Interview mit Joelle Welfring mit d'Handwierk

Die neue Abfallgesetzgebung: Ein Interview mit Umweltministerin Joëlle Welfring

Interview: d'Handwierk

d'Handwierk: Vor rund einem Jahr, am 27. April 2022, wurden die fünf Gesetze des Kreislaufwirtschaftspakets von der Abgeordnetenkammer verabschiedet, mit dem ehrgeizigen Ziel, die luxemburgische Wirtschaft in eine Kreislaufwirtschaft zu überführen. Wie beurteilen Sie aus heutiger Sicht die Ziele des Gesetzesvorhabens und deren praktische Umsetzbarkeit?

Joelle Welfring: Mit dem Gesetzespaket wurden die EU-Richtlinien zur Kreislaufwirtschaft aus dem Jahr 2018 in Luxemburg umgesetzt. Über diese Richtlinien ist jeder Mitgliedsstaat gehalten, konkrete Maßnahmen zur Abfallvermeidung zu definieren. Artikel 9 aus der Richtlinie EU 2018/851 zur Änderung der Richtlinie 2008/98/EG über Abfälle schafft somit die Grundlage für die Bestimmungen aus der nationalen Gesetzgebung, welche zu einer Reduktion des Abfalls und einer Verbesserung der Ressourcenwirtschaft führen sollen.

Gespräche und Diskussionen mit Gemeinden, Vertreter:innen von Vereinen sowie Wirtschaftsvertreter:innen haben über die letzten Monate gezeigt, dass zum Teil noch Erklärungsund Klärungsbedarf besteht. Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, haben wir themenspezifische Arbeitsgruppen mit den betroffenen Akteuren ins Leben gerufen. Diese Arbeitsgruppen haben zum Ziel, die nötigen Umsetzungsbestimmungen auszuarbeiten und somit auch Herausforderungen bei der Ausführung zu dokumentieren.

Diese Zusammenarbeit funktioniert momentan sehr gut und stellt einen weiteren wichtigen Schritt in der Festlegung der Ausführungen und der Bestimmungen dar.

d'Handwierk: Abgesehen von der Herausforderung, die Vorschriften in die Praxis umzusetzen, stellt sich die Frage, ob Verbraucher bereit sind, ihre Gewohnheiten bei der Produktwahl und damit auch bei der Wahl der Verpackung zu ändern. Inwieweit sehen Sie Kunden in der Verantwortung und welche Bedeutung messen Sie der Sensibilisierung der Kunden für umweltfreundlichere Mehrwegverpackungen bei?

Joelle Welfring: Ich stimme Ihnen zu, dass die Verbraucher:innen eine wichtige Rolle spielen.

Jedoch muss diesen auch die Möglichkeit gegeben sein, sich einfach und gezielt für eine nachhaltigere Lösung entscheiden zu können. Folglich müssen sich diese nachhaltigen Lösungen auch leicht auffindbar im Angebot befinden.

In den vorbereitenden Arbeiten zum Gesetz wurde, wichtigerweise, diesbezüglich die Meinung der Bevölkerung eingeholt. Des Weiteren hat auch die Motion der Abgeordnetenkammer gezeigt, dass es in diesem Bereich einen Handlungsbedarf gibt. Aber nicht nur die Motion der Abgeordnetenkammer unterstreicht diesen Handlungsbedarf, im rezenten Bericht des Klimabürger-rats wurde ebenfalls die Forderung nach einer starken Regulierung von Einwegprodukten gestellt.

In dieser Transition kommt es also im Wesentlichen auf zwei Faktoren an: Auf eine gemeinsame Suche nach innovativen und alltagstauglichen Lösungen und Vorschlägen mit den Betrieben und auf eine Sensibilität seitens der Kunden.

d'Handwierk: Anstelle von 27 Einzelmärkten ist der europäische Verpackungsmarkt ein einziger großer Markt. Viele Anforderungen der luxemburgischen Gesetzgebung sind — vor allem für kleine und mittlere Unternehmen — in dem zeitlichen Rahmen nur schwer zu erfüllen. Dies liegt unter anderem daran, dass entweder praktikable Verpackungslösungen in ausreichender Vielfalt fehlen oder die Marktdurchdringung dieser Lösungen in Luxemburg oder anderen EU-Ländern zu gering ist.

Wie schätzen Sie die Gefahr ein, dass nationale Initiativen, wie die luxemburgische Gesetzgebung, Handelshemmnisse schaffen und damit den europäischen Binnenmarkt fragmentieren?

Welche Vor- und Nachteile ergeben sich Ihrer Ansicht nach für Luxemburg aus einer europäischen Verordnung, wie sie Ende des letzten Jahres von der EU-Kommission vorgeschlagen wurde?

Sehen Sie aufgrund dieses Vorschlags bereits Änderungen an der bestehenden luxemburgischen Gesetzgebung vor?

Joelle Welfring: Ja, dieser Umstand hat womöglich zu einer teilweisen Fragmentierung geführt. Wir haben festgestellt, dass einige Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie, unterschiedliche Maßnahmen zur Abfallvermeidung ergriffen haben. Die von Luxemburg eingeführten Bestimmungen wurden im Verlauf der Prozedur an die EU-Kommission mitgeteilt, um auszuschließen, dass diese zu einer Beeinträchtigung des europäischen Binnenmarkts führen.

Ich habe erst kürzlich, im Rahmen des europäischen Umweltrates, den Vorschlag für eine Verordnung über Verpackungen und Verpackungsabfälle, welcher im November 2022 vorgestellt wurde, positiv kommentiert und begrüßt. Ich bin der Überzeugung, dass die Reduktion des Ressourcenverbrauchs auch einen wichtigen Beitrag leistet, um die Klimaneutralität zu erreichen. Die Emissionen, welche der Herstellung und dem Benutzen von Verpackungen zugeschrieben werden, können nicht außen vorgelassen werden, wenn es darum geht, die Klimagasemissionen zu senken. Ein wichtiger Teil dieser Verordnung sind somit die Bestimmungen zum Verpackungsdesign, der Mehrfachnutzung und der Recyclingfähigkeit. Man muss jedoch beachten, dass die Umsetzungsfristen im Vorschlag bei einzelnen Bestimmungen recht lange erscheinen.

Ich bin mir auch bewusst, dass die aktuell diskutierte Verordnung zu einer Anpassung der gesetzlichen nationalen Rahmen führen wird. Wann diese Anpassungen getroffen werden müssen, hängt jedoch stark von dem zeitlichen Verlauf der europäischen Diskussionen ab. Was ich allerdings jetzt schon vorausschicken kann, ist, dass ich mich dafür einsetzen werde, dass die Verordnung nicht nur auf den europäischen Bestimmungen des Binnenmarktes fußt, sondern auch den Umweltkriterien Rechnung trägt.

d'Handwierk: Viele Unternehmen betrachten das Verpackungsdesign als Teil ihrer Corporate Identity, sodass insbesondere große Unternehmen versuchen werden, eigene Verpackungen in einem geschlossenen Kreislaufsystem auf den Markt zu bringen, um sich weiterhin von der Konkurrenz zu differenzieren. Um konkurrenzfähig zu bleiben, wären auch kleine und mittlere Handwerksbetriebe, wie z.B. das regionale Lebensmittelhandwerk, gezwungen, lebensmitteltaugliche Mehrwegverpackungslösungen und die damit verbundene Mehrweglogistik anzubieten. Wie schätzen Sie die Herausforderungen bei der Umsetzung der gesetzlichen Regelungen füi kleine und mittlere Unternehmen ein und welche Unterstützungen sehen Sie vor, damit diese Unternehmen weiterhin wettbewerbsfähig bleiben?

Joelle Welfring: Ich bin mir der Anliegen der kleinen und mittleren Betriebe bewusst.

Daher haben wir eine Studie in Auftrag gegeben - und bereits abgeschlossen - um pragmatische Wege zu dokumentieren, wie ein offenes Mehrwegsystem in Luxemburg möglicherweise betrieben werden kann. Der dort beschriebene Ansatz soll ermöglichen, dass kleine und mittlere Handwerksbetriebe keine eigene Logistik aufbauen müssen und somit verschiedene Kosten aufgeteilt und reduziert werden können.

Dieser Ansatz wurde den einzelnen Wirtschaftsverbänden auch bereits zur Diskussion übermittelt.

Wie es im Gesetz vorgesehen ist, könnten diese Erkenntnisse und Vorschläge nun in die Arbeiten zur "Feuille de route", welche von dem Produzentenverantwortlichen, Valorlux" erstellt wird, einfließen.

"Die Emissionen, welche der Herstellung und dem Benutzen von Verpackungen zugeschrieben werden, können nicht außen vorgelassen werden, wenn es darum geht, die Klimagasemissionen zu senken. "

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