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Jean Asselborn, président en exercice du Conseil de l'UE, au sujet de la Croatie
Jean Asselborn: Guten Morgen!
Doris Simon: Herr Asselborn, was wird denn nun mit Kroatien passieren? Werden die Beitrittsverhandlungen wie geplant am 17. März aufgenommen?
Jean Asselborn: Zunächst, Frau Simon, war es die UNO, die Weltgemeinschaft, die Gotovina auf die Liste gesetzt hat, selbstverständlich auch mit allen Konsequenzen für eine Zusammenarbeit Kroatiens mit dem Tribunal in Den Haag. Ich glaube, wenn Sie mich fragen - ich bin von Natur aus ein Optimist -, dass es am 16.3. - das ist der Tag, wo der Beschluss gefasst wird -, noch immer möglich ist, diesen Beschluss auch zu fassen. Wissen Sie, der Schlüssel liegt nicht bei Carla del Ponte und auch nicht im allgemeinen Rat bei den Außenministern. Er liegt ganz klar in Zagreb. In dieser Woche werden die Botschafter anfangen, die Positionen der verschiedenen Länder auszuloten. Aber der Beschluss - das kann ich Ihnen sagen - wird von den Ministern am 16. März getroffen.
In der Präsidentschaft gibt es eine Regel, dass man sich zurückhalten muss, vor allem bei einem so wichtigen Entscheid wie jetzt die Kroatien-Frage. Ich kann Ihnen nur sagen, dass wir als Präsidentschaft alles tun und dass ich auch persönlich keine Mühe scheue, bis zum letzten Moment zu hoffen, dass die hundertprozentige Kooperation zu beweisen ist.
Doris Simon: Aber Herr Asselborn, ich verstehe Sie richtig. Wenn die Kroaten bis zum 16. März den General Gotovina nicht festgenommen haben und in Auslieferungshaft gestellt haben, dann wird die Europäische Union keine Verhandlungen aufnehmen?
Jean Asselborn: Das erste ist: Wir brauchen eine hundertprozentige Zusammenarbeit mit Den Haag. Das ist was gefragt ist im Beschluss des europäischen Rates vom Dezember 2004. Diese hundertprozentige Zusammenarbeit wird einerseits selbstverständlich ausgelotet und ausgewertet und bewertet vom Tribunal in Den Haag. Zweitens ist es aber auch eine politische Entscheidung der Minister. Ich könnte mir vorstellen, dass auch eine Situation eintreten könnte, wo Kroatien noch bis zum 16.3. beweisen kann, dass die Kooperation hundertprozentig ist, ohne dass es vielleicht zu diesem Zeitpunkt möglich wäre, Gotovina nach Den Haag zu transferieren. Aber die Möglichkeit, dass er transferiert werden müsste, die muss in Einklang sein mit eben der Einschätzung des Tribunals.
Doris Simon: Herr Asselborn, wie erklären Sie sich, dass es so weit hat kommen können, dass die Kroaten anscheinend dieses Verlangen aus Brüssel und auch von der UNO nicht ernst genommen haben, dass so ein wichtiger Kriegsverbrecher ausgeliefert wird?
Jean Asselborn: Frau Simon, ich kann Ihnen nur sagen der Schlüssel liegt bei der kroatischen Regierung in Zagreb. Ich weiß nicht wie es kommen konnte, aber jetzt in den letzten Wochen waren sehr viele Maßnahmen möglich, die vorher anscheinend nicht möglich waren. Das ist ein Punkt. Zweiter Punkt ist aber, wenn man das hier umdreht, dass die kroatische Regierung zurzeit sehr, sehr viel unternimmt, um die hundertprozentige Kooperation zu beweisen. Es fehlt nur dieser hundertprozentige Beweis. Das Beweisstück fehlt noch. Gotovina ist nicht immer als Krimineller angesehen worden. Er wird heute vielleicht noch nicht immer von allen Leuten als Krimineller angesehen. Man muss wissen - das war der Anfang unseres Gesprächs -, nicht die EU, nicht Luxemburg, nicht irgend ein anderes Land hat diesen Gotovina auf die Liste gesetzt, sondern die UNO, der Weltsicherheitsrat, die Weltgemeinschaft. Das darf man nicht vergessen. Also ist die Verantwortung auch dort anzusiedeln, wo eben Gotovina seine Verbrechen gemacht hat. Das muss ja alles bewiesen werden. Ein Gericht ist dazu da, um das zu beweisen. Wenn das so ist, muss er dafür bestraft werden.
Doris Simon: Noch mal zurück auf die Beitrittsverhandlungen. Was wäre denn daran schlimm, wenn die nun nicht am 17. März beginnen?
Jean Asselborn: Sie müssen auch wissen, dass die Kroaten es selbst waren, die uns damals im Dezember 2004 gedrängt haben, ein Datum festzusetzen und ein Datum im März festzusetzen. Das war ihr Wunsch und wir haben nachgegeben. Der allgemeine Rat und der EU-Rat hat selbstverständlich auch gefragt genügt das, haben sie genug Zeit, um dieses Datum zu respektieren. Sie haben gesagt ja, wir werden das tun. Wenn das jetzt nicht möglich wäre, dann würde die Welt bestimmt nicht stehen bleiben, aber das Zeichen, was wir setzen würden, was gesetzt werden würde, wäre vielleicht nicht das positivste für den ganzen Balkan. Ich könnte mir schon vorstellen und auch eine Woche vorher glaube ich daran, dass es positiv ausgehen kann, aber wenn das nicht der Fall ist, dann werden wir bestimmt auch als luxemburgische Präsidentschaft versuchen, diese Brücke in die Zukunft zu bauen. Diese Brücke muss selbstverständlich gebaut werden. Es kann ja am 17. nicht null sein und dann null bleiben. Aber einfach wird das nicht werden.
Doris Simon: Herr Asselborn, Sie waren Anfang dieser Woche auch in der Türkei, wahrscheinlich auch stark unter dem Eindruck der Bilder von der Demonstration am Sonntag in Istanbul, wo die türkische Polizei sehr brutal zugeschlagen hatte, gleichzeitig auch vielleicht unter dem Eindruck der Debatte, die derzeit geführt wird, die Türkei habe nach den sehr großen Anstrengungen, die sie unternommen hat, um nach Europa, um Richtung EU zu kommen, jetzt ein wenig nachgelassen. Es gebe eine gewisse Müdigkeit. Wie hat sich das nach Ihren Gesprächen dargestellt?
Jean Asselborn: Ich muss damit beginnen, was sich am Sonntag in Istanbul zugetragen hat. Das war reine Brutalität der Staatsgewalt. Man muss wissen, dass man mit solchen Bildern den jungen Menschen in einem großen Land wie der Türkei die falschen Zeichen mit auf den Weg gibt. Das habe ich am Montagmorgen um sieben Uhr im Fernsehen gesehen und ich habe mir gesagt jetzt hast du drei Möglichkeiten: entweder ein Schwamm darüber, wie wenn nichts wäre - das geht nicht -, abreisen - das ist vielleicht das falsche Zeichen -, oder ganz, ganz stark reagieren. Ich muss sagen, dass ich vor der Sitzung mit Gül eine Viertel Stunde unter vier Augen geredet habe.
Doris Simon: Dem türkischen Außenminister!
Jean Asselborn: Dem türkischen Außenminister. Die Spontanität seiner Zusage, dass das wirklich falsch ist und dass dies ein falsches Zeichen ist und dass er versteht, dass wir als Europäische Union das anprangern, hat mich dann wieder ermutigt, dass trotzdem dieses Land in einer Phase ist, wo es, wie Sie gesagt haben, wirklich nicht genügt, Reformen im Parlament zuzustimmen. Man muss sie auch implementieren, man muss sie auch umsetzen. Diese Null-Toleranz, was ja immer gesagt wird, im Kontext zum Beispiel der Folterung, das muss sich auch zeigen im Kontext der Freiheit, sich auszudrücken, sich zu versammeln, Religionsfreiheit, Expressionsfreiheit, alles was damit zu tun hat. Da haben die noch ein sehr, sehr großes Stück Weg vor sich. Diese Müdigkeit haben wir selbstverständlich auch angesprochen. Der Außenminister hat uns gesagt, die Türkei war in den letzten drei Jahren wie gedopt. Ich habe ihm geantwortet, das stimmt vielleicht, aber das brauchen sie nicht, damit wir sie assimilieren können in Europa - das wäre ja das komplett Falsche -, aber dass wir die gemeinsamen Werte, die wir in der Türkei und in Europa, in der EU zu verteidigen haben und auszubauen haben, dass die näher aneinander kommen. Stehen bleiben beim Reformprozess, das heißt nicht nur Stillstand, das heißt schon vieles in Frage stellen, was erreicht worden ist. Mich stimmt sagen wir trotzdem etwas positiv, dass die politischen Verantwortlichen auf diese Brutalität, wirkliche Brutalität, so reagiert haben. Da lagen junge Menschen auf dem Pflaster. Sie haben sich zusammengedrückt, damit die Schläge abzuwehren waren, und dann haben diese Polizisten noch mit den Füßen und den Knüppeln auf sie geschlagen. Das ist einem offenen und einem toleranten Land, was die Türkei in Zukunft sein will, nicht würdig. Darum hat die Realität gezeigt, dass noch vieles zu tun ist, und Müdigkeit darf nicht auftreten, denn wenn Müdigkeit in der Türkei auftritt, dann fangen wir vielleicht am 3. Oktober zu verhandeln an, aber dann kommen wir nicht weit.
Doris Simon: Wird das den politischen Gegnern eines Türkei-Beitritts in der EU jetzt Auftrieb geben?
Jean Asselborn: Das glaube ich nicht. Wir müssen ja auch hier in der EU in manchen Ländern schauen. Auch wir haben manchmal solche Fehltritte produziert. Das wäre falsch und ich glaube das muss man genau sehen. Ohne den Druck der Europäischen Union auf die Türkei, die etwas von der EU will, wäre es noch viel, viel schlimmer mit den Menschenrechten bestellt in diesem sehr wichtigen Land von 70 Millionen Einwohnern. Das soll uns ermutigen, nicht politisch, nicht ökonomisch nur und nicht philosophisch, aber für die Menschenrechte in diesem Land, dass wir den Kontakt mit der Türkei aufrecht erhalten im Namen der Verbesserung der Menschenrechte dort.
Doris Simon: Das war der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn. Sein Land hat derzeit den Ratsvorsitz inne. Vielen Dank für das Gespräch, Herr Asselborn. Auf Wiederhören!