Jean Asselborn, Discours à l'occasion de la remise du prix "Die Quadriga", Berlin

Liebe Gäste,

Peter Gabriel verdient es zweifelsohne geehrt zu werden. Er ist vielfältig, originell, engagiert. Er hat Ideen. Er ist ein begnadeter Musiker und gleichzeitig ein aufrechter Verfechter einer humaneren Gesellschaft … ein Künstler, der sich resolut der Entwicklung einer zivilen Gesellschaft gewidmet hat und dessen Engagement für die Menschenrechte schlicht und einfach unsere Bewunderung hervorruft.

Zu allererst allerdings möchte ich dem Sänger, Komponisten und Arrangeur Peter Gabriel Tribut zollen.

Peter Gabriel wurde sehr vielen Leuten zuerst als Sänger der Kultband „Genesis“ bekannt, bevor er dann - 10 Jahre später - nachdem er dieser unnachahmlichen Band und Musik seinen einmaligen Stempel aufgedrückt hatte, seine Solokarriere startete und zu seiner eigentlichen Identität und Originalität fand. Peter Gabriel kann musikalisch brutal wie ein „Sledgehammer“ sein oder aber sehr menschlich in „Don’t give up“, eine Reflexion über Frustration, Arbeitslosigkeit, Verzweiflung und Hoffnung… Er schaut uns in die Augen : „In your eyes“… ist eine wundervolle, liebenswerte Ballade… mit sehr viel Gefühl, Mitgefühl…

Um traditionelle Klänge, Töne und Rhythmen mit moderner Rock- und Popmusik zu verbinden, gründete er zusammen mit anderen Künstlern 1980 die WOMAD - die „World of Music, Arts and Dance“. Mit Hilfe dieser mental sowie emotional sehr offenen, verbindenden Kunstform geschah es, dass Peter Gabriel das Musikalische – das menschlich Verbindende - immer stärker als ein weltweites Medium empfand, verstand und nutzte. Treu seiner selbst blieb er akustisch und inhaltlich immer kräftig und populär, erfrischend und spontan … und gleichzeitig erfinderisch, raffiniert und kunstvoll. So gelang es ihm, geniale Töne und Klangverbindungen zu erschaffen, die selten vorher so gehört wurden… Töne aus Südafrika, Rhythmen aus Südamerika, Gitarrenriffs und Flötentöne – aus westlichen Sphären wie auch aus Fernost - Weisen und Akkorde aus Asien verschmolzen spielerisch in ureigenen Interpretationen… geschaffen im Zusammenspiel mit Freunden, Verbündeten und Gleichdenkenden, und zeigten, dass dieses reiche Kulturgut zu Unrecht vom allzu kommerziellen Musikmarkt ignoriert oder verdrängt wurde.

Peter Gabriel steht zu allererst für Identität, für individuelles und gelebtes Sein, gegenüber sich selbst und gegenüber den Anderen… Irgendwann in seinem Leben hat dieser Mann beschlossen zu sehen, zu spüren, zu begreifen, wahrzunehmen…

Ohne Peter Gabriel wäre die internationale Musikszene wahrscheinlich unidimensionaler, marktförmiger - ich wage fast zu sagen langweiliger - geworden. Peter Gabriel hat die Musik dieser Welt in zahlreichen Ton- und Videoaufnahmen - die er zur eigenen Kunstform entwickelt hat – dokumentiert. Wer auch immer seine Workshops, in der liebenswerten und motivierenden Kollegialität seines Tonstudios verfolgen konnte, weiss wovon ich rede. Er hat die Rock- und Popmusik mit der Weltmusik versöhnt. Die beiden hatten ja eigentlich nie wirklich Streit, jedoch waren sie eine lange Zeit weit voneinander entfernt und sehnten sich nacheinander. Er hat geholfen und dazu beigetragen sie zusammenzuführen.

Allein für dieses Engagement, dieses Zusammenführen, gebührt ihm unser aller Dank.

Peter Gabriel hat das gesellschaftliche Unrecht angeprangert: zu Recht … aber auch das in einer ihm typischen, höchst eigensinnigen und effizienten Art und Weise.

In dem von ihm initiierten Programm „Witness“ hat er Aktivisten der Menschenrechte, sowie auch Folteropfer mit Videokameras bewaffnet, um Menschenrechtsverletzungen und Folterszenen soweit wie möglich zu dokumentieren und zu bezeugen. Die so entstandenen - oft harten unbarmherzigen und unverzeihlichen - Filmsequenzen werden im Internet unter dem Begriff „The Hub“ veröffentlicht und somit einer immer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Er, der Medienvirtuose, weiß, dass die öffentliche Wahrnehmung die Basis allen oppositionellen Handelns ist. Henry Thoreau’s „civil disobedience“ ist ein Muss für jeden verantwortungsvollen Menschen. Anprangern von Missständen ist eine Verpflichtung. Handeln kann in dem Sinne nicht zur Wahl werden… sondern nur zur Pflicht.

Peter Gabriel hat aber nicht nur die systematische Verletzung von Menschenrechten angeprangert: er lebt die Menschenrechtsdebatte tagtäglich und sucht Komplizität und Unterstützung bei Anderen, Gleichgesinnten, die aufgrund ihres Bekanntheitsgrades etwas zu bewegen in der Lage sind. Menschenrechte sind also für Peter Gabriel nicht nur existent als Verweigerung oder Verneinung, sondern besonders auch als aktiv und positiv gestaltende Lebensphilosophie.

In diesem Sinne versammelt seine Privatinitiative „The Elders“ seit dem Jahr 2007 prominente Köpfe, wie beispielsweise Nelson Mandela, Kofi Annan, Jimmy Carter oder Desmond Tutu…, die mit ihrer Reputation und ihrem besonnenen Einsatz helfen, Lösungsansätze für schwierigste, oft komplexe Gesellschafts- und Sozialprobleme zu finden. Mögen mehr von uns auf diese Köpfe eingehen… und verstehen was sie meinen…

Meine Damen und Herren,

„Gut-Mensch“ sein, oder als solcher aufzutreten, genügt kaum.

Jeder von uns sollte eigentlich - ehrlich - wenigstens versuchen, die Welt tagtäglich konkret etwas besser zu gestalten.

Dies mit den Mitteln, die einem jedem von uns zur Verfügung stehen.

Peter Gabriel jedenfalls hat seinen Weg gefunden… er textet, schreibt, unternimmt, wehrt sich und erhebt seine Stimme gegenüber Unrecht … und er schreibt sich somit ein in die Liste jener Europäer, die sich der Wahrung der Grundrechte verschrieben haben.

Seit dem Mittelalter hat sich das Europa, das wir heute lieben, schätzen, hegen, pflegen und grosszüchten, in zahlreichen Kriegen und Feldzügen be- und verkämpft. Wir haben glücklicherweise in der Zwischenzeit gelernt, dass es sinnvoller ist am Tisch zu streiten und zu verhandeln als uns im Feld zu bekämpfen.

Europa ist eine strenge und fordernde Frau gewesen. Viel zu lange hat sie die Menschen die falschen Werte gelehrt. Den Helden und den Krieger hat sie unterstützt und verehrt, nicht den Weisen, nicht die Humanität. Kulturell und religiös, politisch und institutionell hat sie allzu viel Härte bewiesen und Generationen sind daran zugrunde gegangen. Das verflossene 20. Jahrhundert hat uns gezeigt, wieweit sogar der Staat zum rücksichtslosen Täter werden kann. Weltweit ist dieser Kurs bis heute leider noch nicht korrigiert worden.

Die Wahrung und Durchsetzung der Menschenrechte, gestützt auf eine Naturrechtstradition, zurückgehend auf die Philosophen des 16. und 17. Jahrhundert, muss - wie ich meine - ein permanenter, wichtiger europäischer Beitrag zum Weltkulturerbe sein. Peter Gabriel jedenfalls tut das Seine, als Individuum, als Person, als Weltstar …

Lieber Peter Gabriel,

Ihr Lebenswerk, Ihre Präsenz und Ihre Leidenschaft verlangen uns eine neidische Anerkennung ab.

Sie sind nicht nur ein Macher. Sie sind auch ein Anreger und ein Motivator. Sie versuchen weltweit das Bewusstsein für die Wahrnehmung von Ungerechtigkeiten zu wecken und zu schärfen und somit die Menschen zum Verstehen, zum Sympathisieren und zum aktiven Mitmachen zu bewegen.

Sie haben das europäische Weltkulturerbe auf Ihre Art verstanden und sind ein Humanist, im wahrsten Sinne des Wortes. Mehr noch: Sie haben Solidarität und Empathie weiterentwickelt.

Dazu unser aller Dank und meinen herzlichsten Glückwunsch!

Membre du gouvernement

ASSELBORN Jean

Date de l'événement

02.10.2008

Type(s)

Remise de prix Décoration Assermentation