Interview mit Jean Asselborn im Tageblatt

"Nicht nur der Winter wird hart"

Interview: Tageblatt (Armand Back)

Tageblatt: Sie fahren 12.000 Kilometer Rad im Jahr, warum überhaupt?

Jean Asselborn: Außenminister zu spielen, ist auch eine körperliche Anstrengung. Das Radfahren hilft dabei, das durchzuhalten. Seit 25 Jahren fahre ich jeden August in Frankreich. Dafür muss ich übers Jahr viel trainieren. Sonst schaffe ich das nicht. Es wird auch immer schwerer - und ich nicht jünger. Ohne das würde ich den ganzen Stress wahrscheinlich nicht schaffen. Auf dem Rad bist du allein, da kann niemand mit dir reden. Nach einer Tour, zwei Stunden reichen, bin ich ein anderer Mensch.

Tageblatt: Machen Sie sich da Gedanken oder schalten Sie komplett ab?

Jean Asselborn: Vor einem wichtigen Gespräch ist es immer gut, kurz aufs Rad zu steigen. Was mir dort durch den Kopf geht, lasse ich später raus.

Tageblatt: Das Interview wollten Sie nicht am vergangenen Samstag führen, weil eine Radtour auf dem Programm stand. Haben Sie an Luxemburg gedacht oder an das Weltgeschehen?

Jean Asselborn: Russlands Krieg in der Ukraine, ganz klar. Ich bin sehr lange Außenminister, aber eine solche Situation ist auch für mich neu. Wir haben es mit einem Krieg zu tun, von dem man nicht weiß, wo das endet. Wie lange dauert das? Wie weit geht Putin? Wie viele Tausende Menschen müssen noch sterben? Als ich 2004 Minister wurde, war meine Hoffnung größer als meine Angst, jetzt ist bei mir die Angst größer als die Hoffnung.

Tageblatt: Das klingt bedrückend...

Jean Asselborn: Schauen Sie sich an, wie Russland, das größte Land der Welt mit einer der stärksten Armeen der Welt, diesen Angriffskrieg führt. Du kommst an den Punkt, wo du den Sinn der Diplomatie nicht mehr siehst und fragst dich, warum wir überhaupt noch die Vereinten Nationen und deren Charta haben - und da musst du die Bremse im eigenen Kopf ziehen und sagen: Nein, so weit darf es nicht kommen, dass ein Typ alle Strukturen, die seit dem Zweiten Weltkrieg aufgebaut wurden, zusammenbrechen lässt, dass er für eine Energiekrise sorgt und eine Hungersnot provoziert.

Tageblatt: Der Westen unterstützt die Ukraine humanitär, mit Geheimdienstinformationen und mit Waffen, der Dialog mit Russland ist aber tot. Muss nicht wieder mehr verhandelt werden, um diesen Krieg zu beenden? Wenigstens der Versuch gestartet werden?

Jean Asselborn: Sie räsonieren, als lebten wir in einer normalen Zeit. Ich kann Sie verstehen, mir passiert das auch. Aber was machst du mit jemandem wie Wladimir Putin, der sagt, wir haben erst angefangen mit der Ukraine? Mit jemandem, der so viel gelogen hat? Auch wenn du mit ihm am Tisch sitzt, kannst du ihm nichts glauben. Ich habe das selber mit Sergej Lawrow gespürt. Der sagte kurz vor Kriegsausbruch noch, ich solle nach Moskau kommen, wir müssten reden. Dabei war da bereits alles klar. Lawrow und Putin selbst haben immer gesagt, dass es keinen Krieg geben wird. Putin sagte, dass niemand Russen sehen werde, die auf ihre ukrainischen Schwestern und Brüder in der Ukraine schießen. All das wurde gesagt - und zwar, nachdem die Entscheidung zu diesem Krieg schon längst gefallen war. Lange nach dem November 2021. Verhandeln? Ja, aber da muss erst ein Zeichen kommen. Wir als Westen machen nur, was wir machen können. Militärisch eingreifen, das geht nicht. Und das weiß Putin.

Tageblatt: Das wurde auch sehr früh vom Westen und vor allem den USA so klargestellt. Ein taktischer Fehler, weil so ein Druckmittel fehlt?

Jean Asselborn: Nein, wir können nicht militärisch eingreifen. Das wusste Putin auch so und er fuchtelt ja jetzt schon mit der Atombombe. Wir können drei Sachen tun und die tun wir auch. Wir haben Sanktionen gegen Russland verhängt, wir liefern Waffen, wir haben die Ukraine zum EU-Beitrittskandidaten gemacht.

Tageblatt: Alles war begleitet von langen Diskussionen und ging teilweise sehr schleppend voran. Schwere Waffen kommen erst seit kurzem in der Ukraine an. Sind wir zu langsam bei unserem Vorgehen?

Jean Asselborn: Noch im März hieß es, in Deutschland, Frankreich, aber auch bei uns hier in Luxemburg, dass es nicht infrage kommt, schwere Waffen in ein Konfliktgebiet zu liefern. Dann kamen die Bilder von den ermordeten Ukrainerinnen und Ukrainern aus Butscha und Irpin - und die Stimmung hat sich in zwei Tagen gedreht. Ab da war klar, dass wir nicht dabei zuschauen können, wie die Ukrainer abgeschlachtet werden und wir ihnen die Möglichkeit geben müssen, sich zu wehren. Der Status als Beitrittskandidat ist auch ein Zeichen: Dass wir sehen, dass die Ukrainer nicht nur für sich kämpfen, sondern auch für unsere Werte.

Tageblatt: Vor allem kämpfen sie gegen eine russische Besatzung ihres Landes.

Jean Asselborn: Der Kampf von Putin richtet sich nicht allein gegen die Ukraine, sondern gegen unsere westlichen Vorstellungen. Putin hat, wie alle Autokraten, Angst vor der Demokratie. Putin hat Angst vor allem, was uns ausmacht: Er hat die freie Presse abgeschafft, keine unabhängige Justiz mehr und auch keine Opposition. Nur so konnte er so lange an der Macht bleiben. Wäre Russland eine Demokratie, hätte es diesen Krieg nicht gegeben. Wer in Russland anderer Meinung als Putin ist, muss in Angst leben. Und dann dieses Gespinst eines großrussischen Reiches - Putin wird danach streben, solange er an der Macht ist. Das wissen die Menschen in den betroffenen Ländern, und damit geht auch dort die Angst um. Die Menschen in Moldau und Georgien wissen: Wenn das in der Ukraine in Putins Sinn läuft, sind ihre Länder die nächsten auf Putins Liste.

Tageblatt: Deswegen die Frage: Müssen wir nicht verhandeln? Irgendwann muss dieser Krieg ja auch ein Ende finden.

Jean Asselborn: Wie verhandelst du mit jemandem, der dir das Existenzrecht abspricht? Genau das hat Putin mit den Ukrainern getan. Du kannst doch nicht ein ganzes Volk als Nazis hinstellen! Im Moment dürfen wir uns nicht der Illusion hingeben, dass wir die Instrumente der Diplomatie einsetzen können, so wie wir das gewohnt waren nach 1945. Das ist leider verloren gegangen.

Tageblatt: Die Welt ist weniger geeint gegen Putin, als sich der Westen dies erhofft hat. Da schwingt Antiamerikanismus mit und unsere Vergangenheit als Kolonialherren. Da geht es aber auch um ganz Konkretes. In vielen Ländern Afrikas und Südostasiens geht die Angst vor Hungersnöten um, und sie werfen dem Westen vor, auch die Sanktionen gegen Russland seien schuld an den blockierten Weizenexporten aus der Ukraine. Diese Staaten wollen eine Lösung. Um sie wieder auf unsere Seite zu ziehen, müssten wir dann nicht trotzdem auf Verhandlungen drängen?

Jean Asselborn: Sagen Sie mir, wie der Westen das machen sollte! Hallo, Herr Putin, hören Sie bitte auf? Putin zieht das durch, solange er die militärischen Mittel dazu hat. Wir hatten die Hoffnung, im Westen, dass die Welt sieht, wer diesen Krieg angefangen hat. Und ich bin nach wie vor der Meinung, dass es nicht anders sein kann und jeder sehen muss, dass es einen Angreifer und einen Angegriffenen gibt. Wenn das falsch ist, ist alles falsch, woran ich bisher geglaubt habe. Zudem haben wir noch nie solche Anstrengungen unternommen wie im Vorfeld des Krieges. Putin wurde von allen Seiten gesagt, mach das nicht, ihr verabschiedet euch für zehn, 20 Jahre aus der zivilisierten Welt. Aber Putin wollte diesen Krieg. Und noch eine Sache zum Reden mit Russland: Schauen Sie, was beim G2O-Treffen der Außenminister auf Bali war — Lawrow kommt, hält seine Rede und verschwindet wieder. Alleine das zeigt schon, wie schwer es geworden ist, überhaupt an diese Leute heranzukommen.

Tageblatt: Sie kennen Lawrow schon lange und waren gut befreundet. Haben Sie nie überlegt, ihn mal anzurufen?

Jean Asselborn: Was soll ich ihm denn sagen? Und das geht nicht, dass ich das als Außenminister mache, hinter dem Rücken der Ukraine. Das wäre ein katastrophales Signal. Wir müssen als Westen solidarisch sein. Und nur die Ukraine entscheidet über Verhandlungen.

Tageblatt: Ist Europa noch geeint?

Jean Asselborn: Selbstverständlich.

Tageblatt: Noch so stark wie kurz nach Kriegsbeginn?

Jean Asselborn: Es gibt Nuancen. Vor allem, wenn es um die Energie geht. Das verstehe ich auch, nicht alle sind gleich stark getroffen. Ein reiches Land wie Deutschland, das besonders betroffen wäre, könnte sich jedoch dagegen wehren. Aber es gibt Länder in der EU, wo Hunderte oder Tausende Menschen ihre Arbeit verlieren könnten — und dann? Gas ist unser Schwachpunkt.

Tageblatt: Die russischen Gegenmaßnahmen wirken bereits jetzt bei uns und vielleicht dreht Putin uns bald das Gas ab. Unsere Sanktionen scheinen aber noch nicht richtig zu greifen. Werden sie irgendwann so wirken wie erhofft?

Jean Asselborn: Ja, mittelfristig werden sie das tun. Was aber leider auch stimmt, ist, dass er wegen der hohen Energiepreise noch nie so viel Geld in der Kasse hatte wie jetzt. Auch deswegen sehe ich, bei allem, was ich weiß und höre, kein Ende dieser Barbarei. Nennen Sie mir eine Sache, an die wir unsere Hoffnungen knüpfen könnten! Als der UN-Generalsekretär in Kiew war, hat Putin die Stadt mit einer neun Meter langen Rakete beschossen. Und wenn einer verhandeln könnte, ist es doch der! Was bleibt dann noch? Wir brauchen Teilhoffnungen. Zum Beispiel, dass ein Weg gefunden wird, den ukrainischen Weizen nach Afrika zu bringen. Doch nicht einmal diese Hoffnung ist groß.

Tageblatt: Afrika drohen Hungersnöte, Europa ein Energienotstand. Die deutsche Politik mahnt ihre Bürger zum Sparen. Auch bei uns in Luxemburg werden die Preise voraussichtlich weiter steigen. Müsste die Regierung das nicht klarer kommunizieren?

Jean Asselborn: Wir sprechen in der Regierung viel darüber. Energieminister Claude Turmes ("déi gréng") arbeitet volle Pulle daran. Wir entwickeln einen Plan, dass wir vorbereitet sind, wenn das Gas abgedreht wird. Und wir sind nicht so abhängig von russischem Gas wie Deutschland.

Tageblatt: Teurer wird es aber auch bei uns.

Jean Asselborn: Aber ich frage mich, ob man heute schon den Leuten Angst machen soll.

Tageblatt: Ich glaube, dass die Leute sich auch so ihre Gedanken machen und klare politische Kommunikation da helfen kann. Oder nicht?

Jean Asselborn: Man muss deutlich sagen, dass wir auch in Luxemburg Probleme mit verschiedenen Energien nicht ausschließen können. Wir haben eine Situation, die wir so noch nicht kannten - ein Energienotstand wegen eines Kriegs. Und weil wir in Europa auf billiges Gas aus Russland gesetzt haben und uns dadurch abhängig gemacht haben, kommen wir da nicht raus.

Tageblatt: Dieses Business-Modell dürfte gestorben sein.

Jean Asselborn: Ja, das ist es. Wir müssen jetzt alles auf erneuerbare Energien setzen.

Tageblatt: Der Winter dürfte trotzdem hart werden.

Jean Asselborn: Nicht nur der Winter. Wir dachten ja alle, dass wir mit der Corona-Pandemie vieles geschafft hätten. Und dann kommt das... In Europa und auch in Luxemburg werden sich einige Leute besser durchschlagen können als andere. Viele werden wegen der Teuerungen viel eingeschränkter leben müssen. Das betrifft die ganze Sozialpolitik Europas. Dabei hatte sich die EU gerade zusammengerissen mit den 750 Milliarden Euro für den Aufbau nach Covid und unsere Vorstellungen vom Klimaschutz. Das alles wird unter dem Krieg leiden — und da geht es um die Zukunft unserer Kinder.

Tageblatt: In Europa dreht sich die Stimmung. Jüngste Erhebungen legen nahe, dass immer mehr Menschen die ganz harte Kante gegen Russland nicht mehr wollen, weil sie darin keinen Ausweg aus dem Krieg sehen. Läuft die Politik in Europa nicht auch hier Gefahr, unzureichend zu kommunizieren, was unsere Ziele in der Ukraine sind?

Jean Asselborn: Noch mal: Die Ukraine verteidigt sich, wir unterstützen sie dabei. Wir können der Ukraine nicht eines guten Morgens einfach sagen, bis dahin bekommt ihr Waffen und nicht länger. In diese Situation versetzen wir uns nicht.

Tageblatt: Gibt es keine inoffiziellen Gesprächskanäle? Womöglich sagen die Amerikaner, die am meisten Waffen liefern, Kiew früher oder später, wenn der Donbass weg ist, ist er weg, es tut uns leid, aber mehr können wir nicht machen. Wir brauchen wieder Frieden.

Jean Asselborn: Das war die Idee, ja, aber die Wirklichkeit sieht anders aus. Wir in Europa haben nicht den Hebel, den Ukrainern zu sagen: bis hierhin und nicht weiter. Putin würde sich die Hände reiben, wenn er sähe, dass wir wackeln, und weiter reinhauen. Alles, was du sagst, kann dem anderen einen Riesenvorteil geben. Es lohnt sich im Moment nicht, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Diesen Hebel haben wir nicht. Und Putin, das ist meine Einschätzung, will weder einen Waffenstillstand noch einen Friedensvertrag.

Tageblatt: Damit keine Ruhe einkehrt und die Unsicherheit groß bleibt?

Jean Asselborn: Genau. Putin macht in der Ukraine im Großen, was Russland zuvor in Moldau und Georgien getan hat. Er nimmt sich einen Teil eines Landes, und den Rest lässt er in der Schwebe. Ein Schaden, der daraus resultiert, ist die Aufrüstungsspirale, in die wir uns begeben müssen. Statt den Hunger in der Welt zu bekämpfen und den Menschen Bildung zu geben, investieren wir in Waffen.

Tageblatt: Sogar Luxemburg wird künftig bis zu eine Milliarde Euro in die Verteidigung investieren. Wenn links und rechts das Geld fehlen sollte - wie wollen Sie das den Menschen dann erklären?

Jean Asselborn: Wir müssen das nicht akzeptieren, aber wir müssen es verstehen: Wenn Europa mehr Geld in seine Verteidigung investiert, ist kein Land davon ausgeschlossen. Mit unseren Mitteln können wir mit Satelliten nützlich sein. Ich sage Ihnen ehrlich, ich habe die ganzen Jahre an diesen NATO-Treffen teilgenommen und mir gedacht, na ja, halt "nur" die NATO. Aber jetzt ist alles anders und die NATO ist, so sehen es auch viele Menschen in Europa, unser einziges Instrument, um uns wehren zu können. Die NATO muss jetzt in Europa Abschreckung aufbauen. Vor wenigen Monaten hätten weder Finnland noch Schweden daran gedacht, der NATO beizutreten. Und warum machen sie es jetzt? Aus Angst. Die Menschen haben Angst und sehen, dass die NATO das einzige Mittel gegen diese Angst ist. Und wenn die Europäer mehr Gewicht innerhalb der NATO wollen, müssen sie mehr investieren. Ohne etwas zu bezahlen, können wir nicht mitentscheiden. Sollte Russland die Ukraine als Ganzes erobern, steht Russland an der Grenze zur EU. Nicht vorbereitet sein, wenn militärisch etwas geschieht, ist keine Option.

Tageblatt: Kommendes Jahr ist in Luxemburg großes Wahljahr. Wird der Krieg diese Wahlen beeinflussen?

Jean Asselborn: Ich glaube nicht, dass bis dahin eine Lösung für diesen Krieg gefunden ist. Außer wenn Putin dann sagt, ich habe den Donbass, ich habe den Zugang zum Schwarzen Meer, mir reicht das jetzt.

Tageblatt: Aber das wäre wahrscheinlich keine Gesprächsgrundlage für die Ukraine...

Jean Asselborn: Trotzdem kämen alle dann wenigstens in eine Diskussion hinein. Aber solange Russland angreift, ist ein Dialog nicht möglich.

Tageblatt: Wie war die Situation für ihre Partei, die LSAP, eine pazifistische Partei...

Jean Asselborn:... ich bin auch Pazifist...

Tageblatt: Aber gab es viel Gegenwind? Luxemburg hat immerhin auch Panzerabwehrwaffen in die Ukraine geschickt.

Jean Asselborn: Luxemburg, das habe ich mehrmals erlebt, schließt sich in Fragen einer solch internationalen Tragweite den Entscheidungen an, die auf europäischer Ebene getroffen werden. Hier war das nicht anders. Aber in der LSAP habe ich da keine großen Differenzen gesehen.

Tageblatt: Ihre Partei hat vor kurzem ihren 120. Geburtstag gefeiert. Bereiten Ihnen solche Feste in diesen düsteren Zeiten noch Freude?

Jean Asselborn: Ich habe auch dort über den Krieg gesprochen, das geht nicht anders. Was mich gefreut hat, waren die vielen jungen Menschen.

Tageblatt: Eine Veränderung?

Jean Asselborn: Mir scheint es so, ja. Es ist mehr Verantwortung da, zu wissen, dass sie die Partei weiterführen müssen. Für mich ein sehr positiver Aspekt.

Tageblatt: Diese Jungen werden kommendes Jahr nicht die Hauptrolle bei den Wahlen spielen. Ich weiß, dass Sie uns nicht verraten werden, wer der oder die Spitzenkandidatin wird. Aber was ist Ihre persönliche Präferenz: zwei Kandidaten oder einer?

Jean Asselborn: Wir haben das noch nicht entschieden, mehr kann ich nicht sagen. Die Wahlen sind im Oktober kommenden Jahres. Ich glaube nicht, dass wir vor dem Frühling alle Personalfragen geklärt haben müssen.

Tageblatt: Andere in der LSAP denken dabei eher an den Herbst.

Jean Asselborn: Diese Eile sehe ich nicht. Die Umfragen sehen uns nicht auf dem absteigenden Ast. Ich bin zuversichtlich, dass wir uns anständig aufstellen. Wir haben vor allem eine gewisse Ruhe gefunden. Ich kann mich an meine Zeiten als Parteipräsident erinnern (Asselborn lacht jetzt herzlich, Anm.) — wenn ich da nach Arlon gegangen bin und die Grenze gerade überschritten hatte, war ich für einige in meiner Partei damals schon nicht mehr Parteipräsident. In der Parteiführung haben wir eine Doppelspitze. Mal schauen. Für meine Partei bin ich optimistisch.

Tageblatt: Was kann Luxemburg in dieser Krise bewirken?

Jean Asselborn: Wir müssen auf der richtigen Seite stehen. Mit Donald Trump kam die Autokraten-Mode. Als Demokratien sind wir in die Ecke gedrängt. Und sogar wenn der Krieg einmal enden sollte, ist die Weltordnung schwer angeschlagen, die auf interner Rechtsstaatlichkeit und auf internationalem Recht aufbaut. Und wir alle fragen uns jetzt, wie unsere Kinder und Enkelkinder in dieser Welt existieren können. Meine große Botschaft ist, dass wir in Europa unseren Rechtsstaat verteidigen müssen. Putin ist das Produkt eines Staates ohne Gegengewichte. Genau das müssen wir verhindern, indem wir horrend aufpassen, dass der Rechtsstaat in der EU hochgehalten wird. Man muss deutlich sagen, dass wir auch in Luxemburg Probleme mit verschiedenen Energien nicht ausschließen können Die Ukraine verteidigt sich, wir unterstützen sie dabei - wir können der Ukraine nicht eines guten Morgens einfach sagen, bis dahin bekommt ihr Waffen und nicht länger.

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