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Interview: Télécran (Uwe Hentschel)

Télécran: Frau Hansen, die Frage erübrigt sich fast, wenn man sich umschaut, aber trotzdem: Warum treffen wir uns hier?

Martine Hansen: Ja, es ist eine wunderschöne Gegend. Ich wohne hier und mache hier regelmäßig Sport. Hier kann man gut laufen, man kann Fahrrad fahren, Paddle-up und vieles mehr. Also es ist wirklich Urlaub zu Hause.

Télécran: Sie sind auch gebürtig aus Wiltz, also aus der Gegend, oder?

Martine Hansen: Ja, aber ich beziehungsweise meine Eltern wohnten in Tarchamps, also auf dieser Seite des Stausees (zeigt nach links) und jetzt wohne ich im Heiderscheidergrund, also auf der anderen Seite (zeigt nach rechts). Das heißt, ich bin eigentlich immer in der Gegend vom Stausee gewesen.

Télécran: Sie haben Agrarwissenschaft studiert, sind Agraringenieurin. Kommen Sie auch aus der Landwirtschaft?

Martine Hansen: Ja, meine Eltern waren Landwirte.

Télécran: Sie sind damit, soweit ich das sehe, zumindest seit Jahrzehnten die erste Landwirtschaftsministerin in Luxemburg, die auch wirklich vom Fach ist?

Martine Hansen: Ja, das kann sein. Und das ist auch von Vorteil.

Télécran: Inwiefern? Hat man als Ingenieurin einen anderen Blick auf die Dinge als beispielsweise Kollegen, die einen juristischen Background haben?

Martine Hansen: Ich glaube schon. Und vor allem auch, weil Landwirtschaft ja viel mit Ingenieurwesen und Natur zu tun hat. Von daher denke ich, dass es schon hilfreich ist, die Arbeit aus diesem Blickwinkel zu betrachten.

Télécran: Sie sind Agrarministerin, gleichzeitig aber auch Ministerin für Verbraucherschutz. Zwei Ministerien an zwei verschiedenen Standorten - wie teilen Sie sich diese beiden Ämter auf?

Martine Hansen: Ich bin immer einen Tag in der Woche im Ministerium für Konsumentenschutz, der ist fix. Und wenn dann sonst was ist, kann ich das auch anders planen, da bin ich ja schon flexibel.

Aber grundsätzlich bin ich mittwochs immer im Ministerium für Konsumentenschutz.

Télécran: Und welches der beiden Ämter, welches der Ministerien ist Ihnen das liebere?

Martine Hansen: Das kann man nicht sagen. Konsumentenschutz ist ja sehr wichtig. Jeder von uns ist Konsument.

Und da muss man aufpassen, dass man da auch wirklich die Rechte des Einzelnen vertritt.

Und Landwirtschaft wiederum ist ja das, was ich eigentlich gelernt habe. Beide Bereiche sind sehr wichtig, und sie sind zum Teil auch eng miteinander verzahnt. Denn die Landwirtschaft produziert Lebensmittel und sorgt für unsere Ernährung, und die Luxemburger Veterinär- und Lebensmittelverwaltung ALVA ist zuständig für Lebensmittelsicherheit, Tierhaltung. Und das ist ja eigentlich auch wieder Konsumentenschutz.

Télécran: Und trotzdem haben mit Blick auf die beiden Klientele Ihrer Ministerien die Landwirte eine stärkere Lobby. Oder anders gesagt: Sie sitzen Ihnen stärker im Nacken, wenn eine Entscheidung getroffen wird, die den Landwirten nicht gefällt...

Martine Hansen: Ja, aber das hat vielleicht auch damit zu tun, dass unsere Agrarpolitik sehr stark von Europa beeinflusst wird. Und da gibt es natürlich sehr weitreichende Entscheidungen, die auf Brüsseler Ebene getroffen werden. Und dann melden sich die Landwirte natürlich schon. Ich würde aber sagen, dass die Konsumentinnen und Konsumenten auch eine starke Lobby haben.

Télécran: Zu den Entscheidungen auf EU-Ebene gehört ja auch die im Haushalt für die Jahre 2028 bis 2034 geplante Kürzung der EU-Subventionen für den Agrarsektor um 90 Milliarden auf nun 300 Milliarden Euro. Wie denken Sie darüber?

Martine Hansen: Für uns ist es erstmal wichtig, dass wir eine sehr starke Agrarpolitik haben, weil wir die Lebensmittelsicherung beziehungsweise Lebensmittelsouveränität als ein Hauptziel in der EU im Auge behalten müssen. Vor allem auch in diesen Zeiten, glaube ich, gewinnt das leider wieder an Bedeutung. Und das geht nur, wenn wir auch ein starkes, separates Budget haben.

Für mich ist diese Entscheidung deshalb ein großer Schritt in die falsche Richtung.

Télécran: Laut EU soll eine Subventionierung der Landwirtschaft aber zukünftig auch über andere Töpfe möglich sein...

Martine Hansen: Ja, der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, ist der, dass es zwar ein großes Budget gibt, das davon aber nur ein Teil fest für die Landwirtschaft reserviert ist. Dieser Teil wurde stark gekürzt. Und bei dem übrigen Budget ist es so, dass wir was bekommen können, es aber nicht wissen. Und das ist nicht gut für die Sicherheit der Betriebe, es ist kein gutes Zeichen für die Bedeutung der Landwirtschaft. In meinen Augen ist das von der Europäischen Kommission eher eine Ansage, dass die Landwirtschaft an Bedeutung verliert - was nicht gut ist.

Télécran: Ihr Cousin Christophe Hansen, EU-Kommissar für Landwirtschaft und Ernährung, meinte dazu, die 300 Milliarden Euro wären letztendlich nur das Minimum der Förderung. Sie hingegen klingen da weniger optimistisch...

Martine Hansen: Also ich bin auf jeden Fall mal davon überzeugt, dass er stark dafür gekämpft hat, dass wir zumindest schon mal die 300 Milliarden Euro in dem abgesicherten Teil des Budgets haben.

Das ist bestimmt nicht von alleine gegangen, und deshalb können wir froh sein, dass er der Agrarkommissar ist, der sich dort eingesetzt hat.

Télécran: Wie hilfreich ist es für Sie als Landwirtschaftsministerin, dass dieses Amt in Brüssel nicht nur von einem Luxemburger und CSV-Parteikollegen besetzt ist, sondern gleichzeitig auch noch von Ihrem Cousin?

Martine Hansen: Das ist schon hilfreich. Erstens würde ich sagen, dass wir aus dem gleichen Holz geschnitzt sind.

Das heißt, wir verstehen uns schon sehr gut.

Und dann ist es natürlich auf jeden Fall schon von Vorteil, einen Luxemburger in dem Ressort zu haben. Und bei einem Cousin in diesem Amt sind die Wege dann auch sehr kurz.

Télécran: Ein weiteres Thema in Brüssel, das nicht ganz nach Ihren Vorstellungen läuft, ist das sogenannte Entwaldungsgesetz. Warum hat Luxemburg eigentlich so ein Problem damit?

Martine Hansen: Das Gesetz verursacht einen riesigen Verwaltungsaufwand, auch in Ländern, in denen es die Gefahr einer Entwaldung nicht gibt. Das Ziel ist ja, dass wir mit dem Gesetz versuchen sollen, die Entwaldung zu verhindern und zu stoppen. Und hinter diesem Ziel stehen wir komplett. Nun ist es aber so, dass wir hier in Luxemburg oder aber in Österreich kein Problem mit der Entwaldung haben, weil bei uns der Wald nicht weniger wird. Wir haben hier ein strenges Gesetz: Wer Wald rodet, muss auch wieder welchen nachpflanzen.

Télécran: Aber dann könnte es Ihnen doch auch egal sein...

Martine Hansen: Das Problem ist, dass damit die Landwirte für ihre Tiere, die auf der Weide stehen, regelmäßig georeferenzierte Daten von der Weide, vom Stall in eine europäische Datenbank eingeben müssen -vom Kalb über die Kuh bis hin zum Steak oder sogar noch zum Hackfleisch. Das muss regelmäßig gemacht werden, und wenn neue Kälber auf die Welt kommen, geht das immer so weiter. Für unsere Landwirte bedeutet das einen riesigen administrativen Aufwand ohne Mehrwert, weil wir eben keine Entwaldung haben. Die Europäische Kommission steht für Vereinfachung. Also müssten wir auch für die Länder, wo die Entwaldung kein Problem ist und wo man das auch mit Zahlen belegen kann, Vereinfachungen bekommen.

Télécran: Landwirte klagen ja oft über den enormen bürokratischen Aufwand. Gleichzeitig gibt es in der EU aber auch keinen anderen Bereich, der so stark subventioniert wird wie die Landwirtschaft. Ist es da nicht legitim, eine umfassende Dokumentation zu verlangen, um sicherzugehen, dass die Landwirte die damit verbundenen Auflagen auch erfüllen?

Martine Hansen: Es geht ja nicht darum, dass die Landwirte einfach nur Geld erhalten, sondern dass sie gleichzeitig auch etwas für die Umwelt tun.

Und die Landwirte erhalten Geld, damit wir bezahlbare, gute Lebensmittel für die Konsumenten produzieren. Mit all den Auflagen, mit den sozialen und den Umweltauflagen, die wir in Europa haben und die ja auch gut sind, können wir nicht zu dem Preis produzieren wie andere Länder, die das nicht haben. Wenn wir eine Produktion hierbehalten möchten und wenn wir die Qualität hier in Europa weiter garantieren wollen, dann müssen wir den Landwirten diese Beihilfen geben.

Télécran: Sie haben ja eben bereits die Verzahnung Ihrer beiden Ministerien - gerade auch in diesem Bereich - angesprochen. Wo sehen Sie beim Konsumentenschutz weitere drängende Aufgaben?

Martine Hansen: Das Erste, was wir natürlich haben, sind die Sammelklagen. Wir haben dazu die Tage eine Beurteilung unseres Gesetzentwurfes bekommen, mit ein paar Anregungen, und haben dann gleich wieder einen neuen Vorschlag gemacht, der bereits in der Kommission war und jetzt weiter an den Staatsrat geht. Und ich hoffe noch immer, dass wir dann im Oktober über das Gesetz abstimmen können, denn die Kommission sitzt uns im Nacken. Wir sind zu spät dran, um es rechtzeitig umzusetzen. Wir sind nicht die Einzigen - was aber keine Entschuldigung ist. Wir müssen da unbedingt die Umsetzung hinbekommen - auch um Strafzahlungen an die EU zu verhindern. Dann haben wir als weitere große Aufgabe noch das Green Empowerment. Das ist eine europäische Direktive, die dafür sorgen soll, dass eine Umweltbezeichnung auf einem Label auch kontrollierbar ist. Die werden wir auch hoffentlich im September oder Oktober ins Parlament bringen.

Télécran: Sie selbst sind ja letztlich auch Konsumentin. Gibt es da etwas, worüber Sie sich als Verbraucherin mitunter ärgern?

Martine Hansen: Vielleicht ist das schon eine Déformation professionnelle, (lacht) aber manchmal nerven mich schon die Preisangaben. Ich kann mich zum Beispiel daran erinnern, wie ich letztes Jahr auf einer Tankstelle noch schnell ein kleines Geschenk besorgen wollte. Die hatten dort frisches Salz, schön verpackt, das aus einem See gewonnen wurde. Da gab es dann zweimal das Gleiche, aber zu unterschiedlichen Preisen. So etwas ist nicht richtig. Aber ein wirklich ernstes Problem hatte ich bislang noch nicht.

Télécran: Auch nicht bei Flugreisen?

Martine Hansen: Ja, von Flugausfällen war wahrscheinlich schon fast jeder von uns mal betroffen. Aber wenn bei mir ein Flug ausgefallen ist oder Verspätung hatte, hat die Fluggesellschaft schon proaktiv reagiert, sodass ich den Verbraucherschutz selbst so direkt noch nie gebraucht habe.

Télécran: Wo wir gerade dabei sind: Geht es diesen Sommer auch in den Urlaub?

Martine Hansen: Ja, ich werde mit dem Fahrrad von Prag nach Wien fahren.

Télécran: Machen Sie solche Touren öfter?

Martine Hansen: Ja, ich versuche jeden Sommer eine solche Reise zu machen. Letztes Jahr war ich von Salzburg nach Grado und, ich glaube, im Jahr davor von Innsbruck nach Verona und dann einmal von München nach Venedig. Das ist richtig gut zum Abschalten und Ausspannen, weil man sich ja dann auch auf den Weg konzentrieren muss.

Die Touren sind aber organisiert. Das heißt, das Gepäck wird von Hotel zu Hotel transportiert.

Das ist schon bequemer. (lacht)

Télécran: Sie sind also eher der Aktivurlauber...

Martine Hansen: Ja. Ich hätte Schwierigkeiten, wenn ich den ganzen Tag irgendwo liegen müsste.

Télécran: War das schon immer so?

Martine Hansen: Eigentlich schon. Vielleicht ergibt sich das aber auch aus den Mangelsituationen. Ich versuche zwar immer, Sport zu machen, aber als Ministerin ist das nicht immer so einfach. Doch jetzt, wo es morgens früh hell ist, laufe ich schon mal vom Heiderscheidergrund bis nach Feulen und werde dann dort abgeholt. Dann bin ich wenigstens schon mal zehn Kilometer gelaufen. Aber das muss ich dann wirklich einplanen. Im Urlaub kann ich das dann einfach so machen. Und das kann ich dann auch genießen.

Télécran: Frau Hansen, vielen Dank für das Gespräch und einen schönen Urlaub.