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Interview mit Claude Haagen im Télécran "Mehr Befugnisse für Kontrolleure" Neues Lebensmittelkontrollgesetz
Interview: Télécran (Jeff Karier)
Télécran: Warum war es nötig geworden, ein neues Gesetz auf den Weg zu bringen? Immerhin stammt das letzte von 2018?
Claude Haagen: Das aktuelle Gesetz wurde 2018 angenommen, allerdings gehen dessen Vorbereitungsarbeiten auf 2012 zurück. In der Zwischenzeit wurde auf europäischer Ebene unter anderem eine neue Verordnung erlassen, welche die Kriterien der offiziellen Kontrollen in der Nahrungsmittelkette neu definiert.
Diese müssen wir, wie jedes andere Land der EU, umsetzen. Hinzu kommen weitere Vorgaben aus Brüssel, die eher technischer Natur sind. Etwa im Bereich von Normen und Zertifikaten sowie deren Besteuerung. Außerdem haben wir die Gelegenheit genutzt, um eine Vielzahl von großherzoglichen Verordnungen, die in einem parallelen Gesetz standen, anzupassen. All dies wird mehr Transparenz bei der Nahrungsmittelkette schaffen. Denn auch wenn der freie Warenhandel in Europa wichtig ist, muss dieser kontrolliert werden, um sicherzustellen, dass Lebensmittel sauber sind.
Télécran: Berücksichtigt der Gesetzestext auch den Beschluss der EU-Kommission, dass nunmehr vier Insektenarten künftig Lebensmitteln beigemischt werden dürfen?
Claude Haagen: Die Genehmigung aller neuartigen Lebensmittel und somit auch der Insekten wird auf europäischer Ebene von der EU-Kommission in Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten im ständigen Ausschuss für Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit getroffen. Im Luxemburger Gesetz zur Lebensmittelkontrolle von 2018 ist die EU-Verordnung über neuartige Lebensmittel schon verankert und somit sind Verstöße gegen diese EU-Verordnung in Luxemburg strafbar und die Kontrolle der Einhaltung dieser EU-Verordnung und sämtlicher Genehmigungen von neuartigen Lebensmitteln sowie deren Bedingungen obliegt der Alva.
Télécran: Stichwort Alva: Vor einigen Monaten wurde mit der Luxemburger Veterinär-und Lebensmittelverwaltung (Alva) eine neue Behörde ins Leben gerufen. Welche Rolle nimmt diese angesichts des neuen Gesetzes ein?
Claude Haagen: Eine zentrale. Während vorher die Befugnisse und Aufgaben im Bereich der Lebensmittelsicherheit auf vier Administrationen, die drei verschiedenen Ministerien unterstanden, aufgeteilt waren, sind diese jetzt alle in der Alva zusammengefasst. Damit wird sie zur einzigen Behörde, die für die Kontrollen der Lebensmittelkette, einschließlich der Veterinär- und Futtermittelkontrollen, zuständig ist. Die Schaffung der Alva bedeutet somit zum einen eine Vereinfachung bei der Administration, wodurch Dossiers schneller behandelt und etwa bei Notfällen schneller gehandelt werden kann. Das bezieht auch eine zeitnahe Kommunikation mit der Öffentlichkeit mit ein. Etwa, wenn Fälle von Vogelgrippe festgestellt oder Lebensmittel zurückgerufen werden müssen. Zum anderen entstehen Synergien, da Kompetenzen gebündelt werden. Immerhin kümmert sich die Alva um viele Bereiche und Aspekte im Bereich der Lebensmittelsicherheit. Das reicht vom Horesca-Sektor und Lebensmittelproduzenten über den Im- und Export, was für sich genommen bereits ein sehr breites Feld ist, bis hin zum Online-Handel.
Télécran: Sie haben den Online-Handel erwähnt. Beziehen Sie sich damit auf Lieferdienste?
Claude Haagen: Unter anderem. Immerhin steigt dieses Angebot in Luxemburg von Jahr zu Jahr mehr. Aber auch der Kauf etwa von Tiefkühlpizzen oder anderen Lebensmitteln über Onlinehändler sowie andere Dienstleister, die Lebensmittel an die Haustür liefern. Dabei werden etwa Faktoren wie die Dauer und Art des Transports durch Strichproben überprüft. Das neue Gesetz sieht nämlich vor, dass Kontrolleure der Alva künftig etwa Bestellungen im Internet tätigen dürfen, um die Einhaltung der lebensmittelrechtlichen Standards zu überprüfen. Dazu müssen sie sich nicht als Kontrolleur zu erkennen geben und dürfen in spezifischen Fällen auch mit falscher Identität Bestellungen machen. Des Weiteren erhält die Alva auch die Befugnis, Internetseiten zu schließen, wenn sich Betreiber nicht an das Lebensmittelrecht halten.
Télécran: Ist auch vorgesehen, mehr Kontrollen in Restaurants und Geschäften durchzuführen beziehungsweise wird im Zuge dessen mehr Personal eingestellt?
Claude Haagen: Dies wird von den Verwaltungen seit vielen Jahren gefordert, auch jetzt von der Alva. Als zuständiger Minister werde ich mich daher dafür einsetzen, dass die Alva die nötigen Mittel im Bereich Personal und Finanzen erhält, damit sie ihre vielfältigen Aufgaben bei den Kontrollen erfüllen kann. Leider sind Kontrollen oft negativ konnotiert. Dabei sind diese etwas Hilfreiches, weshalb auch viele Produzenten es begrüßen, wenn bei einer Kontrolle aufgezeigt wird, was verbessert werden kann. Ich würde mich daher freuen, wenn diese auch von anderen als solche verstanden werden. Immerhin wird durch hohe Standards bei den Kontrollen auch das Vertrauen der Verbraucher in die Produkte gestärkt. Die Verbraucher profitieren am Ende von sicheren Lebensmitteln.
Télécran: Wird sich auch etwas an der Arbeitsweise der Kontrolleure ändern?
Claude Haagen: Die Kontrollbeamten werden mit dem neuen Gesetz mehr Befugnisse erhalten, um Verstöße gegen bestehendes Gesetz zu ahnden. Neben den strafrechtlichen Maßnahmen, die auf bestehenden europäischen Verordnungen beruhen, sind außerdem Verwaltungsmaßnahmen vorgesehen, die es der Alva erlauben, schnell die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Verbraucher. Dies sowohl auf dem luxemburgischen Markt als auch bei der Einfuhr aus Drittländern.
Télécran: Was, wenn es zu Fälschungen bei Herkunft oder anderen Informationen kommt?
Claude Haagen: Das neue Gesetz legt auch großen Wert auf die Bekämpfung von Lebensmittelbetrug. Richter können etwa bestehende Strafen verdoppeln, wenn Lebensmittelbetrug in einem Gerichtsverfahren nachgewiesen wird. Überdies haben Richter die Möglichkeit, in besonders schweren Fällen ein Berufsverbot von bis zu 15 Jahren zu verhängen. Das Gesetz ist somit auf der Höhe der Zeit. Ich bin überzeugt, dass es, wenn es um Lebensmittelsicherheit geht, wir den neusten Standard bei den Kontrollen und der Durchsetzung der Vorgaben haben sollten. Das ist sowohl im Interesse der Verbraucher als auch der Betriebe. Das gibt allen Sicherheit.