"Er wird noch mehr im Luxemburger Land verwurzelt sein"

Interview mit Luc Frieden im Télécran

Interview: Télécran (Martina Folscheid)

 

Télécran: Welche Erinnerungen haben Sie an den letzten Thronwechsel?

Luc Frieden: Es war sehr beeindruckend. Ich war 1998 in die Regierung eingetreten und habe den Thronwechsel als etwas sehr Historisches empfunden, weil ich noch von Großherzog Jean vereidigt worden bin. Kurz danach folgte ihm dann Großherzog Henri in das Amt. Ich schaute mir das alles mit staunenden Augen an. Ich glaube, es ist ein Moment, in dem man die Geschichte spürt.

Télécran: Wie hat sich Ihrer Ansicht nach das Verhältnis der Luxemburger zur Monarchie in den letzten 25 Jahren verändert?

Luc Frieden: Ich glaube nicht, dass es sich verändert hat, sondern dass die Luxemburger generell sehr mit der Monarchie verbunden sind. Weil sie stolz darauf sind, dass die großherzogliche Familie das Land nach innen und nach außen gut repräsentiert. Verändert hat sich die Bevölkerung in dem Sinne, dass mehr Menschen aus anderen Ländern zu uns gekommen sind, die natürlich nicht dieses Verhältnis zur großherzoglichen Familie haben, was wiederum auch die Rolle der großherzoglichen Familie ein wenig in ein anderes Licht rückt. Aber Großherzog Henri hat immer sehr darauf gepocht, Staatsoberhaupt aller Luxemburger und Einwohner zu sein und sich auch für die soziale Kohäsion einzusetzen.

Télécran: Der Waringo-Bericht sorgte 2020 für viel Aufregung. Begrüßen Sie rückblickend, dass sich Ihr Amtsvorgänger Xavier Bettel für diese Untersuchung einsetzte und in der Folge die Maison du Grand Duc entstand?

Luc Frieden: Ich kann das nicht beurteilen, weil ich damals nicht in der Politik war. Und ich kann in diesem Sinne das Vorgehen meines Vorgängers nicht bewerten. Wichtig ist, dass das Staatsoberhaupt seine verfassungsrechtlichen Aufgaben voll und ganz ausüben kann. Das ist wichtiger als alle anderen Themen.

Télécran: Mit welchen Erinnerungen verbinden Sie die sicher schwierige Zeit, als Großherzog Henri dem Gesetz über Sterbehilfe und assistierten Suizid nicht zustimmte?

Luc Frieden: Ich habe das sehr nah erlebt, weil ich als damaliger Justizminister und auch im Auftrag des Premierministers viele Stunden mit Großherzog Henri im Schloss Berg zusammensaß und wir intensiv darüber diskutierten. Wichtig war ihm und uns als Regierung, dass die Demokratie in einer konstitutionellen Monarchie funktionieren konnte. Und deshalb bin ich froh, dass wir dazu beitragen konnten, mit einer vorgeschlagenen Verfassungsänderung das Problem zu lösen. Aber das war ein sehr beeindruckender Augenblick in der Geschichte der Monarchie. Wir haben das Problem gelöst im Sinne der Demokratie und des Großherzogs.

Télécran: Würden Sie sagen, dass so etwas vorkommen dürfen muss, weil es sonst eine Zustimmung gegen die eigene Überzeugung gewesen wäre?

Luc Frieden: Der Großherzog steht über den politischen Parteien und darf als Amtsinhaber keine parteipolitische Meinung ausdrücken. Aber natürlich hat der Großherzog zu vielen Themen auch seine eigene Meinung. Er hat zu vielen Themen eine eigene Meinung und das schätze ich sehr an Großherzog Henri wie übrigens auch an Kronprinz Guillaume. Aber es ist das Parlament, das über Gesetze entscheidet. Dies war übrigens damals keine Regierungsentscheidung, sondern ein Gesetzesvorschlag, der aus dem Parlament kam. Aber noch einmal: Die Funktion der Monarchie ist es, die Kontinuität der Institutionen zu gewährleisten. Und das muss zu jeder Zeit unser gemeinsames Ziel sein.

Télécran: Im Podcast mit dem Interview, das Großherzog Henri und sein Sohn RTL und 100,7 kurz vor der Vereidigung von Guillaume als "lieutenant-répresentant" gaben, sagte Großherzog Henri, wenn die Bevölkerung "ein anderes System" wünsche, dann sei die großherzogliche Familie offen dafür. Er habe keine Angst vor einem Referendum über den Fortbestand der Monarchie. Wie stehen Sie zu der Frage? Braucht Luxemburg die Monarchie als haltgebendes System?

Luc Frieden: Ich bin für die konstitutionelle Monarchie und ich will darauf hinweisen, dass der Verfassungsgebervor wenigen Jahren die Möglichkeit hatte, in der Verfassungsänderung die Monarchie abzuschaffen. Das hat das Parlament nicht getan. Dazu gibt es in diesem Land keine Mehrheit. Ich würde auch sagen, dass die Mehrheit der Bevölkerung es vorzieht, ein überparteiliches Staatsoberhaupt zu haben und keinen Parteipolitiker, der dieses Amt ausführen würde. Und deshalb, glaube ich, hat das Parlament die Funktion des Monarchen kürzlich noch einmal gestärkt.

Télécran: Warum ist denn ein Monarch so wichtig für die Kontinuität und die Stabilität?

Luc Frieden: Ein Monarch ist ein Symbol einer Nation und eines Landes. Er ist also, wenn ich das so ausdrücken darf, eine Visitenkarte des Landes nach außen. Und dass er über den Parteien steht, erlaubt ihm, die Menschen sozusagen gemeinsam zu vertreten. Das ist bei einem demokratisch gewählten Präsidenten weniger der Fall, weil er meistens einer parteipolitischen Strömung entstammt. Aber die Wahrung der Stabilität eines Landes ist nicht nur Aufgabe eines Großherzogs, sondern sie ist Aufgabe aller, die Verantwortung in einem Land tragen.

Télécran: Wie wichtig ist die Rolle des Großherzogs im politischen Tagesgeschäft? Sie trafen sich vermutlich regelmäßig mit dem Monarchen, um Themen zu besprechen. Gab er Ihnen auch Anregungen?

Luc Frieden: Was zwischen dem Großherzog und dem Premierminister besprochen wird, unterliegt dem sogenannten "colloque singulier”, und darüber darf niemand sprechen.

Télécran: Als Erbgroßherzog Guillaume Statthalter wurde, hatte ich bei Ihrer Ansprache während der Zeremonie im Palast den Eindruck, dass Sie ein herzliches Verhältnis zu ihm haben. Ist dem so?

Luc Frieden: Ich kenne Prinz Guillaume seit fast 30 Jahren und ich habe ihn in seiner Funktion als Thronfolger auf Wirtschaftsmissionen für den Finanzplatz öfter begleitet. Daraus entsteht natürlich ein sehr enges Verhältnis. Und ich bin froh, ihn nun als Premierminister in diese neue Funktion hinein begleiten zu können. Wir haben auf Reisen über viele berufliche und persönliche Themen gesprochen. Natürlich macht das ein Verhältnis aus, was, glaube ich, auch in Zukunft angenehm und nützlich für das Land sein wird.

Télécran: Was hat Ihrer Ansicht nach das vorige Monarchenpaar dem Land gegeben, und was wird das künftige ihm geben? Wo sehen Sie Gemeinsamkeiten, und wo Unterschiede?

Luc Frieden: Die Gemeinsamkeit ist natürlich die Funktion. Denn wenn man konstitutioneller Monarch ist, dann hat man eine Aufgabe, die in der Verfassung steht, und die wird der neue Groß herzog genau wie sein Vater und Großvater ausüben. In dem Sinne ist es natürlich eine Kontinuität. Der neue Großherzog ist fast 30 Jahre jünger als sein Vater, und selbst verständlich kommt damit auch ein neuer Stil in dieses Amt hinein. Auch die Gesellschaft hat sich verändert. Ich glaube, es wird vielleicht etwas weniger formell zugehen als sicherlich zu Beginn der Amtszeit von Großherzog Henri. Auch ist der neue Großherzog in Luxemburg ausgebildet worden. Er ging in eine normale Grundschule, was bei seinem Vater nicht der Fall war. All dies prägt die Person. Er wird also noch mehr im Luxemburger Land verwurzelt sein, als dies bei seinem Vater und Großvater der Fall war. Überdies finde ich, dass er vieles von seinem Vater und seiner Mutter, Großherzogin Maria Teresa, verkörpert. Er verbindet dies sehr gut, und ich glaube, dies wird sein Amt prägen. Und dabei wird er sich natürlich auch neue Themen heraussuchen, die zu seinen Interessen und in unsere Zeit passen. Was er auch auf vielen Wirtschaftsmissionen immer schon bewiesen hat.

Télécran: Was wünschen Sie dem zukünftigen Monarchenpaar?

Luc Frieden: Freude am Amt, Unterstützung von der Bevölkerung und gute Zusammenarbeit mit der Regierung.

Télécran: Herr Premierminister, ich danke Ihnen für das Gespräch.

Membre du gouvernement

FRIEDEN Luc

Organisation

Ministère d'État

Thème

Monarchie