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Interview: Luxemburger Wort (Thomas Klein)
Luxemburger Wort: Serge Wilmes, Sie sind gerade in Abu Dhabi beim IUCN World Conservation Congress, der nur alle vier Jahre stattfindet. Viele Klimaziele und Biodiversitätsziele hat sich die internationale Gemeinschaft für das Jahr 2030 gesteckt. Das hier ist also die vorletzte Konferenz, bevor der Stichtag erreicht wird. Sehen Sie auf dem Kongress etwas, das Sie optimistisch stimmt, dass zumindest ein Teil der Ziele erreicht werden?
Serge Wilmes: Nun, einerseits wird weltweit sehr viel gemacht. Die große Frage bleibt aber: Wie kommen wir noch schneller voran?
Entscheidend ist aus meiner Sicht, mehr private Finanzmittel zugänglich zu machen für kleine, lokale Projekte weltweit, die in den Naturschutz investieren.
Es gibt ein paar Hürden. Oft verstehen private Investoren nicht genau, was im Naturschutz gemacht wird, und sehen keinen Return an Investment - obwohl man durchaus Projekte aufsetzen kann, die ökologische, wirtschaftliche und soziale Vorteile bringen. Es wird nicht immer dieselbe Sprache gesprochen. Wir müssen Brücken schlagen, damit sichtbar wird: Das sind seriöse Projekte mit Businessplänen, die man finanzieren kann.
Luxemburg ist innerhalb der IUCN nicht nur Mitglied, sondern Framework Partner. Wir leisten Kernfinanzierung und sind ein privilegierter Partner, um konkrete Projekte auszuarbeiten, die weltweit helfen, Finanzierung zu ermöglichen beziehungsweise die Umsetzung voranzubringen. Wir bringen öffentliche Mittel aus Luxemburg ein; diese werden dann mit privaten Geldern kombiniert.
Luxemburger Wort: Können Sie ein Beispiel für solche Projekte nennen?
Serge Wilmes: Auf den Philippinen unterstützen wir ein Projekt zur Wiederanpflanzung von Mangroven entlang der Küste, um Erosion zu stoppen. Gleichzeitig kehren Fische und Krebse zurück; das ermöglicht nachhaltige Fischerei.
Solche Projekte finden Nachahmer vor Ort.
Wir wollen außerdem einen Online Marktplatz schaffen, um Privatinvestoren mit sehr kleinen Projekten zusammenzubringen - damit sie sich finden und das Geld dorthin fließt, wo es gebraucht wird.
Luxemburger Wort: Als Umweltminister haben Sie ja vor allem Einfluss auf die Biodiversität in Luxemburg. Es gibt ja durchaus Kritik an Ihrer Politik. Sehen Sie Luxemburg auf einem guten Weg?
Serge Wilmes: Die Regierung und ich übernehmen Verantwortung, unsere Hausaufgaben sowohl zu Hause als auch international zu machen, um den Biodiversitätsverlust zu stoppen oder sogar umzukehren. Das ist wichtig aus ökologischen, sozialen, aber auch wirtschaftlichen Gründen. Denn wir schützen uns damit z. B. auch vor Überschwemmungen und Hitzewellen - das verhindert auch Schäden an der Wirtschaft.
Weil alles miteinander zusammenhängt, müssen wir international und national handeln. In meinen nun zwei Jahren im Amt haben wir viele Initiativen ergriffen: Wir haben weitere Klima-Boni eingeführt, den Klima- und Naturpakt überarbeitet - mit mehr Unterstützung für Bürger und Gemeinden, die nachhaltiger leben und die Biodiversität stärken wollen, etwa durch Dach- und Fassadenbegrünung oder mehr Grün im öffentlichen Raum.
Luxemburger Wort: Kritisiert werden gerade Änderungen von Umweltschutzbestimmungen, die den Wohnungsbau beschleunigen sollen, unter anderem vom Mouvement Écologique. Manche sehen darin einen Angriff auf die Biodiversität. Sind Sie bereit, über Anpassungen zu sprechen?
Serge Wilmes: Wir sind mit ihnen im Austausch. Sie haben ihre Rolle, wir haben unsere Rolle. Es gab Gespräche auf technischer Ebene und auf Beamtenebene. Ich habe auch mit Blanche Weber (Präsidentin des Mouvement Écologique, Anm. d Red.) gesprochen. Das werden wir konstruktiv fortführen.
Dass da nicht immer hundertprozentige Zufriedenheit herrscht, ist normal. Natürlich kann es noch Anpassungen geben - nichts ist perfekt. Wir sind bereit, Dinge nachzubessern. Entscheidend ist, dass wir uns darauf einigen, dass wirklich alle mehr Begrünung wollen.
Luxemburger Wort: Sie zeigten sich kürzlich im Interview nach dem Treffen der Umweltminister aufgebracht darüber, dass die EU-Staaten sich nicht auf ehrgeizigere Ziele für die Senkung der Treibhausgasemissionen einigen konnte. Die Entscheidung ist auf den EU-Gipfel Ende des Monats vertagt. Haben Sie mit dem Premier auf ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt? Wie weit geht Luxemburg, um das durchzusetzen?
Serge Wilmes: Die Position der Regierung haben wir klar artikuliert: Wir wollen eine Senkung von 90 Prozent, selbstverständlich unter den Bedingungen und Zwischenzielen, die nötig sind, um das zu erreichen. Die Unternehmen brauchen eine klare Perspektive. Das übergeordnete Ziel ist Klimaneutralität bis 2050.
Es ist nicht so, dass auf dem Gipfel etwas mit Einstimmigkeit entschieden werden muss. Die Staats- und Regierungschefs geben uns nur eine Empfehlung. Co-Gesetzgeber sind das Parlament und der Ministerrat; die entscheiden.
Ich werde alles versuchen, um Kollegen zu überzeugen, die noch skeptisch sind. Von diesen Staaten hört man: Es muss umsetzbar sein. Damit sind wir auch einverstanden, wir verweisen aber darauf, dass alle diese Vorschläge für entsprechende Packages und Maßnahmen auf dem Tisch liegen.
Wenn man noch etwas nachschärfen oder anpassen muss, diskutieren wir das - aber das übergeordnete Ziel von minus 90 Prozent muss man festhalten können. Das brauchen wir, und dafür setze ich mich ein.