Interview mit Paulette Lenert im Tageblatt

"Hätte uns denn jemand zugehört?"

Interview: Tageblatt (Jessica Oé)

Tageblatt: Haben Sie eigentlich schon den Corona-Frust?

Paulette Lenert: (lacht) Etwas schon. Es sind lange Monate gewesen, die einen sehr ermüden.

Eigentlich wären wir alle froh, wenn die Pandemie wieder vorbei wäre. Aber von Normalität sind wir noch weit weg.

Tageblatt: Kaum waren Sie im Amt, schon kam die Krise. Ein schwerer Start?

Paulette Lenert: Teilweise. Es wäre auch sonst genug zu tun gewesen im Gesundheitssektor. Doch dann kam die Pandemie und ich musste mich ganz darauf konzentrieren. Aber es hat auch einen Vorteil: Ich habe innerhalb kürzester Zeit alle Akteure des Sektors sehr viel schneller und besser kennengelernt, als es sonst der Fall gewesen wäre.

Tageblatt: Haben Sie Angst vor einer dritten Welle im Herbst?

Paulette Lenert: Wenn man sich ansieht, wie diese zweite Welle verläuft - die Zahlen sind erst angestiegen und dümpeln nun etwas erhöht vor sich hin - gehe ich eher davon aus, dass es in Zukunft mit kleineren Mini-Wellen weitergeht. Dass die Infektionszahlen auf null zurückgehen, ist eine Illusion. Aber genau vorhersagen kann ich es natürlich nicht. Viele Menschen sind im Urlaub, teilweise im Ausland. Werden sie sich dort an die Hygieneregeln halten? Werden wir erleben, dass das Virus wieder stark importiert wird?

Das können wir alles momentan noch nicht wissen.

Stichwort Urlaubsrückkehrer: Nur 15 Prozent der ankommenden Flugpassagiere am Findet nehmen den Test-Voucher in Anspruch. Dennoch werden dort relativ viele Infektionen aufgespürt.

Tageblatt: Sollte Luxemburg diese Tests verpflichtend machen?

Paulette Lenert: Wir möchten nicht so weit gehen, die Passagiere dazu zu zwingen, sich.testen zu lassen.

Das versuchen wir zu vermeiden und bauen auf den gesunden Menschenverstand. Aber wir wollen die Kampagne am Flughafen verstärken. Dazu haben wir die Studenten-Teams, die die Leute dazu motivieren sollen, sich testen zu lassen, verstärkt. In zwei Wochen ziehen wir Bilanz, ob dies auch das gewünschte Resultat mit sich bringt. Aber da die Anzahl der teilnehmenden Passagiere steigt, sind wir auf dem richtigen Weg.

Daneben haben wir weitere Aktionen gestartet: Beispielsweise mit den Arbeitgeberverbänden. Nach dem Kollektivurlaub können sich Arbeitnehmer über an die Arbeitgeber verteilte Voucher testen lassen. Wie viel solche Kampagnen bringen, werden wir dann am Ende in den Statistiken sehen.

Tageblatt: Nun, wo das Large Scale Testing vor allem in stärker betroffenen Regionen und beim Auftreten von Clustern eingesetzt wird, werden auch mehr positive Fälle dadurch entdeckt. Wurde am Anfang zu chaotisch getestet?

Paulette Lenert: Nein. Bei der ersten Phase hatten wir eine andere Strategie. Wir haben uns einerseits ein Bild darüber verschafft, wie die Lage im ganzen Land ist, und vor allem die Sektoren durchgetestet. Wir mussten so breitgefächert testen, um ein Gesamtbild zu bekommen. Jetzt, wo unsere Zahlen zeigen, wo das Virus geografisch verortet ist, testen wir die Haushalte durch. So können wir dort, wo das Virus stärker vertreten ist, engmaschiger und gezielter vorgehen. Das ist aber die logische Schlussfolgerung aus der ersten Erhebung.

Tageblatt: Die Kommunikation der Regierung und des Gesundheitsamts wurde in den fetzten Monaten immer wieder kritisiert. Hatten Sie die richtige Strategie?

Paulette Lenert: Wir haben in den vergangenen Monaten viel auf die Beine gestellt. Rückblickend kann man eingestehen, dass wir mehr hätten tun müssen. In dem Moment, wo es etwas nachgelassen hat, hätten wir vermutlich intensiver kommunizieren müssen. Aber hätte uns denn jemand zugehört? Das weiß ich auch nicht. Wenn es kaum Neuinfektionen gibt, dann interessiert es die Menschen auch einfach weniger.

Objektiv sagt man natürlich, wenn die Zahlen wieder ansteigen, dass man besser hätte kommunizieren müssen. Aber einen richtigen Fehler in unserer Kommunikationsstrategie sehe ich nicht. Wir waren ja immer "am Ball". Nun versuchen wir es mit zielgerichteteren Informationskampagnen, die unter anderem mit dem SNJ und dem Familienministerium ausgearbeitet wurden.

Tageblatt: Merken Sie einen Corona-Frust in der Bevölkerung?

Paulette Lenert: Nicht wirklich. Aber ich habe auch nicht viele Kontakte außerhalb meines Arbeitsumfelds. Die Nachrichten der Bevölkerung, die mich erreichen, sind immer noch sehr ermutigend und zeigen viel Solidarität. Manche haben sich an mich gewendet, weil es vereinzelt Probleme mit der Terminvereinbarung für den Coronatest gab, aber das war eher selten und ein normales technisches Problem, das mal vorkommt.

In unseren Teams macht sich eine gewisse Erschöpfung breit, was aber verständlich ist, weil manche schon wochenlang, oft auch am Wochenende, im Einsatz sind. Das ist normal. Aber einen Corona-Frust sehe ich nicht.

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