Interview mit François Bausch im Luxemburger Wort

"Gigaliner sind Greenwashing"

Interview: Luxemburger Wort (Marco Meng)

Luxemburger Wort: François Bausch, das Cluster for Logistics fordert, dass in Luxemburg auch sogenannte Gigaliner fahren sollen, damit die Branche so ihren CO2-Ausstoss senken kann. Was sagen Sie dazu?

François Bausch: Ich bin wirklich nicht begeistert über diese Aussage. Denn im Kontextmit klimafreundlicher Logistik ist die Aussage gar nicht richtig. Gigaliner mit 25 Metern Länge und 40 Tonnen könnten viele Lastwagenfahrten ersetzen, weil sie ja mehr transportieren können, das stimmt nur bei oberflächlicher Betrachtung. Die Gigaliner wurden vor Jahren von verschiedenen internationalen Spediteuren auf die Tagesordnung gesetzt, vor allem, um so Kosten im Straßengüterverkehr zu senken. Ein Gigaliner mit mehr Frachtvolumen pro Fahrtbringt eine rund 0-prozentige Kosteneinsparung. Unter dem Strich bedeuten Gigaliner aber, dass man den Straßengüterverkehr gegenüber der Schiene auf längeren Strecken bevorzugt. Das würde dann eher zu einer Zunahme des Straßengüterverkehrs führen. Es ist eine Milchmädchenrechnung, die da gemacht wird. Denn grüne und effiziente Logistik bedeutet, große Güterabfertigungen hauptsächlich über längere Strecken auf die Schiene zu bringen. Das muss das Ziel sein. Aus diesem Grund haben wir ja in Bettemburg den Multimodal-Umschlagplatz gebaut, um zu fördern, dass vor allem für längere Strecken mehr Güter auf die Schiene transferiert werden. Das ist auch die Richtung, in die die internationale Debatte läuft, zum Beispiel beider UN-Klimakonferenz mit dem Ziel der Umstellung auf emissionsfreien Verkehr. Es darf also nicht um größere Lastwagen gehen, sondern es muss um die Verbindung von Schiene und Straße gehen.

Luxemburger Wort: Keine Gigaliner also?

François Bausch: In Luxemburg Strecken für Gigaliner einzurichten ergibt keinen Sinn. Man muss bedenken, so ein Gigaliner, das ist nicht nur einfach ein Laster von 25 Metern. Das bedeutet für die Straßeninfrastruktur, in den Tunneln und überall müssten die Nothaltebuchten ausgebaut werden, auch die Kreisverkehre. In Deutschland wurde das berechnet. Man müsste dort ein Milliardenpaket schnüren, um das Straßennetz für Gigaliner fit zu machen, damit überhaupt solche Strecken ordentlich funktionieren können. International gesehen ist es heute so, dass im Straßengüterverkehr die Steuern und Abgaben der Transporteure gar nicht die Unkosten für Straßenbau, Straßenunterhalt und Straßenschädigen durch Lastwagen decken. Gigaliner sind darum nichts anderes als Greenwashing, denn sie habeneigentlich gar nichts mit einer seriösen grünen Logistik zu tun. Die Logistik ist aber sehr wichtig, weil auch in Zukunft überall auf der Welt sehr viele Güter bewegt werden.

Luxemburger Wort: Welche Maßnahmen könnte denn der Staat ergreifen, damit grüne Logistik in Luxemburg gefördert wird?

François Bausch: Natürlich sind alle Effizienzsteigerungen sinnvoll, und ich sehe eine große Chance in einer engen Zusammenarbeit zwischen Straßengüterverkehr und der Schiene. Natürlich muss im Schienenverkehr in Europa noch vieles passieren, weil die Schieneninfrastruktur insgesamt noch nicht reif ist, ein Maximum an Warentransport zu leisten. Das wird auch auf der Ebene der Europäischen Union debattiert und spielt im EU-Ministerrat eine große Rolle. Ganz klar muss die EU jetztviel in den Ausbau der Schiene investieren und auch Joint Ventures zwischen Eisenbahngesellschaften und Spediteuren fördern, sowie die Interoperabilität der Netze. Das ist ein Punkt. Der zweite Punkt ist, dass man wegkommen muss von benzin- oderdieselbetriebenen Lastkraftwagen, hinzu elektrisch oder mit Wasserstoff angetriebenen.

Luxemburger Wort: Wie sieht es mit einer Wasserstofftankstelle aus? Noch gibt es keine im Land.

François Bausch: Ich bin seit vier Jahren in Verhandlungen für ein Projekt für die erste Wasserstofftankstelle für Lieferwagen und Lastwagen. Das Projekt wird wahrscheinlich bis Ende des Jahres auch definitiv kommen, vielleicht in Bettemburg. Wir hatten mit Shell eine Vereinbarung, aber das Unternehmen ist wieder ausgestiegen. Man muss wissen – damit da auch nicht wiedereine Mogelpackung entsteht – der Wasserstoff muss auf Basis von erneuerbaren Energien hergestellt werden. Und zweitens muss der Preis wettbewerbsfähig sein und darf nicht ein Vielfaches über dem von Diesel liegen. Das heißt, übergangsweise muss das von staatlicher Seite und auch von der EU subventioniert werden. Und das wird auch getan. Dann gibt es auch noch synthetische Kraftstoffe, die aber eher für den Flugverkehr geeignet sind.

Luxemburger Wort: Warum?

François Bausch: Der Flugverkehr braucht noch eine viel längere Übergangsphase als der Lkw-Verkehr, da sich ein Flugzeugerst über einen Nutzungszeitraum von25, 30 Jahren amortisiert; diese Zeit braucht der Flugverkehr auch, um auf Elektro- oder Wasserstoffantrieb umzuschwenken. In der Zwischenzeitkönnten Flugzeuge synthetischen Kraftstoffe nutzen, was von der benötigten Menge her bedeutet, dass wohl für die Straße nicht mehr viel Synthetik-kraftstoff übrigbleibt. Aber für den Flugverkehr gibt es im Moment dazu keine Alternative. Wichtig ist, dass man das ganze System anders organisiert. Es wird nicht genügen, einfach zu sagen "längere Lastkraftwagen". So einfache Lösungen gibt es nicht. Und die Zeitdrängt. Wir haben ein Zeitfenster von15 bis 20 Jahren, in dem wir alles umstellen müssen. Da muss man auf vielen Ebenen arbeiten, um das hinzubekommen.

Luxemburger Wort: In Bettenburg, so bemängeln Spediteure, können nur Anhänger respektive Container auf die Schiene verladen werden. Einfacher wäre es, wenn komplette LKW auf dem Zug mitfahren könnten.

François Bausch: Das ist richtig, und ich glaube auch deshalb, dass wir sehr stark in die Eisenbahntechnik investieren müssen. Ein Beispiel ist die digitale Kupplung. Momentan verliert man sehr viel Zeit, weil noch alles mechanisch gekoppelt ist. Da gibt es jetzt ein Programm von der Europäischen Union, um digitale Kupplungen zu finanzieren. Solche Projekte sind sehr wichtig, damit man es immer einfacher macht für Lastkraftwagen, auf einen Zug drauf zufahren und größere Streckenabschnitte damit zurückzulegen. Das brauchen wir quer durch Europa, so dass die Lastwagen selbst nur noch kurze Strecken fahren müssen. Auch da zeigt sich, dass wir keine Gigaliner brauchen.

Luxemburger Wort: Sie haben den Luftverkehr angesprochen. Cargolux ist der große Frachtbringer in Luxemburg. Hatten Sie Ihre Parteikollegin Christianne Wickler als neue Cargolux-Verwaltungsratspräsident vorgeschlagen, damit sie den Konzern grüner macht?

François Bausch: Nein. Man muss auch realistisch sein. Ich habe Frau Wickler angesprochen, weil sie eine tüchtige Geschäftsfrau ist und etwas von Wirtschaft versteht. Sie leitet erfolgreich ein mittelständisches Unternehmen mit über300 Mitarbeitern. Dieser Hintergrund war für mich wichtig. Natürlich ist es auch kein negativer Punkt, dass sie gewissermaßen Sensibilität hat für Nachhaltigkeitsfragen. Cargolux wird wie alle Transportfirmen unter Zugzwang geraten, sich anders aufzustellen. Das reicht von alternativen Kraftstoffen, über die Cargolux nachdenken muss, bis hin zum ganzen Geschäftsmodell, das in den nächsten 20bis 30 Jahren umgekrempelt werden muss, weil sich auch das gesamte Geschäftsumfeld verändert wird. In der Transport- und Logistikbranche haben diejenigen die Nase vorn, die verstehen, dass die Welt sich ändert. Und sie wird sich schnell ändern. Bei Klimafragen gibt es nur Prävention, und da muss man einfach vorausschauend denken und handeln. Irgendwann hat die Menschheit nichtmehr hundert Möglichkeiten. Ansonsten riskieren wir, unsere gesamte wirtschaftliche und gesellschaftliche Grundlage zu zerstören.

Luxemburger Wort: Dass die Personalie Wickler dann solche Diskussionen auslöste, hat Sie das überrascht?

François Bausch: Ja, das hat mich schon überrascht. Der Grund war ja diese Plattform (die die Corona-Maßnahmen kritisierte, d. Red.), von der sich Frau Wickler zurückgezogen hat. Also Frau Wickler ist, wie ich sie kenne, keine Covid-Leugnerin und auch ganz sicher keine Frau, die anti-wissenschaftlich ist. Sie hat ihre eigenen Ansichten darüber, ob Angst machen der beste Ratgeber ist und so weiter und so fort. Aber das kann man ja diskutieren. Unglücklich war sicher, dass auf dieser Plattform auch zweifelhafte Stimmen zu Wortkommen. Ich glaube, wir müssen einfach auch achtgeben in dieser ganzen Debatte um Covid, dass wir nicht Menschen, die eigentlich gar nicht zum Querdenker-Lager gehören, dort hineindrücken und wir zu einer Gesellschaft werden, wo wir alle nur noch schwarz-weiß denken.

Luxemburger Wort: Wie sieht die Zukunft des Transportsektors in Luxemburg aus? Ist nicht vielleicht schon die Grenze des Wachstums erreicht?

François Bausch: Was auf jeden Fall erreicht ist, ist die Grenze des Güterverkehrs auf der Straße. Wir können ja nicht die Straßen immer weiter ausbauen. Da sind wir wieder bei der Schiene. Die Zukunft ist eine gute Zusammenarbeit zwischen Straßengüterverkehr und Schiene.

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