Weil Rennrad halt zu einfach ist

Interview: Revue (Hubert Morang)

Revue: Warum hat sich das Wirtschaftsministerium entschieden, jetzt neben dem MTB- auch den Gravel-Tourismus zu fördern?

Eric Thill: Der Aktivtourismus ist ein zentraler Bestandteil der Tourismusstrategie Luxemburgs - mit einem besonderen Fokus auf Wandern und Radfahren.

Laut Befragungen unter Touristinnen und Touristen nutzen bereits heute 12 Prozent der Übernachtungsgäste ihren Aufenthalt in Luxemburg für Radtouren, 4 Prozent der Übernachtungsgäste für Mountainbike. Die Analyse der Quellmärkte zeigt, dass Luxemburg diesbezüglich vor allem für Gäste aus den angrenzenden Ländern Deutschland, Frankreich, Belgien und den Niederlanden attraktiv ist. Gravelbiking hat sich europaweit als beliebte Disziplin etabliert, die Abenteuer, Naturerlebnis und sportliche Herausforderung miteinander verbindet.

Luxemburg bietet mit seiner vielfältigen Topografie, seinen abwechslungsreichen Landschaften, seinem dichten Wegenetz ideale Voraussetzungen, um diese aufstrebende Form des Radtourismus gezielt zu fördern, sowohl für die eher genussorientierten als auch für die sportlich orientierten Gravelbiker.

Da diese Zielgruppen häufig ganzjährig unterwegs sind, tragen sie zudem dazu bei, die Tourismussaison über das gesamte Jahr hinweg auszudehnen.

Revue: Wie sieht das Projekt konkret aus?

Eric Thill: In enger Abstimmung mit den regionalen Tourismusorganisationen, "Luxembourg for Tourism", den Jugendherbergen und der Naturverwaltung haben wir als Generaldirektion Tourismus ein nationales Konzept entwickelt, das die Grundlage für einen nachhaltigen, naturnahen und inklusiven Mountainbike- und Graveltourismus bildet. Der Fokus liegt dabei auf dem Naturerlebnis - mit Angeboten, die insbesondere auch für Einsteigerinnen und Einsteiger sowie für Familien attraktiv sind. Das Konzept richtet sich an Entscheidungsträger in den Regionen und dient ihnen als Planungs- und Entwicklungsinstrument. Es weist großräumig Gebiete aus, die - auf Basis der vorhandenen Topografie und Infrastruktur - für den Ausbau bestehender oder die Entwicklung neuer MTB-Angebote geeignet sind. Im Zentrum stehen leichte bis mittelschwere Trails, die den genussorientierten Radfahrenden entgegenkommen. Besonders im Fokus steht dabei die Entwicklung von sogenannten Flowtrails, die sowohl Anfängern und Anfängerinnen als auch erfahrenen Mountainbiker ein positives Fahrerlebnis ermöglichen. Technisch anspruchsvolle Trails sollen gezielt und nur punktuell im Süden des Landes entwickelt werden.

Revue: Welche Kriterien werden bei der Auswahl der Gravelstrecken berücksichtigt?

Eric Thill: Der Schwerpunkt liegt im Naturerlebnis, welches durch das Gravelbiken ermöglicht wird. Wir konzentrieren uns auf zwei Zielgruppen: die Genussorientierten, die Wert auf Natur, Kulinarik und besondere Unterkünfte legen - und die Sportlichen, die langen, anspruchsvollen Touren von bis zu 100 Kilometer suchen, mit einer Mischung aus naturnahen Wegen, schnellen Passagen sowie fahrtechnischen und konditionellen Herausforderungen. Beide Gruppen sind sehr digitalaffin, planen ihre Touren mit Tools wie Komoot und reisen häufig individuell, oft im Van oder auf Campingplätzen. Während die einen Komfort und Kultur genießen, suchen die anderen das Abenteuer. Viele kombinieren Gravelbiking mit einem aktiven, mobilen Lebensstil - immer auf der Suche nach neuen Landschaften, Erlebnissen und Herausforderungen.

Revue: Wann werden die ersten Gravelstrecken angeboten?

Eric Thill: Eine Arbeitsgruppe, bestehend aus Vertreterinnen und Vertretern aller relevanten Interessensgruppen, arbeitet derzeit an der Ausarbeitung der ersten Touren. Herzstück des Angebots wird eine nationale Gravelroute sein, die Luxemburg in seiner gesamten landschaftlichen und kulturellen Vielfalt erlebbar macht. Diese Hauptroute wird durch ergänzende regionale Touren erweitert, die landschaftliche Highlights und touristische Besonderheiten der jeweiligen Regionen authentisch in Szene setzen.

Revue: Wie werden die Strecken konkret gestaltet?

Eric Thill: Die Routen sollen verschiedene Schwierigkeitsgrade abdecken und für Einsteiger und Einsteigerinnen wie auch erfahrene Gravelbikerinnen und -biker attraktiv sein. Ein vielfältiger Mix aus wassergebundenen Wegen, Schotterstrecken und asphaltierten Abschnitten sorgt für ein abwechslungsreiches und komfortables Fahrerlebnis. Die Streckenführung basiert auf dem Prinzip der Nachhaltigkeit: Wir setzen auf die intelligente Nutzung bestehender Infrastrukturen - insbesondere von Wald und Forstwegen -, um Eingriffe in die Natur weitestgehend zu verhindern. Zudem werden alle Touren ausschließlich digital angeboten - über Outdoor-Apps oder als GPX-Dateien.

Das entspricht dem Nutzungsverhalten unserer Zielgruppe, die ihre Routen individuell planen und flexibel unterwegs sind.

Revue: Wird das Projekt auch aktiv im Ausland beworben?

Eric Thill: Mittel- und langfristig wollen wir Luxemburg als naturnahe, vielfältige und offene Bikedestination im Herzen Europas etablieren - sowohl für Mountainbike- als auch für Gravelbikebegeisterte. Unsere abwechslungsreiche Landschaft, die gute internationale Erreichbarkeit und das stetig wachsende Streckennetz machen Luxemburg besonders attraktiv. Die nationale Tourismusagentur "Luxembourg for Tourism" sowie die regionalen Tourismusbüros spielen dabei eine Schlüsselrolle. Durch gezielte Marketingmaßnahmen und eine starke Präsenz der Marke "Visit Luxembourg" auf internationalen Märkten ist Luxemburg als Radsportziel bereits heute sehr sichtbar. Kurzfristig möchten wir das Gravelbiking auch stärker ins Bewusstsein der einheimischen Bevölkerung rücken. Das Team von "Visit Guttland" bietet diesbezüglich im Rahmen der nationalen Kampagne "Lëtzebuerg, dat ass Vakanz!" im Mai und Juli geführte Graveltouren an — ideal für Einsteigerinnen und Einsteiger, um das Gravelbiken kennenzulernen und gleichzeitig die Region Guttland zu entdecken.

Revue: Auch die UCI hat Luxemburg als Gravelland entdeckt...

Eric Thill: Ein echtes Highlight erwartet uns am 21. Juni 2025, wenn Luxemburg erstmals ein Rennen der UCI Gravel World Series ausrichtet. Mehr als 1.000 Teilnehmende und zahlreiche Zuschauerinnen und Zuschauer werden zu diesem grenzüberschreitenden Gravelerlebnis rund um Vianden im Ösling erwartet. Die Veranstaltung ist Qualifikationsrennen für die UCI Gravel-Weltmeisterschaften 2025 - und ein starkes Signal für die internationale Positionierung Luxemburgs als Ziel für den Gravelbiketourismus.

Regierungsmember

THILL Eric

Organisatioun

Wirtschaftsministère