Interview von Jean Asselborn in der Luzerner Zeitung

"Luxemburgs Aussenminister über Trump-Abwahl: Europas Rechtspopulisten verlieren ihren stärksten Verbündeten"

Interview: Luzernerzeitung.ch (Remo Hess)

Luzerner Zeitung: Die Amerikaner geben Donald Trump den Laufpass und haben Joe Biden als ihren neuen Präsidenten gewählt. Freuen Sie sich?

Jean Asselborn: Definitiv. Vier Jahre Trump haben gereicht. Die Welt atmet auf. Es wurde in den letzten Jahren ja nichts Gemeinsames geschaffen, sondern bloß gespalten und abgerissen. Am schlimmsten ist der fürchterliche Umgangston, der sich mit Trump eingestellt hat. Mit Joe Biden kommt wieder jemand ins Weiße Haus, mit dem man vernünftig reden kann. Die Wahl zeigt, wie stark die demokratischen Strukturen in den USA trotz allem sind.

Luzerner Zeitung: Das Verhältnis zwischen der EU und Amerika hat unter Trump gelitten. Wird jetzt alles wieder gut?

Jean Asselborn: Nicht alles wird gut. Aber vieles wird besser. Angefangen damit, dass wir wieder miteinander reden können. Die Kontakte der EU-Außenminister zu den USA zum Beispiel haben sich unter Trump auf ein absolutes Minimum beschränkt. Rex Tillerson und Mike Pompeo (beide US-Außenminister, Anm. d. Red.) haben Europa nur so nebenbei gemacht. Das ist natürlich keine Basis für die Zusammenarbeit in der größten und mächtigsten Allianz der Welt.

Luzerner Zeitung: Der Umgangston wird freundlicher. Aber reicht das? Die inhaltlichen Differenzen bleiben ja bestehen. Zum Beispiel bei der Nato und dem Streit um die europäischen Verteidigungsausgaben.

Jean Asselborn: Klar werden auch die Demokraten von uns verlangen, dass wir mehr Geld für die Verteidigung ausgeben. Und das dürfen sie auch. Aber Sicherheit kann man nicht nur in Prozentpunkten messen. Es geht auch darum, dass man sich beisteht und die Reihen schließt. Am dringendsten wäre jetzt, dass sich die USA und Russland auf ein neues nukleares Abrüstungsabkommen einigen. Das wäre ein wichtiges Signal an die Welt.

Luzerner Zeitung: Auch bei der Handelspolitik gibt es Konflikte. Die USA wollen, dass die EU auf ihren harten Kurs gegenüber China einschwenkt.

Jean Asselborn: Streitigkeiten sollte man lösen, ohne dass man sich gegenseitig mit Strafzöllen eindeckt, wie es Trump getan hat. Bei China muss sich die EU klarwerden, wie sie mit diesem Rivalen umgehen will und die USA sollten unser Verbündeter sein. Das Problem ist, dass sich Trump aus multilateralen Organisationen wie der Uno oder der Welthandelsorganisation verabschiedet hat. Mit ihm wurden Treffen wie die G20-Gipfel zu einer Zirkusvorstellung. Ich hoffe, dass Joe Biden diese Organisationen nun wieder stärkt.

Luzerner Zeitung: War Trump für Europa schlussendlich nicht doch ein Geschenk? Durch ihn ist die Erkenntnis gereift, dass man die Komfortzone verlassen und verstärkt auf eigenen Füssen stehen muss.

Jean Asselborn: Trump war kein Jota gut für uns Europäer. Er hat das multilaterale System auf globaler Ebene destabilisiert, was nur Nachteile für alle gebracht hat. Wenn er jetzt die Konsequenzen ziehen und seine Wahlniederlage eingestehen würde, wäre das eine gute Entscheidung für Amerika und die Welt.

Luzerner Zeitung: Viele sagen, der Geist des Trumpismus lasse sich nicht zurück in die Flasche zwingen. 70 Millionen Amerikaner haben Trump ja wiedergewählt. Das sollte ihnen zu denken geben.

Jean Asselborn: Es hat ja auch nicht erst mit Trump angefangen. Die ultrarechte Tea Party arbeitet schon seit Jahren an der Destabilisierung der etablierten Politik in den USA. Europas Rechtspopulisten wie Viktor Orban oder Marine Le Pen sind auch schon lange da. Mit Trump verlieren sie jetzt aber nicht nur ihren stärksten Verbündeten, sondern ihr großes Vorbild und ihren Bezugspunkt. Das stimmt mich zuversichtlich. Trumps Abwahl ist eine große Niederlage für Europas Feinde der liberalen Demokratie.

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