Interview mit Lex Delles im Luxemburger Wort "Wir müssen Betriebe bei der Energiewende unterstützen"

Interview: Luxemburger Wort (Uwe Hentschel)

Luxemburger Wort: Lex Delles, beim letzten Politmonitor haben Sie recht gut abgeschnitten, besser als viele Ihrer Minister- und auch Parteikollegen. Man könnte also sagen, alles richtig gemacht, oder?

Lex Delles: Ich bin kein Mensch, der sich selbst auf die Schulter klopft. Beim vorletzten Politmonitor ging es nach unten, jetzt wieder nach oben. Das ist ja auch nur eine Momentaufnahme, aber natürlich freut mich das. Es heißt jetzt aber nicht, dass ich mich nun darauf ausruhen kann.

Luxemburger Wort: Sie sind als Minister für den Tourismus und die Mittelstandsunternehmen in Luxemburg zuständig und haben bei Ihrem Amtsantritt sicherlich nicht damit gerechnet, dass es so turbulent werden könnte. Welchen Ihrer beiden Zuständigkeitsbereiche hat es in dieser Zeit härter getroffen?

Lex Delles: Härter erwischt hat es sicherlich den Mittelstand, wobei auch viele Tourismusunternehmen betroffen waren. Wir haben beim Tourismus den Vorteil, dass wir bereits 2019 damit begonnen hatten, die Strategie umzustellen. Und zwar dahingehend, dass wir uns weniger auf die Fernmärkte konzentrieren und stattdessen stärker die Zielgruppen fokussieren. Und das hat uns dann auch ein Jahr später geholfen, als wir mit Covid konfrontiert wurden. China beispielsweise war vorher für uns ein Markt, auf dem wir gezielt Werbung gemacht haben. Das haben wir gestoppt. Wir haben uns im Freizeittourismus, aber auch im Geschäftstourismus ganz neu aufgestellt. Und wir haben als eines der ersten Länder überhaupt eine klare Definition für den Gedenktourismus auf die Beine gestellt und dabei drei Prioritäten definiert, nämlich die Industrialisierung, den Zweiten Weltkrieg und den Aufbau von Europa. Das alles setzt voraus, dass wir wissen, wer unsere Gäste überhaupt sind. Wir sprechen hier nicht über Menschen, die von ganz weit weg anreisen, sondern vor allem auch über Tagestouristen. Und da müssen wir schauen, dass wir die Erwartungen nicht nur erfüllen, sondern auch übertreffen. Dazu gehören beim Wandern zum Beispiel auch eine perfekte Beschilderung und ordentlich gepflegte Wege. Zudem haben uns in den vergangenen fünf Jahren auch intensiv mit dem Ausbau des Fahrradtourismus befasst.

Luxemburger Wort: War die Pandemie für den heimischen Tourismus insofern auch ein Glücksfall?

Lex Delles: Wir haben selbstverständlich geschaut, aus der Situation das Beste zu machen. Und natürlich hat die Pandemie dafür gesorgt, dass die Leute das eigene Land und die Großregion entdecken wollten. Der 50-Euro-Gutschein, den wir als Unterstützung der Betriebe eingeführt hatten, war dabei sicherlich eine kurzfristige Hilfe, die aber auch langfristig etwas gebracht hat. Weil es den Leuten so gut gefallen hat, dass sie davon erzählt haben oder aber selbst wieder zurückgekommen sind. Wir sprechen 2023 von einem Rekordjahr, und das kommt nicht von Nichts. Es läuft, weil wir konsequent die verschiedenen Zielgruppen angesprochen haben. Es bringt nichts, auf Messen zu fahren, um Leute mit Versprechen zu locken, die wir nicht einhalten können, nur damit sie kommen.

Luxemburger Wort: Beim Tourismus scheint es ja zu laufen - anders als in Ihrem zweiten Zuständigkeitsbereich, dem Mittelstand. Wie würden Sie da die aktuelle Situation beschreiben?

Lex Delles: Ich denke, dass die vergangenen fünf Jahre auf jeden Fall gezeigt haben, dass es ganz wichtig ist, dass wir dafür einen eigenen Minister haben. Der Mittelstand ist sehr vielfältig und die Probleme sind es auch. Wenn wir allein von Corona sprechen, so hatten wir nur in dieser Zeit elf Hilfsprogramme, um die Betriebe, aber auch die Selbstständigen zu unterstützen. Während der Pandemie haben wir dann gesehen, dass wir in Luxemburg sehr von den kurzen und schnellen Wegen in allen Bereichen profitieren und deshalb auch immer recht schnell reagieren konnten.

Luxemburger Wort: Es gab und gibt viel Unterstützung, nicht nur wegen Corona, sondern auch wegen der jetzt angespannten wirtschaftlichen Lage. Und ständig kommen neue Forderungen. Ist nicht - gerade auch für Sie als Mitglied einer wirtschaftsliberalen Partei - irgendwann einmal der Punkt erreicht, an dem Unternehmen lernen müssen, wieder ohne Hilfsprogramme zurechtzukommen?

Lex Delles: Es ist ganz wichtig, hierbei zu trennen. Bei Covid hat die Regierung mit der Chamber zusammen Maßnahmen beschlossen, die das Beste für das Land sind und die den Betrieben von außen auferlegt wurden. Dass der Staat dann diese Unternehmen unterstützen muss, versteht sich von selbst. Und wenn wir als Regierung Prioritäten festlegen, wie beispielsweise die Digitalisierung, dann muss man diese auch begleiten. Das Gleiche gilt für die Energiewende. Wir können nicht sagen: Ihr müsst das machen, erhaltet dabei aber keine Unterstützung! Es ist also wichtig, dass wir verschiedene Hilfsmaßnahmen anbieten, um die Entwicklung in die gewünschte Richtung zu führen.

Luxemburger Wort: Ein Bereich, der derzeit besonders nach Unterstützung durch den Staat ruft, ist der Bausektor. Betroffen sind dort ja vor allem auch mittelständische und kleine Unternehmen...

Lex Delles: Die Lage ist in der Tat für viele sehr schwierig. Es gibt in diesem Zusammenhang aber eine Sache, die mich an dem ganzen Diskurs fundamental stört: Wenn wir von der Baubranche sprechen, dann reden wir von Bauunternehmen, da reden wir von Maurern, Dachdeckern, Schreinern, Elektrikern und Anstreichern. In den Diskussionen wird das dann gerne vermengt mit den Immobilienentwicklern und Maklern - was aber absoluter Quatsch ist. Wir haben in der Baubranche 60.000 Beschäftigte. Das sind ganz andere Zahlen, als wenn wir von den Immobilienentwicklern sprechen. Deswegen müssen wir da ganz strickt trennen. Die Baubranche ist ein elementarer Bestandteil unserer Wirtschaft. Wenn nicht mehr gebaut werden kann, führt das auch in vielen anderen Bereichen zu Problemen. Wir haben ein akutes Wohnungsproblem. Und das können wir als Politik nur gemeinsam mit dem Privatsektor und der Baubranche lösen. Es muss schlichtweg gebaut werden. Gleiches gilt auch für die Energiewende. Irgendjemand muss die ganzen Solarpaneele schließlich auch installieren. Deswegen haben wir die Taskforce Logement gegründet, an der die verschiedenen Ministerien beteiligt sind. Dabei ist ein 150-Millionen-Euro-Paket mit vielen kleinen Einzelmaßnahmen herausgekommen.

Luxemburger Wort: Ihr Kollege im Ministerium, Wirtschaftsminister Franz Fayot, hat sich vor zwei Wochen seitens des Handwerkerverbands einiges an Kritik anhören müssen. Grund waren vorausgegangene Vorwürfe der Wettbewerbsbehörde wegen möglicher Absprachen zwischen Akteuren im Immobiliensektor, die der Wirtschaftsminister in einem Interview aufgriff und in diesem Zusammenhang die hohen Margen der Projektentwickler kritisierte und eine bessere Regulierung der Branche forderte. Zu Recht?

Lex Delles: Ich kommentiere nicht die Aussagen eines Ministerkollegen. Ich kann nur sagen, dass es für mich ganz klar ist, dass wir zwischen Baufirmen, Immobilienentwicklern und Maklern differenzieren müssen. Ich stelle die Ergebnisse der Wettbewerbsbehörde nicht infrage und denke auch, dass alles richtig recherchiert wurde. Aber die Margen, um die es dabei geht, sind nicht die, von denen wir in der Baubranche sprechen. Wenn man diesen Diskurs führen möchte, dann muss man auch ganz klar unterscheiden.

Luxemburger Wort: Die Entwicklung in der Baubranche, aber auch im Mittelstand allgemein, hat Sie und Ihr Ministerium in den vergangenen Jahren wahrscheinlich stärker beziehungsweise anders gefordert als erwartet. Gibt es andere Ziele, die deswegen auf der Strecke geblieben sind?

Lex Delles: Ich denke, dass wir beim Mittelstand eine hervorragende Arbeit geleistet haben. Während Covid haben wir uns hier mit 80.000 Anfragen befassen müssen und gleichzeitig auch alles digitalisiert. Wir haben also auch geschaut, dass wir unseren Service verbessern, haben unter anderem die Bearbeitungsdauer bei den Niederlassungsgenehmigungen auf durchschnittlich weniger als sieben Tage reduziert. Wir haben neue Hilfen für Existenzgründer eingeführt und vor zwei Monaten auch ein Gesetz verabschiedet, das Unternehmern auch eine zweite Chance gibt. Das hat mich am Anfang, als ich in dieses Amt gekommen bin, durchaus gestört: Wir sagen den Leuten, dass sie sich trauen sollen, ihre Geschäftsideen umzusetzen. Aber wenn es dann nicht klappt und ein Betrieb pleitegeht, dann sind diese Leute auf einmal untendurch. Um das anzupassen, haben wir die zweite Chance eingeführt. Und wir haben die administrativen Abläufe vereinfacht.

Luxemburger Wort: Und was haben Sie nicht mehr geschafft?

Lex Delles: Wir haben aber noch Gesetze, die unterwegs sind, wie zum Beispiel das zum OAI (Berufsverband der Architekten und Beratenden Ingenieure), wo wir noch auf die Rückmeldung vom Staatsrat warten. Was wir auch nicht mehr geschafft haben, ist eine grundsätzliche Überarbeitung der ganzen Staatshilfen.

Luxemburger Wort: Wären das dann gegebenenfalls Projekte für Ihre nächste Legislatur als Mittelstandsminister. Oder streben Sie im Fall einer erfolgreichen Wahl am 8. Oktober eher einen anderen Posten an?

Lex Delles: Also, ich würde das sehr gerne weitermachen, falls die Wählerinnen und Wähler mir und meiner Partei das Vertrauen schenken. Weil das ein Ministerium ist, in dem wir in den letzten Jahren sehr gut zusammengearbeitet haben und viele Sachen verbessert oder neu auf den Weg gebracht haben. Gerade der Mittelstand ist so wichtig für die Wirtschaft in Luxemburg. Weil gerade dort die ganzen Betriebe zu finden sind, die diese Wirtschaft ausmachen.