Interview von Lex Delles im Luxemburger Wort

"Wer noch Hilfe braucht, soll sie bekommen"

Interview: Luxemburger Wort (Nadia Di Pillo)

Luxemburger Wort: Lex. Delles, die Luxemburger Wirtschaft erholt sich nur langsam. Die Lage in der Hotelbranche ist weiterhin angespannt, die Eventbranche leidet immer noch stark unter Corona. Wie schätzen Sie die Situation ein und welche Lösungen werden angeboten?

Lex Delles: Generell zeigt sich eine sehr unterschiedliche Lage. Manche Branchen haben in der Zwischenzeit wieder einiges aufgeholt. Im Handwerk etwa gibt es verschiedene Betriebe und Sparten, die relativ stabil durch die Krise gekommen sind. Andere Bereiche sind weiterhin weit entfernt von der Auslastung und den Umsätzen vor der Pandemie. Die Entwicklung in der Hotelbranche verläuft ebenfalls sehr unterschiedlich: Während im ländlichen Raum viele Hotelbetriebe im Sommer ausgelastet waren, meldeten manche Hotels in der Hauptstadt sehr hohe Einbußen. Daher muss man das Ganze sehr differenziert betrachten.

Luxemburger Wort: In manchen Wirtschaftsbranchen reichen die bisherigen Maßnahmen offensichtlich nicht aus. Muss die Regierung da nicht dringend nachbessern?

Lex Delles: Die Regierung hat in dieser Krise schnell und entschlossen reagiert. Alle staatlichen Unterstützungshilfen, die wir angeboten haben, sei es die Pauschalentschädigung von 5 000 Euro oder die Schaffung des Wirtschaftsförderring- und Solidaritätsfonds für Unternehmen ("fonds de relance et de solidarité"), reihen sich in den vorübergehenden europäischen Gemeinschaftsrahmen ("Temporary Framework for State aid measures") ein. Unternehmen können von direkten Zuschüssen, rückzahlbaren Vorschüssen oder Steuervorteilen bis zu maximal 800 000 Euro profitieren. Dieser Beihilfenrahmen ist allerdings auf das Jahr 2020 begrenzt. Es ist daher entscheidend, dass wir auf europäischer Ebene gemeinsam über eine Verlängerung diskutieren. Die Luxemburger Regierung setzt sich dafür sein, dass die Dauer der Finanzhilfen verlängert und die Beträge zur Unterstützung der Wirtschaft erhöht werden. Wir arbeiten intensiv an einer Lösung auf europäischer Ebene. Denn nur so können wir nationale Maßnahmen ergreifen, um notleidende Unternehmen und Branchen zu unterstützen.

Luxemburger Wort: Manche EU-Länder haben dennoch bereits Corona-Hilfen für 2021 angekündigt...

Lex Delles: Ich habe in diesem Zusammenhang eine parlamentarische Anfrage erhalten: "Osterreichs Weg durch die Krise ist vorbildlich, warum macht Luxemburg nicht das Gleiche?" Die Antwort ist einfach: Weil es nicht erlaubt ist. Die von der österreichischen Regierung gewünschten Maßnahmen für 2021 wurden von der EU-Kommission abgelehnt, weil sie schlicht und einfach im europäischen Rahmen nicht vorgesehen sind. Daher ist es wichtig, dass wir uns als Luxemburger Regierung für eine Verlängerung der Fristen für 2021 auf europäischer Ebene einsetzen. Unsere Botschaft ist klar: Wer noch Hilfe braucht, soll sie bekommen. Falls nötig, sollen sehr, gezielte und begrenzte Maßnahmen für Unternehmen und Branchen getroffen werden, die immer noch und ganz besonders unter den Folgen der Corona-Krise leiden.

Luxemburger Wort: Welche Branchen kommen denn infrage?

Lex Delles: Gegenwärtig ist es so, dass keine Anträge mehr für die sogenannte "Aide pour le commerce de détail", die sich gezielt an den Einzelhandel richtet, gestellt werden können; die Frist ist im September abgelaufen. Der "Fonds de relance" für die Event-, Horeca- und Tourismusbranche läuft noch bis November weiter. Nun gilt es, die einzelnen Branchen genauer zu untersuchen. Welche sind auf Erholungskurs und welche nicht? Welche müssen weiter unterstützt werden? Wir verfolgen jeden Tag die Entwicklungen in den einzelnen Branchen im Hinblick auf das Corona-Virus zusammen mit den Verbandsvertretern und den entsprechenden Berufskammern.

Luxemburger Wort: Diese fordern unter anderem eine Verlängerung der Kurzarbeit um mindestens sechs Monate...

Lex Delles: Das fällt zwar nicht in meinen Zuständigkeitsbereich, aber ich denke, dass das Thema Kurzarbeit in die gesamte Branchenanalyse mit einfließen sollte. Für jeden Wirtschaftsbereich muss die Frage gestellt werden: Inwiefern trägt die Kurzarbeit zur wirtschaftlichen Erholung bei? Inwiefern ist sie noch notwendig? Das ist ein wichtiger Faktor in der allgemeinen Analyse, die wir durchführen müssen. Finanzhilfen allein reichen nicht, Kurzarbeit allein auch nicht. Die Maßnahmen bilden ein umfassendes Gesamtpaket, das wir genauer unter die Lupe nehmen müssen.

Luxemburger Wort: Paris tritt wegen der Corona-Lage auf die Bremse und schließt Bars und Cafés. Gleichzeitig wird in Luxemburg über eine Verlängerung der Öffnungszeiten diskutiert. Da stimmt doch etwas nicht...

Lex Delles: Der Horesca-Verband hat in diesem Zusammenhang starke und überzeugende Argumente vorgebracht. Wir unterstützen diese Idee, allerdings muss man die Entwicklung der sanitären Krise im Blick behalten. Die Santé meldet seit mehreren Tagen mehr als 100 Neuinfektionen täglich und Gesundheitsschutz hat immer noch oberste Priorität. Das müssen wir berücksichtigen, bevor wir uns für eine Verlängerung der Öffnungszeiten entscheiden. Im Ausland sehen wir, dass etwa Frankreich einen Schritt zurück macht. Luxemburg ist zwar nicht Frankreich, aber auch wir müssen auf unsere Infektionszahlen aufpassen. Deshalb sage ich auch ganz klar: Angesichts der aktuell steigenden Infektionszahlen halte ich eine Verlängerung der Öffnungszeiten zum jetzigen Zeitpunkt nicht für angebracht.

Luxemburger Wort: Was ist mit großen Feiern, Partys und Sylvester?

Lex Delles: Solange die Zahlen nicht stimmen, lautet meine Antwort ganz eindeutig nein. Die aktuelle Lage in Luxemburg rechtfertigt nicht eine Verlängerung der Öffnungszeiten.

Luxemburger Wort: 50-Euro-Übernachtungsgutscheine, die den nationalen Tourismus ankurbeln sollen, sind bis zum Jahresende gültig. Ist eine Verlängerung der Frist nicht möglich?

Lex Delles: Nach dem heutigen Stand ist die Antwort klar: Am 3L Dezember ist es vorbei. Eine Verlängerung ist im Budget auch nicht vorgesehen.

Luxemburger Wort: In der Corona-Krise galten Sonderregelungen für Unternehmen, die jetzt ausgelaufen sind. Droht nun um Jahresende eine Insolvenzwelle?

Lex Delles: Mir ist eine solche Insolvenzwelle nicht bekannt. Wir sehen im Gegenteil eine Gründungswelle und eine starke Zunahme bei den Anträgen für Niederlassungsgenehmigungen. Diese erreichen schon bald wieder das Vorkrisenniveau. Auch während der Corona-Krise wollen sich viele selbstständig machen und das stimmt mich eher optimistisch. Gleichzeitig werden wir weiterhin alles daran setzen, um Firmenpleiten im Mittelstand zu verhindern. Das war, ist und bleibt unser oberstes Ziel.

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