Interview mit Georges Engel im Luxemburger Wort

"Sport hat etwas mit Identifikation zu tun"

Interview: Luxemburger Wort (Joe Geimer)

Luxemburger Wort: Georges Engel, Sie haben erst einmal nur noch 18 Monate Zeit, um bis zu den nächsten Wahlen Dinge zu bewegen. Reicht das aus?

Georges Engel: Die Ausgangslage ist tückisch, das stimmt. Ich möchte schließlich meine eigenen Überzeugungen einfließen lassen und die Projekte so gestalten wie ich es mir vorstelle. Das bedeutet nicht, dass es im Vergleich zu meinem Vorgänger eine Revolution geben muss, aber es kann zu leichten Nuancen kommen. Die muss man dann negoziieren und schauen, was mit den einzelnen Akteuren ausgemacht war. Natürlich weiß ich, dass, wenn ich jetzt eine Prozedur beginne, dieses Projekt vermutlich bis zu den nächsten Wahlen im Herbst 2023 nicht abgeschlossen sein wird. Das ist das Schicksal einer Person, die ein Ministermandat im Laufe einer Legislaturperiode übernimmt. Das wusste ich im Vorfeld und ich kann sehr gut damit leben.

Luxemburger Wort: Mussten Sie eigentlich überredet werden, um in die Fußstapfen von Dan Kersch zu treten?

Georges Engel: Es gibt nicht viele andere Ministerien, in denen ich mich so schnell wohlgefühlt hätte. Sport war immer ein Teil meines Lebens. Ich habe 20 Jahre lange Basketball gespielt und habe den Sport stets in seiner Gesamtheit verfolgt. Die AS Zolver liegt mir besonders am Herzen. Ich kann mich allerdings für alle Disziplinen begeistern. Deswegen war es für mich kein Thema, dieses Ministerium zu übernehmen. Dasselbe trifft übrigens auch auf das Amt des Arbeitsministers zu. Als Sozialist ist das ein Posten, den man einfach besetzen möchte.

Luxemburger Wort: Sie würden demnach gerne nach den Wahlen 2023 Sportminister bleiben?

Georges Engel: Ja, das ist das Ziel. Wenn die Menschen mich wählen und mir somit das Vertrauen schenken und meine Partei in einer Koalition mitregiert, würde ich gerne meinen Posten behalten. Ich finde, dass es nicht schlecht ist, mehr als fünf Jahre im Amt zu sein. Das lässt einem etwas mehr Luft, um Dinge zu bewegen. Ich hätte dann jetzt genügend Zeit, um mich einzuarbeiten und Hintergründe zu verstehen, um 2023 nach den Wahlen sofort loszulegen. Das wäre ideal. Momentan bin ich vier Tage in der Woche im Arbeitsministerium und einen Tag im Sportministerium, was nicht heißt, dass meine Post liegen bleibt (lacht). Dennoch: Für den Sport braucht man Zeit. Es ist ein komplexes Feld. Sport hat einen enormen Impakt auf die ganze Gesellschaft. Bis sich Gewohnheiten ändern, dauert es meist ein wenig. Ein Umdenken passiert nicht von heute auf morgen. Man muss am Ball bleiben. Die Zeit möchte ich mir nehmen.

Luxemburger Wort: In den vergangenen Wochen fanden Treffen mit einigen Verbänden statt. Was haben diese Ihnen für die kommenden Monate ans Herz gelegt? Wie lang ist die Wunschliste?

Georges Engel: Die Liste reicht von organisatorischer und struktureller Hilfe bis zu finanzieller Unterstützung und die Höhe der Subsidien. Es geht aber auch um die globale Ausrichtung im Sport. Was wollen wir? In welche Richtung soll es gehen? Ich habe vor ein paar Tagen eine Studie gesehen, die erläutert, was in den vergangenen beiden Jahren in Luxemburg im Bereich des Sports passiert ist. Das ist nicht sehr erfreulich. Es sind vor allem junge Leute, die den Kontakt zum Sport verloren haben, außerdem Menschen, denen es finanziell weniger gut geht. Auch Frauen haben verhältnismäßig öfter den Zugang zum Sport verloren. Das macht mir Sorgen. An diesen Punkten müssen wir arbeiten. Denn neben dem Vereinssport und dem Elitesport gibt es auch den Breitensport. Ich komme aus dem Gesundheitsbereich und weiß, wie wichtig die Bewegung für den Körper und die Psyche ist. Der soziale Impakt des Sports auf die Gesellschaft ist hoch. Ich weiß, wie bedeutend es ist, den Menschen Möglichkeiten anzubieten, um Sport zu treiben. Einige kann man dort auffangen, die ansonsten vielleicht ganz woanders gelandet wären. Diese Aspekte möchte ich mit Blick auf das Budget des Sportministeriums stärker herausstreichen.

Luxemburger Wort: Im Moment kommen dem Sport 0,33 Prozent des Staatsbudgets zugute. Wird es kommendes Jahr zu einer Erhöhung kommen?

Georges Engel: Es gibt eine Vereinbarung zwischen meinem Vorgänger (Kersch) und dem ehemaligen Finanzminister (Pierre Gramegna, Anm. der Red.), die besagt, dass die finanziellen Zuschüsse in den fünf Jahren der aktuellen Legislaturperiode jeweils ansteigen. Ich gehe sehr stark davon aus, dass diese Vereinbarung weiterhin gilt. Ich werde darauf pochen, dass das so ist. Wir benötigen die Gelder, um ordentlich funktionieren zu können. Geld ist allerdings nicht alles.

Luxemburger Wort: Hat der Sport in Ihren Augen den Stellenwert, der ihm zustehen sollte?

Georges Engel: Ich stelle fest, dass die positiven Aspekte des Sports nicht immer als solche erkannt werden. Diese müssten vermehrt herausgearbeitet werden. In diesem Punkt bleibt eine Menge Luft nach oben. Und da spielen die Vereine eine wichtige Rolle. Der Wettbewerbsgedanke ist wichtig. Das ist richtig so. Ich verstehe, dass man mit seinem Team gewinnen möchte, aufsteigen und Meisterschaften feiern will. Aber es gibt eine ganze Reihe von Menschen, die Sport treiben möchten, ohne an irgendeinem Wettbewerb teilzunehmen. Wir müssen die Vereine darin unterstützen, diesen Menschen eine Alternative ohne Wettbewerbsgedanken zu bieten - klassischer Freizeitsport halt. Das kann man finanziell unterstützen. Die Sportkoordinatoren in den Gemeinden spielen in diesem Bereich eine wichtige Rolle. Das Angebot muss stimmen, denn die Nachfrage ist groß. Jeder Mensch der Sport treiben möchte, sollte eine Möglichkeit dazu haben.

Luxemburger Wort: Laurent Deville steht als erster Regierungsrat im Sportministerium und ehemalige rechte Hand von Kersch in der Kritik. Die Beziehungen einiger Verbände mit dem Sportministerium haben sich verschlechtert. Wie stehen Sie zu Vorwürfen von fehlender Kommunikation, Alleinherrschaft und ausbleibender Kompromissbereitschaft?

Georges Engel: Mir sind diese Dinge ebenfalls zugetragen worden. Natürlich macht mich das hellhörig. Ich werde an einem modifizierten Organigramm im Sportministerium arbeiten. Wie das genau aussieht, bleibt abzuwarten. Ich denke aber, dass die Strukturen im Ministerium anders funktionieren müssen. Es muss mehr Hand in Hand gearbeitet werden, einer mit dem anderen. Das ist zumindest meine Art und Weise des Arbeitens. Ich will nicht sagen, dass meine Methode besser ist. Sie ist wie sie ist und besteht aus Zuhören und offener Kommunikation. Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das hinkriegen. Den Mangel an transparenter Kommunikation, den auch das COSL in seiner Generalversammlung angesprochen hat, kann ich weder bestätigen, noch abstreiten. Aber wenn ich sooft darauf angesprochen werde, dann scheint da etwas dranzusein. Ich will jedoch anmerken, dass wir aus einer sehr schwierigen Zeit kommen. Die Pandemie hat enorm viel Arbeit gefordert. Und der Sportminister ist nicht nur Sportminister. Das soll keine Entschuldigung sein, aber es erklärt, warum es vielleicht so lief, wie von manchen bemängelt.

Luxemburger Wort: Welches sind die Projekte, die Ihnen besonders am Herzen liegen und die auch zeitnah umgesetzt werden können?

Georges Engel: Mein Vorgänger hat die Erweiterung des Congé Sportif in die Wege geleitet. Dieses Projekt durchläuft die Prozeduren. Dann ist mir wichtig, wieder das Vertrauen herzustellen zwischen dem Ministerium, den Verbänden und dem COSL. Außerdem arbeiten wir jetzt am nächsten Fünfjahresplan im Bereich des Sports. Und dann soll auch eine zivile Karriere für Elitesportler ins Leben gerufen werden. Es gibt eine Reihe von Menschen, die aus verständlichen Gründen nicht zur Armee wollen. Diesen sollte man die Möglichkeit bieten, sich auf einem anderen Weg zu engagieren. Es liegen Entwürfe vor. Im Monat Mai möchte ich ganz konkret daran arbeiten. Dann soll Klarheit geschaffen werden. Ich kann und will noch nicht zu viel verraten, weil noch Gespräche mit dem einen oder anderen Akteur geführt werden müssen, wie beispielsweise den Vertretern des öffentlichen Dienstes und der CGFP. Es macht jetzt keinen Sinn zu erklären, wie ich es mir vorstelle, ohne sämtliche Diskussionen geführt zu haben. Ich kann sagen, dass es eine Vorarbeit gegeben hat, die ich in ein paar Punkten infrage stelle und überdenken möchte. Ich will auch den Conseil Supérieur des Sports reaktivieren. Es gibt genügend zu tun. Das wären meine Prioritäten für die kommenden 18 Monate.

 

Luxemburger Wort: Beim Conseil Supérieur des Sports hat Präsidentin Norma Zambon ihr Amt niedergelegt. Wie geht es dort weiter?

Georges Engel: Norma hat aus Zeitgründen entschieden, den Posten nicht mehr zu bekleiden. Sie möchte sich noch mehr dem Volleyballverband widmen und wird aus personellen Gründen spezifisch im Beachvolley mehr im Einsatz sein. Der Nachfolger von Zambon steht fest. Ich will aber nicht vorgreifen, sondern dem Conseil die Verkündung dieser Personalie überlassen.

Luxemburger Wort: Der Begriff des Elitesportlers soll reformiert beziehungsweise die Befugnisse sollen erweitert werden. Warum?

Georges Engel: Bislang konnte ausschließlich das COSL entscheiden, wer als Elitesportler gilt und wer nicht. Im angepassten Gesetz würden auch der Sportminister und das Paralympische Komitee diese Möglichkeit bekommen. Letzteres scheint mir logisch. Das Gesetzesprojekt wurde vorgelegt. Jetzt warten wir erst einmal auf das Gutachten des Staatsrats. Ich weiß aus meiner Erfahrung, dass ein Gesetzesprojekt selten so gestimmt wird, wie es in die Abgeordnetenkammer gelangt. Ich will klarstellen, dass ich auf keine Weise die Selektionskriterien des COSL und die gewissenhafte Arbeit der Verantwortlichen in-frage stellen möchte.

Luxemburger Wort: Ein weiteres wichtiges Thema ist das Benevolat. Es fehlt an allen Ecken und Enden an motivierten Menschen, die sich engagieren. Der Sport lebt von den Freiwilligen. Kann man den Trend überhaupt umkehren? Immerhin ist die Erkenntnis nicht neu.

Georges Engel: Es gibt keine Wunderlösung. Zumindest habe ich sie nicht parat. Es gibt eine Reihe von Elementen, die zusammen helfen können, damit das Ehrenamt attraktiver wird. Die Ausdehnung des Congé Sportif auf Freiwillige (vier Tage im Jahr für eine Person pro Verein, Anm. der Red.) gehört dazu. Dann wird es im Rahmen von 20 Jahren Coque und 40 Jahren Piscine Oympique zu einer Ausstellung und zu Ehrungen kommen. Das Problem ist kein sportspezifisches, es umfasst alle Gesellschaftsschichten und alle Vereine. (Engel macht eine längere Pause) Etwas kommt im Sport ganz sicher hinzu. Und ich weiß, dass es ein heikles Thema ist. Aber wenn in den Vereinen überall nur noch Söldner spielen, dann verlieren die Clubs den Kontakt zu ihren Mitgliedern. Ich habe enormen Respekt vor allen Freiwilligen, die sich für ihren Verein einsetzen. Viele stehen am Grill oder in der Buvette, weil in den Mannschaften Menschen spielen, die sie kennen. Wenn dieser Kontakt abreißt, entsteht ein Problem. Wenn alle Sportler nach den Spielen schnellstmöglich ins Auto steigen und nach Hause fahren, dann geht etwas verloren. Sport hat etwas mit Geselligkeit und Identifikation zu tun. Es geht auch darum, zu wissen, warum ein Verein existiert und wer die treibenden Kräfte hinter den Kulissen sind. Dies ist eine Form des Respekts. All die Dinge sind eng miteinander verflochten. Wenn man möchte, dass das Ehrenamt eine Chance hat zu überleben, dann muss auf diesem Niveau etwas passieren. Ich habe sehr gut verstanden, dass wir in unserer Gesellschaft mit einem Ausländeranteil von 50 Prozent nicht sagen dürfen, dass wir eine Meisterschaft nur für Luxemburger austragen. Das wäre Quatsch. Jeder der hier wohnt, aufwächst oder hinzuzieht, soll in Luxemburg in einem Verein Sport treiben können. Ich habe aber ein Problem damit, wenn man aus dem Ausland mit dem Versprechen eines Arbeitsplatzes nach Luxemburg gelockt wird, um dann Basketball, Handball oder Fußball zu spielen. Es ist oft falsch, einem Sportler aus der Grenzregion 1.000 Euro zu zahlen, damit er das Trikot eines Vereins trägt. Etliche Male ist er noch nicht einmal besser als die Spieler aus der eigenen Jugend. Was passiert, wenn man einem Nachwuchsspieler von 16 Jahren drei solche Spieler mit vielleicht mehr Erfahrung vor die Nase setzt? Er geht dem Club und vielleicht gar dem Sport verloren. Und er übernimmt später halt auch keinen Trainerjob oder hilft als Freiwilliger aus. Und damit sind wir wieder bei der Situation rund ums Ehrenamt.

Luxemburger Wort: Der Posten des für den Sports zuständigen Regierungskommissars ist derzeit nicht besetzt. Das Anforderungsprofil soll gesenkt werden. Wie stehen Sie dazu?

Georges Engel: Dies ist ein Dossier, das ich nicht prioritär behandeln werde. Aktuell arbeite ich mit einem Koordinator (Laurent Deville) zusammen und das klappt sehr gut. Ich bin auch in diesem Punkt der Meinung, dass man über alles diskutieren kann. Dass der Kommissar bislang immer ein Sportlehrer war, ist sicherlich aus einer gewissen Historie heraus geboren. Aber auch das muss infrage gestellt werden können. Ich sage nicht, dass es kein Sportlehrer sein darf. Nein, es kann ein Sportlehrer sein. Aber es muss meiner Ansicht nach keiner sein. Ich werde die entsprechenden Diskussionen führen. Ich habe schon meine Fühler ausgestreckt und gute Rückmeldungen bekommen. Ich werde dieses Dossier in Ruhe und ohne Polemik angehen.

Luxemburger Wort: Wird es wegen der Folgen der Corona-Pandemie einen dritten Plan de relance im Sport geben?

Georges Engel: Wir machen gerade die Bilanz des zweiten Rettungsschirms und unsere Ideen gehen dahin, einen dritten Plan mit Unterstützungsmaßnahmen in die Wege zu leiten. Noch ist es nicht soweit. Eine ganze Reihe anderer Dinge, die lanciert wurden und gut ankamen, wie der Subside qualité+, müssen ebenfalls noch analysiert und ausgewertet werden.

Luxemburger Wort: Ein Wort noch abschließend zur Trainerausbildung und zur ENEPS (Ecole Nationale de l'Education Physique et des Sports). Sie hatten schon einmal angedeutet, dass es dort zu Veränderungen kommen soll. Wie sehen diese konkret aus?

Georges Engel: Die ENEPS werde ich weiter tatkräftig unterstützen. In dem Bereich ist viel passiert. Und das ist gut so. Eine ordentliche Trainerausbildung ist wichtig. Mir schwebt eine Professionalisierung der Trainerarbeit vor. Wir arbeiten an einem Konzept, auch mit ein paar anderen Ministerien, das es möglich macht, die Trainertätigkeit als Beruf oder Teil eines Berufes erlernen zu können. Es muss möglich sein, professionell als Coach zu arbeiten. Es gibt konkrete Überlegungen. Der Beruf des Trainers soll einen anderen Stellenwert bekommen.

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