Interview mit Eric Thill im Luxemburger Wort

Das sind die Akzente des Kulturministers Eric Thill

Interview: Luxemburger Wort (Nora Schloesser)

Luxemburger Wort: Herr Thill, Sie sind jetzt etwas länger als 100 Tage im Amt. Was ist in dieser Zeit passiert? Wie haben Sie bisher Ihre Akzente gesetzt?

Eric Thill: Es war bisher eine sehr spannende und ereignisreiche Zeit, aus der ich bereits viele wertvolle Erkenntnisse gewinnen konnte. Ich wollte mich schnellstmöglich in die unterschiedlichen Dossiers einarbeiten, um schnellstens mit der Arbeit anfangen zu können, da wir ein ambitioniertes Programm haben - das Koalitionsabkommen einerseits, und der Kulturentwicklungsplan andererseits. Mir lag dabei die Anwesenheit vor Ort sehr am Herzen, etwas, das ich auch in Zukunft aufrechterhalten möchte. Es ist meiner Meinung nach unabdingbar, die Akteure unseres diversen Kultursektors kennenzulernen, im Dialog mit ihnen zu stehen, ihnen zuzuhören und auf ihre Bedürfnisse und Ideen einzugehen - und diese bestmöglich umzusetzen. Dieser Ansatz ist für mich entscheidend. Ich möchte eine Politik von unten nach oben betreiben und mit allen Akteuren des Sektors zusammenarbeiten.

Luxemburger Wort: Wie war für Sie die Umstellung von Lokalpolitik auf Nationalpolitik?

Eric Thill: In der Gemeindepolitik war mir die Nähe zum Bürger von entscheidender Wichtigkeit. Das bedeutet für mich ein offenes Ohr haben, den direkten Dialog suchen und zuhören - also eine Politik der kurzen Wege machen und auf die Bedürfnisse der Bürgerinnen und Bürger eingehen. Mit dieser Einstellung, diesem Engagement und dieser Energie möchte ich auch mein Mandat als Kulturminister und das als beigeordneter Minister für Tourismus ausüben - und mich für das gesamte Luxemburger Land einsetzen. Die Umstellung fiel mir demnach nicht schwer, wobei ich dem neuen Mandat natürlich mit viel Respekt begegne.

Luxemburger Wort: Ihre Vorgängerin, Sam Tanson, war nicht nur beliebt bei den Kulturschaffenden, sondern hat auch mehrere Steine ins Rollen gebracht - man denke etwa an die Deontologie-Charta oder die Reform des Denkmal-schutzgesetzes. Was ist/wird Ihre Handschrift in der Luxemburger Kulturpolitik sein?

Eric Thill: Der Zugang zur Kultur liegt mir besonders am Herzen. Hier ist das Ziel, so viele Menschen wie möglich in den Genuss von unserer vielfältigen und diversen Kulturlandschaft kommen zu lassen und sicherzustellen, dass sie auch im Alltag davon Nutzen ziehen können. Es gilt, mögliche sozialen und geografischen Barrieren abzuschaffen. Ich will "die Kultur zu den Menschen bringen und die Menschen zur Kultur bringen". Das fängt in der Schule an - und zwar schon im sehr jungen Alter; dazu zählt ebenfalls die non-formale Bildung.

Ein weiterer Punkt ist, dass Kultur ein wichtiger Faktor für unsere Lebensqualität darstellt. In einer ganzen Reihe von Ländern hat sich der Gesundheitssektor mit den jeweiligen kulturellen Aktivitäten auseinandergesetzt. Es stellte sich heraus, dass die Kultur auf die Gesundheit der Menschen eine Reihe positiver Auswirkungen hat, und somit ganz klar einen Mehrwert darstellt.

Die Eingliederung des Film Fund und des "Zenter fir d'Lëtzebuerger Sprooch (ZLS)" in die Verantwortung des Kulturministeriums sind ebenfalls wichtige Aspekte, für die ich mich in meiner bisherigen Zeit als Kulturminister eingesetzt habe.

Luxemburger Wort: Wie genau planen Sie denn, Kindern und Jugendlichen Kultur näherzubringen? Könnten Sie Beispiele nennen, wie Sie in dem Punkt vorgehen möchten?

Eric Thill: Eine neue interne Arbeitsgruppe macht zurzeit eine Bestandsaufnahme aller Angebote, die es im Moment gibt, und die allen Menschen den Zugang zu Kultur ermöglichen. Wir schauen ebenfalls über die Grenzen hinweg, um herauszufinden, welche speziellen Angebote dort existieren; und welche Ideen auch hierzulande interessant und machbar sein könnten.

Hier in Luxemburg haben wir das Privileg, dass die meisten Kinder eine öffentliche Schule besuchen. So erhalten jede Schülerin und jeder Schüler die Möglichkeit, die verschiedenen Facetten der Kultur kennenzulernen. Dies soll in Zukunft dazu führen, dass der Zugang eines Kindes zur Kultur noch weniger von der kulturellen Neigung oder den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängt. Das Kulturministerium wird sehr eng mit dem Ministerium für Bildung, Kinder und Jugend zusammenarbeiten, da dieses Thema nur mit beiden Ministerien im Schulterschluss vorangetrieben werden kann. So wird es in naher Zukunft auch interministerielle Treffen geben.

Dazu kommen dann auch die bereits erwähnten Auswirkungen von Kunst und Kultur auf die Gesundheit. Mehr als 85 Millionen Menschen in der EU haben heutzutage Probleme mit ihrer mentalen Gesundheit. Davon sind auch junge Menschen und Jugendliche betroffen. Das geht zum Beispiel aus dem "Nationalen Bericht zur Situation der Jugend in Luxemburg 2020: Wohlbefinden und Gesundheit von Jugendlichen in Luxemburg" hervor. Der Kultur kommt hier eine wichtige Rolle zu.

Studien belegen, dass zum Beispiel Musikhören, Bücherlesen, Theaterbesuche oder sich kreativ weiterbilden besonders positive Auswirkungen auf das Wohlbefinden von Kindern und Jugendlichen hat. All diese kulturellen Aktivitäten können dazu beitragen, besser mit Stress umzugehen und dem Gefühl der Einsamkeit entgegenzuwirken.

Luxemburger Wort: Was sind Ihre Prioritäten im Kulturentwicklungsplan (KEP)?

Eric Thill: Wir werden am KEP festhalten und diesen bestmöglich umsetzen. Es ist mir auch wichtig in dieser Legislaturperiode einen KEP 2.0 in die Wege zu leiten. In diesem Kontext sollen im Herbst bereits die ersten Workshops stattfinden.

Zu meinen Prioritäten gehört die Zugänglichkeit zur Kultur, aber auch das Schaffen eines "Observatoire de la Culture". Wir werden den entsprechenden Gesetzentwurf zeitnah einreichen. Ich bin der Auffassung, dass Kultur jeden betrifft und auch jeder Verantwortung übernehmen sollte. Kultur kann und darf nicht nur dem Kulturministerium unterliegen, sondern wir müssen ebenfalls mit den unterschiedlichen Gemeinden gemeinsam an einem Strang ziehen. Es wäre so zum Beispiel sinnvoll, einen Kulturpakt für die Gemeinden auf die Beine zu stellen, um das kulturelle Angebot letzterer weiter zu stärken. Dies würde auch zur Dezentralisierung des Kulturangebots beitragen. Das Archivgesetz sowie das Bibliotheksgesetz gehören ebenfalls zu meinen Prioritäten, Reformen beider Gesetze werden zurzeit vorangetrieben.

Der gesamte Bereich rund um das Kulturerbe und das Denkmalschutzgesetz sind ebenfalls ein wichtiger Punkt. Ich glaube fest daran, dass das Erhalten unseres Kulturerbes auch eine kollektive Verantwortung ist. Dieser Prozess muss so transparent und partizipativ wie möglich gestaltet werden, ohne die Bürgerinnen und Bürger mit unverhältnismäßig vielen Auflagen und Kosten zu belasten. Wir prüfen entsprechende Anpassungen am Denkmalschutzgesetz vom Februar 2022.

Luxemburger Wort: Wie könnte man Ihrer Meinung nach regionale Kulturhäuser weiter fördern?

Eric Thill: Der Dezentralisierung des kulturellen Angebots und den regionalen Kulturhäusern kommt eine entscheidende Rolle zu, wenn es darum geht, die Kultur den Menschen näherzubringen. Das, weil sie einerseits die unterschiedlichen Regionen des Landes mit Kultur bespielen, aber auch, weil sie den Touristen - und das ist ebenfalls ein wichtiger Aspekt - unser kulturelles Angebot näher bringen und zugänglich machen. Somit ist der konstante Dialog mit dem Netzwerk der regionalen Kulturhäuser absolut unabdingbar. Auch die finanziellen Ressourcen dieser Häuser sind wichtig, wir arbeiten zurzeit an einem Finanzierungsschlüssel, um sie nachhaltig zu stärken. Diesen möchte ich bis zum Sommer vorlegen.

Luxemburger Wort: Der Film Fund wird seit Dezember 2023 budgetär vom Kulturministerium verwaltet. Das sind 40,6 Millionen Euro mehr, die nun unter Ihrer Verantwortung stehen. Wird dies Auswirkungen auf das Investment in die Luxemburger Filmproduktion und auf deren Vermarktung im Ausland haben?

Eric Thill: Die neue Regierung steht zu 100 Prozent hinter dem Film Fund und der Luxemburger Filmindustrie. Die Arbeit, die dort geleistet wird, dient sowohl hier in Luxemburg als auch im Ausland als Aushängeschild, ich würde es sogar als "Nation Branding" bezeichnen. Die Arbeit, die in den vergangenen Jahren geleistet wurde, gilt es weiter zu unterstützen. Es war mir aber nicht nur wichtig, den Film Fund in das Kulturministerium einzugliedern. Es ist ebenfalls von zentraler Bedeutung, durch sektorielle "Assises" eine Bestandsaufnahme der gesamten Luxemburger Filmbranche in die Wege zu leiten. Alle Akteure des hiesigen Filmsektors sollen eingeladen werden, um Anhaltspunkte zum aktuellen Stand der Dinge zu liefern und über die Zukunft der Filmbranche zu diskutieren. Als Regierung ist es uns wichtig, dem Film Fund und der hiesigen Filmindustrie die finanziellen Möglichkeiten bieten, die sie benötigen, um sich weiterzuentwickeln. Dazu müssen wir die Bedingungen der finanziellen Unterstützung anpassen. Letztlich soll ein Rahmen geschaffen werden, der es der Filmbranche erlaubt, wettbewerbsfähig zu bleiben, der es aber ebenfalls jüngeren Generationen ermöglicht, Fuß in der Branche zu fassen.

Luxemburger Wort: Wie sieht das Kulturbudget für das Jahr 2025 aus?

Eric Thill: Zum Budget 2025 kann ich noch nichts sagen, aber das Budget für dieses Jahr wurde dem Parlament kürzlich vorgelegt.

Da liegen wir für das Jahr 2024 jetzt bei 0,95 Prozent vom Staatsbudget, die in die Kultur investiert werden. Das liest sich für mich als klares Bekenntnis zur Kultur und Kunst. Wir sind dabei, mit großen Schritten wieder auf diesen einen Prozent des Staatsbudgets zuzusteuern. Es zeigt die Unterstützung der neuen Regierung für den Sektor - und das auch in wirtschaftlich schwierigen Zeiten. Wenn wir den Film Fund und das ZLS ausklammern, sind wir bei einer Nettoerhöhung von 15,5 Prozent, die dieses Jahr im Kulturbudget steht.

Luxemburger Wort: Wie möchten Sie die Luxemburger Sprache und damit auch das ZLS weiter fördern?

Eric Thill: Mir war es wichtig, das ZLS unter die Verwaltung des Kulturministeriums zu stellen, da für mich die Luxemburger Sprache gelebtes Erbgut ist. Die Entwicklung und der Umgang mit unserer Sprache sind gesellschaftliche Fragen. Als Kulturminister möchte ich schnellstmöglich die 50 von der Regierung bereits aufgesetzten Maßnahmen umsetzen. Man sollte aber auch ein neues Angebot schaffen, um Luzernburgisch zu lernen, traditionelle Kurse - aber auch neue Alternativen - müssen und sollen weiter angeboten und gefördert werden. Es braucht neue Formate wie "Blended Learning" [Anm. der Red.: integriertes Lernen] oder Kurse mit einem besonderen Fokus auf die mündliche Sprache. Es ist zudem wichtig, die Luxemburger Sprache im Alltag gegenwärtiger werden zu lassen. Als Kulturministerium haben wir bereits mit anderen Ministerien Kontakt aufgenommen, um zu sehen, wie wir jetzt schon die Luxemburger Sprache in unseren Verwaltungen besser aufstellen können. Ich denke da besonders an den Gesundheitssektor. Zudem gilt es, die Luxemburger Sprache für das Digitale und die Zukunft fit zu machen, das ZLS arbeitet derzeit an verschiedenen Tools.

Luxemburger Wort: Die Villa Louvigny soll bis 2029 für rund 70 Millionen Euro zu einem Kultur-"Tiers-lieu" umgebaut werden. Können Sie da schon einen genauen Starttermin der Bauarbeiten nennen?

Eric Thill: Eine "Association de préfiguration" wurde gegründet, um die reellen Bedürfnisse des kulturellen Sektors zu analysieren und somit die Möglichkeiten, die die Villa Louvigny bietet, bestmöglich zu nutzen. Ein Gesetzesentwurf, der im Laufe dieses Jahres auf den Instanzenweg gehen soll, ist in Ausarbeitung. Die Villa Louvigny soll ein kultureller Ort der Begegnung werden, an dem Kulturschaffende die Möglichkeit erhalten, sich kreativ zu entfalten und in dem wichtige Akteure wie Kultur:LX ihren Sitz erhalten sollen.

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