Interview mit Joëlle Welfring im Luxemburger Wort

"Verordnungen reichen nicht aus"

Interview: Marc Schlammes (Luxemburger Wort)

Luxemburger Wort: Ein UN-Nachhaltigkeitsziel lautet, allen Menschen bis 2030 Zugang zu sauberem Wasser zu gewährleisten - was weltweit heute für jeden vierten Menschen nicht der Fall ist. Wie hilft Luxemburg, um dieses Ziel zu erreichen?

Joëlle Welfring: Das Thema Wasser und Sanitärversorgung ist ein Schwerpunkt der luxemburgischen Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere in unseren Programmes indicatifs de coopération (PIC); viele Wasserprojekte werden von Luxemburg in unseren Partnerländern finanziert, beispielsweise das aktuelle PIC Entwicklung-Klima-Energie für die Jahre 2021/25 auf den Kapverdischen Inseln. Dies ist das erste PIC, das Teil eines gesamtstaatlichen Ansatzes ist, an dem Außenministerium, das Ministerium für Umwelt, Klima und nachhaltige Entwicklung sowie das Energieministerium beteiligt sind. Ein wichtiger Bestandteil dieses Programms ist die Unterstützung des Wasser-und Abwassersektors. Es zielt darauf ab, die Verfügbarkeit von Trinkwasser, hauptsächlich entsalztes Wasser, zu erhöhen und die Kosten zu senken sowie den nachhaltigen Zugang zu sanitären Einrichtungen sicherzustellen. Dafür steuert Luxemburg 17 Millionen Euro bei. Auch in anderen Partnerländern wie Niger und Senegal ist das Thema Wasser ein wichtiger Bestandteil von Kooperationsprogrammen.

Luxemburger Wort: Hierzulande müssen ausbleibende Niederschläge zunehmend Sorgen bereiten. Wie will, wie soll Luxemburg mittel- und langfristig seine Wasserversorgung sichern, auch mit Blick auf eine stetig wachsende Bevölkerung (+/eine Million in 2050)?

Joëlle Welfring: Die Klimamodelle sagen auch voraus, dass die höheren Temperaturen im Winter zu längeren Vegetationsperioden führen werden. Dies hat einen Einfluss auf die Grundwasserneubildung, die vor allem in den Wintermonaten zwischen Oktober und März stattfindet. Längere Vegetationsperioden führen zu einer Verringerung der Grundwasserneubildung und damit zu einem Rückgang der Quellschüttungen. Dieser Trend ist bereits heute zu beobachten. Quellen sind sehr wichtig, damit Bäche und Flüsse auch in den Sommermonaten ausreichend Wasser führen. Fließende Gewässer mit einer vielfältigen Fauna und Flora sind für die biologische Vielfalt unverzichtbar. Nur wenn es den Tieren und Pflanzen gut geht, geht es auch den Menschen gut. Um zukünftige Engpässe in der Trinkwasserversorgung zu vermeiden, hat die Regierung eine Strategie entwickelt, die auf drei miteinander verbundenen Säulen basiert: den Schutz der vorhandenen Ressourcen, Maßnahmen zum Wassersparen sowie das Erfassen von zusätzlichen Ressourcen. Seit 2014 wurden 45 Trinkwasserschutzzonen durch großherzoglichen Erlass festgelegt, davon eine um den Stausee und 44 um die Quellen und Grundwasserbrunnen. Für acht weitere Règlements grand-ducaux läuft das Verfahren aktuell noch. Der vorsorgende Schutz durch Trinkwasserschutzgebiete ist von großer Bedeutung. Verordnungen reichen hier nicht aus, vielmehr ist eine aktive Zusammenarbeit vor Ort im Rahmen von Maßnahmenprogrammen angebracht. Im Bereich der Landwirtschaft sind auch die finanzielle und beratende Unterstützung sehr wichtig. Der Staat stellt die notwendigen Mittel zur Verfügung und unterstützt neben der klassischen Agrarförderung vor allem die Trinkwasserversorger finanziell mit derzeit rund zwei Millionen Euro pro Jahr. Und dieser Betrag soll in Zukunft verdoppelt werden. Damit diese Maßnahmen ihre Wirkung entfalten und ihre Auswirkungen auf die Wasserqualität abgeschätzt werden können, ist ein transparenter Austausch von Wasserqualitätsdaten und landwirtschaftlichen Daten erforderlich. Auf Initiative des Umweltministeriums und des Wasserwirtschaftsamts wurden sechs regionale Strukturen geschaffen, die von Koordinatoren unterstützt werden, um vor allem kleineren Gemeinden die Möglichkeit zur Zusammenarbeit zu bieten. Beim Wassersparen ist jeder einzelne Bürger gefordert... Unsere Wassersparstrategien richten sich an Haushalte, aber auch Kleinbetriebe, Industrie und Landwirtschaft. In den Haushalten kann besonders viel gemacht werden: Der Verbrauch kann durch wassersparende Armaturen wie Strahlregler, Duschköpfe und Toilettenspülungen reduziert werden. Zudem soll für Nutzungen, bei denen Trinkwasserqualität nicht zwingend erforderlich ist, das Trinkwasser durch Regenwasser ersetzt werden oder durch aufbereitetes Grauwasser. Hier besteht ein Potenzial von 27 Prozent bei Neubauten. Die Nachrüstung ist derzeit jedoch schwierig, da hierfür zusätzliche Netze verlegt werden müssen. Im Rahmen des landwirtschaftlichen "Waasserdösch" wurde gemeinsam mit dem Gartenbausektor vereinbart, eine wissenschaftliche Studie durchzuführen, wie nachhaltig Wasser in der Obst- und Gemüseproduktion verwendet werden kann, ohne negative Auswirkungen zu haben auf Ressourcen. Die Studie wird vollständig aus dem Wasserwirtschaftsfonds finanziert. Neben dem Studium sollen auch Pilotprojekte finanziell unterstützt werden, die Modellcharakter haben sollen.

Luxemburger Wort: Wie kann die Industrie helfen, Wasser einzusparen?

Joëlle Welfring: Für den Industriesektor wurden gemeinsam mit dem LIST eine Reihe von Maßnahmen zur Reduzierung des Trinkwasserverbrauchs identifiziert. Der Fokus lag auf dem Wasserverbrauch für Kühlzwecke, hier wurden alternative, weniger wasserintensive Kühlsysteme beziehungsweise Substitutionsmöglichkeiten erörtert. In Zukunft sollte bei Neugründungen noch mehr Wert auf die Implementierung belastbarer Funktionsmechanismen und die Nutzung der besten technischen Möglichkeiten für einen sparsamen Umgang mit Trinkwasser gelegt werden.

Luxemburger Wort: Ein Problem stellt auch die alternde Infrastruktur dar, wodurch ein Teil des Wassers nicht beim Endverbraucher ankommt, sondern versickert.

Joëlle Welfring: In den vergangenen Jahren haben die Trinkwasserversorger, das sind Gemeinden und Gemeindeverbände in Luxemburg, große Anstrengungen unternommen, um ihre Infrastruktur aus Trinkwasserbehältern, Behältern und Leitungen zu erneuern und zu modernisieren. Jüngstes Beispiel ist die neue SEBES-Anlage in Eschdorf, die seit Februar 2022 Trinkwasser liefert. Das Trinkwasser, das aus der Leitung kommt, ist von hervorragender Qualität. Damit dies auch in Zukunft so bleibt, schreibt das neue Trinkwassergesetz vom 23. Dezember 2022 vor, dass Trinkwasserversorger ihre Infrastruktur regelmäßig überprüfen, um den bestmöglichen Standard zu gewährleisten. Dazu gehört auch eine jährliche Analyse, die dem Wasserwirtschaftsamt mitgeteilt werden muss. Trinkwasserversorger, die sich durch ihr Engagement auszeichnen, erhalten nach einem Audit des Wasserwirtschaftsamts ein Exzellenzzertifikat, das "Drepsi", welches übrigens am Dienstag überreicht wird.

Luxemburger Wort: Nachholbedarf hatte Luxemburg in den vergangenen Jahren bei der Abwasserentsorgung aufgrund fehlender beziehungsweise altersschwacher Kläranlagen: Inwieweit wurde dieser Rückstand zuletzt aufgeholt?

Joëlle Welfring: Der Nachholbedarf wurde aufgeholt und Luxemburg befindet sich nun sogar auf der Überholspur. Seit dem zweiten Bewirtschaftungsplan wurde bereits viel Arbeit in der Praxis geleistet. Unter anderem wurden Kläranlagen umgebaut und modernisiert, sodass 20 Prozent mehr Abwasser gereinigt und die Einleitung von Stickstoff halbiert werden konnte. So wurden seit 2015 15 neue Kläranlagen gebaut sowie acht Kläranlagen modernisiert beziehungsweise erneuert. Abwasserkanalisationen wurden entlang von 280 verschiedenen Trassen ausgebaut und es wurden 110 Regenüberlaufbecken gebaut. Unsere Ambitionen bleiben jedoch hoch, mit dem Ziel sämtliche Ortschaften an biologische Kläranlagen anzuschließen und die dafür notwendige Infrastruktur zu schaffen.

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