugt. Es geht darum, keine Politik gegen das Auto, sondern für eine neue Mobilität zu machen. Mit moralischen Argumenten wie Umweltschutz werden wir keinen Blumentopf gewinnen. Mobilität muss praktisch sein und den Menschen Vorteile bieten - schneller, einfacher, entspannter. Und dann darf sie gerne auch noch umweltfreundlich sein, das ist der Bonuspunkt am Ende.

 

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