Interview von François Bausch in der Frankfurter Neue Presse

"Kostenlos in Bus und Bahn: Er macht's möglich; Luxemburgs Verkehrsminister Bausch über ein weltweit einmaliges Modell und erste Folgen"

Interview: Frankfurter Neue Presse

Frankfurter Neue Presse: Herr Bausch, was hat sich geändert, seit in Luxemburg die Busse und Bahnen kostenlos sind? Sind sie jetzt überfüllt?

François Bausch: Zunächst einmal ist es für die Bürger jetzt viel einfacher einzusteigen. Sie müssen sich keine Gedanken mehr machen über Tarifzonen und das richtige Ticket. Aber ich muss erklären: Der kostenlose Nahverkehr ist bei uns lediglich Teil einer umfassenden Debatte über Mobilität. Es genügt eben nicht, die Bahnen kostenlos zu machen. Sondern zudem muss das Angebot ausgebaut werden, sonst sind die Busse und Bahnen wirklich überfüllt. Man muss den Ausstieg aus dem Auto und den Umstieg in die Öffentlichen konsequent wollen.

Frankfurter Neue Presse: Das ist interessant. Der ÖPNV wird zugleich ausgebaut?

François Bausch: Ja, gratis ist nur ein kleiner Teil, das Sahnehäubchen auf dem Kuchen. Der Kuchen muss gebacken worden sein. Der ÖPNV muss attraktiv ausgebaut sein. Denn die Leute steigen nicht um, nur weil es kostenlos ist. Der Umbau kostet viel Geld.

Frankfurter Neue Presse: Und er kostet jetzt noch mehr, weil die Einnahmen aus dem Ticketverkauf wegfallen?

François Bausch: Ja, aber das ist gar nicht so viel. Wir haben für 41 Millionen Euro Tickets verkauft, die jährlichen Betriebskosten des gesamten landesweiten öffentlichen Nahverkehrs belaufen sich auf 600 Millionen Euro. Also war schon bislang der ganz überwiegende Teil der Betriebskosten steuerfinanziert. Das ist etwa überall in Europa so, nur in der Schweiz ist der Kostendeckungsgrad der Öffentlichen höher.

Frankfurter Neue Presse: Luxemburg hat massive Probleme mit extremen Staus - vor allem durch Pendler. Sind die Menschen in der Region Bahn-Muffel?

François Bausch: Die Luxemburger sind noch autoverrückter als die Deutschen, glaube ich. Aber wir begreifen, dass der Autoverkehr in Ballungsräumen in der Sackgasse ist. Wir müssen umsteuern, in der Stadt und im ländlichen Raum. Zwei Drittel der öffentlichen Investitionsausgaben gehen bei uns in den Nahverkehr, nur ein Drittel in den Straßenbau. Die Leute spüren allmählich, dass es funktioniert, dass man umsteigen kann. Die urbanen Räume werden die Gewinner sein.

Frankfurter Neue Presse: Aber Staus haben Sie noch immer?

François Bausch: Ja. Wir können noch nicht sagen, wie der kostenlose Nahverkehr sich auswirkt, denn auch wegen Corona hat sich das Verkehrsgeschehen anders entwickelt als in einem normalen Vergleichsjahr. Aber es ist schon so, dass auch in Luxemburg die Autos noch im Stau stehen. Es sind noch nicht alle umgestiegen.

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