Jean Asselborn invité de la table ronde "59. Forum Pariser Platz" sur le thème "Alte Politik in neuem Gewand? Die USA nach Bush"

Annette Riedel: Herzlich willkommen hier in der Rotunde im Eugen-Gutmann-Haus der Dresdner Bank, am Brandenburger Tor, zum 59. Forum Pariser Platz. Diese Runde ist wie immer eine Kooperation von Phoenix und Deutschlandradio Kultur, mit unserem diesjährigen Zeitungspartner, der Süddeutschen Zeitung.

Unser Thema ist: „Alte Politik in neuem Gewand? Die USA nach Bush“. Die USA haben ihren 44. Präsidenten gewählt, er heißt Barack Hussein Obama. Wer hätte das noch vor einem Jahr, noch vor ein paar Monaten glauben wollen? Ich weiß nicht, ob Sie es geglaubt hätten.

Aber die Amerikaner haben sich entschieden. Sie wollten Wandel, eine andere Politik, sowohl innen als auch außen, und es war Obama der ihnen dieses Gefühl von Wandel vermitteln konnte. 92% der Wähler haben Wandel eher mit Obama verbunden als mit seinem republikanischen Konkurrenten John McCain. Wie viel Wandel aber wird mit Obama vor dem Hintergrund der weltpolitischen Lage und der wirtschaftlichen Entwicklung zurzeit möglich sein? Was wird er wirklich bewegen können? Darüber wollen wir in der kommenden Stunde diskutieren.

Mit uns diskutiert Jean Asselborn. Er ist Außenminister und stellvertretender Ministerpräsident Luxemburgs. Sie kommen gerade aus Brüssel und haben dort mit ihren Kollegen aus der EU zusammen gesessen. Erwarten die Europäer jetzt vielleicht zuviel vom Neuen im Weißen Haus, vor dem Hintergrund wie die Stimmung, jedenfalls einige Jahre lang, gegenüber der Bush-Regierung war?

Jean Asselborn: Ich hoffe, dass Sie mir zunächst eine persönliche Anmerkung erlauben. Vor einigen Wochen wurde hier in Berlin der Quadriga-Preis verliehen. Der Preis, an einen sehr bekannten Menschen, sollte eigentlich von der schwedischen Königin überreicht werden, die aber im letzten Moment nicht kommen konnte, also hat man mich gefragt und habe ich das dann übernommen. Heute sollte Benita Ferrero Waldner hier sitzen, die aber so beschäftigt ist, dass sie nicht aus Brüssel zurückkommen konnte.

Annette Riedel: Warum haben wir Sie nicht gleich eingeladen?

Jean Asselborn: Ich wollte eigentlich nur sagen, es muss ja nicht immer eine Frau sein. Wenn nächstes Mal mein Freund Steinmeier ausfällt, bitte, Sie wissen an wen Sie sich wenden.

Annette Riedel: Wir kommen auf Sie zurück, auf alle Fälle.

Jean Asselborn: So, aber jetzt zu Ihrer eigentlichen Frage.

Sie haben schon Recht: wir erwarten, nicht nur in Europa sondern in der ganzen Welt unheimlich viel von dieser Wahl in Amerika. Ich hatte das große Glück zum Zeitpunkt der Wahl in Südafrika zu sein. Ich habe den Präsidenten von Südafrika getroffen, war in Botswana und habe mir die Bilder von McCain angeschaut, auch die Bilder von Obama, als er zum ersten Mal sprach. Ich habe dann mit den Leuten geredet und habe gespürt, welche große Hoffnung in Afrika nach dieser Wahl besteht. Hoffnung auf mehr Selbstvertrauen in Afrika, aber auch Verständnis, dass diese Wahl eine sehr große Herausforderung ist. Gut, in Kenia wurde ja gleich ein Feiertag eingelegt, das haben wir in Europa nicht gemacht.

Heute in Brüssel haben wir ausschließlich über Russland geredet, aber natürlich immer Amerika im Hinterkopf gehabt und was sich alles in Amerika tun muss, damit es wieder zu besseren Beziehungen zwischen Europa und den Vereinigten Staaten aber auch zwischen Russland und Amerika kommt. Dies ist die große Herausforderung, im Sinne von mehr Stabilität auf dem Globus.

Annette Riedel: Kurt Volker ist auch für uns vor wenigen Stunden aus Brüssel gekommen, Schön, dass Sie da sein können.

Er ist der NATO-Botschafter der USA in Brüssel, war vorher viele Jahre lang im Außenministerium tätig, unter 4 Administrationen, republikanischen und demokratischen. Sie haben sich mit EU-USA Beziehungen, aber auch mit globalen Themen wie Klimaerwärmung beschäftigt. Sie wissen wahrscheinlich, dass, hätten die Deutschen wählen können, zu 80% Obama gewählt. Können Sie diese Begeisterung verstehen und, Nebenfrage, müssen sich die Deutschen auf eine Enttäuschung oder zumindest Ernüchterung einstellen?

Kurt Volker (Übersetzer): Ich glaube, dass wir vor allem eine große Begeisterung für die demokratischen Prozesse in den USA entdeckt haben. Die Energie in dieser Wahl war ein Ausdruck von Hoffnung und der Wunsch nach Veränderung, und ich denke, Barack Obama vertritt eine neue Generation von politischen Gefügen.

Und was nun die Enttäuschungen angeht oder die Erwartungen, glaube ich, dass die Frage doch eigentlich folgende ist: was machen wir daraus? Die USA haben einen Präsidenten gewählt, das ändert die Welt noch nicht. Die Probleme gibt es immer noch in der Welt. In seiner ersten Ansprache hat er gesagt, es handele sich vor allem um den Wandel. Wir haben viel zu tun. Es ist eine Möglichkeit für die Gesellschaft, die diese Werte teilen, sich zusammen zu raufen. Wir wissen, dass wir alle zusammenarbeiten müssen um Lösungen für diese gemeinsamen Herausforderungen zu finden.

Annette Riedel: Nun haben wir schon mehr oder weniger die ganzen Themen der kommenden Stunde durchdekliniert. Hans-Ulrich Klose ist SPD Außenpolitiker, seit Jahren stellvertretender Vorsitzender des auswärtigen Ausschusses des Bundestages und auch Vorsitzender der deutsch-amerikanischen Parlamentariergruppe. Sie kennen das Land gut und ewig. Auch Obama wird als amerikanischer Präsident auf der Führungsrolle Amerikas bestehen und er wird sich sicherlich seinen Handlungsspielraum nicht durch die von Europäern so gern in Anspruch genommenen internationalen Institutionen einschränken lassen, die Vereinten Nationen beispielsweise. Sind Sie trotzdem heute begeistert, dass es Barack Obama geworden ist und nicht John McCain? Erlauben Sie sich einen Schuss Emotion, ganz kurz?

Hans-Ulrich Klose: Also begeistert ist ein Tick zuviel.

Annette Riedel: Okay, einen drunter dann?

Hans-Ulrich Klose: … aber ich bin sehr erfreut, und wenn ich hätte wählen dürfen hätte ich auch mit etwa 60% für Obama gestimmt. Zu 40% hätte ich mich der Stimme enthalten und wäre etwas zweifelhaft gewesen.

Annette Riedel: Warum?

Hans-Ulrich Klose: Das kann ich Ihnen sagen. Ich bin ja alt genug, um amerikanische Prediger in Zelten auf großen Plätzen deutscher Städte erlebt zu haben. Und ich bin zeltplatzgeschädigt. Manche Art und Weise der Ansprache war für mich als Außenpolitiker etwas zu emotional. Als Außenpolitiker muss man großen Wert darauf legen, rational und berechenbar zu bleiben. Das ist etwas, was wir von Helmut Schmidt gelernt haben, den wir nicht immer geliebt haben, aber er hat Recht.

Annette Riedel: Gut, dann nehmen wir Stefan Kornelius noch mit in die ganze Runde. Er ist von der Süddeutschen Zeitung, unserem heutigen Medienpartner, ist dort Leiter des außenpolitischen Ressorts. Dann versuchen wir uns doch den Erwartungen mal ein bisschen realitätstauglicher zu nähern. Würden Sie sagen, dass es eben doch sehr viel alte Politik in neuem Gewand ist? Will sagen, wir bekommen es vielleicht ein bisschen kooperativer, ein bisschen freundlicher, eine Anmutung, vielleicht auch mit ein bisschen mehr Verständnis für die Befindlichkeit anderer, aber in der Substanz wird sich die Politik nicht großartig unterscheiden?

Stefan Kornelius: Das glaube ich nicht, aber ich denke wir sollten uns alle erstmal eine Abkühlungsphase gönnen. Der Rausch ist jetzt vorbei, natürlich ist die Emotion hochgeschlagen, wir waren auch alle sehr berührt und das war eine schöne, bewegende Nacht, eine historische Nacht für Amerika, eben dass auch ein Schwarzer gewählt wurde. Das sollte man wirklich nicht unterschätzen, diese Signalwirkung über die Neuerungsfähigkeit dieses Landes, diese Regenerationskraft die in der Demokratie steckt.

Aber nun kommt es eben auf die Sache an. Und in der Sache ist, grade in den großen außenpolitischen Themen, die Erfahrung die, dass sich die Dinge langsam bewegen und dass sie sich behutsam entwickeln müssen. Wenn man alleine in den letzten Tagen gesehen hat mit welcher Wucht von Herrn Ahmadinejad im Iran, über die Hamas, bis zu Herrn Chavez mehr oder minder halbseidene Verhandlungsangebote an Herrn Obama herangetragen wurden, kann ich dem Mann nur wünschen, dass er diese Übergangsphase bis zum 20. Januar nutzt und nicht Politik macht.

Annette Riedel: Gut, dann kommen wir von den Befindlichkeiten jetzt mitten rein in die Themen. Eines ist natürlich das Verhältnis von Russland zum Westen, zum Rest der Welt. Jetzt hat der gute Obama eine Art Glückwunschbotschaft, wenn man dann so will, der besonderen Art vom russischen Präsident Medvedev bekommen. Er war noch keine 24 Stunden gewählt, dann hat letzterer erklärt, dass er Kurzstreckenwaffen installieren will, und zwar in Kaliningrad, als Reaktion darauf, dass die USA unter Bush ein Raketenabwehrsystem in Osteuropa, namentlich in Tschechien und Polen, installieren wollen.

Jetzt sind die EU-Außenminister sich wahrscheinlich im Umgang mit Russland auch nicht immer eins. Wie sieht das aus, Herr Asselborn - gibt es da diejenigen die sich freuen würden, wenn die USA unter Bush dieses Raketenabwehrsystem noch einmal überdenken würden, ob es denn wirklich sein muss, genau so sehr wie es andere gibt, die, dass es so kommt?

Jean Asselborn: Für mich persönlich - und ich glaube der amerikanische Botschafter der NATO versteht mich und kennt meine Position – ist dieses Abwehrraketensystem, dieses Projekt eines der großen Probleme die als Konsequenz eine Zerrüttung der Beziehung zwischen Amerika und Russland haben, und unter dem wir Europäer stark gelitten haben.

Und ich sage auch warum. Europa ist eine politische Entität und es geht nicht, dass ein Dritter, vor allem ein Staat wie Amerika, das größte und das stärkste Land der Welt, bilateral über die Sicherheit Europas verhandelt. Bilateral zwischen zwei Ländern, die nicht zufälligerweise in diesem Moment ausgesucht wurden und die auch willig waren in dem Moment das zu tun.

Ich glaube, hier muss man wirklich auf die Bremse treten und sagen, wenn es um die europäische Sicherheit geht – und wir haben eine europäische Sicherheitspolitik, eine europäische Außenpolitik - müssen wir überdenken, als Europäer, ob das der richtige Weg war.

Zu Ihrer Frage: ich bin überzeugt, dass, auch wenn man jetzt sieht wie in der Tschechei, innenpolitisch die Stimmung umschlägt, dass auch in Polen, trotzdem das MoU unterschrieben wurde, dass das Raketenabwehrsystem noch nicht definitiv entschieden ist. Ich bin radikal gegen das, was die Russen machen. Was Sie angesprochen haben, dass in Kaliningrad Raketen aufgestellt werden sollen, ist ein Schritt in die falsche Richtung. Denn all das, was die Russen jetzt gesagt haben geht eigentlich gegen ihr Projekt von mehr Sicherheit in der europäischen Sphäre. Darum müssen wir ganz genau aufpassen, was wir jetzt tun, welche Schritte wir unternehmen, und wenn ich Russe wäre, würde ich Obama ein wenig Zeit lassen, wenigstens bis zum 20. Januar, um sich auch hier positionieren und artikulieren zu können.

Wenn wir auf diesem Punkt vorankommen wollen und wenn wir wieder ein normales Verhältnis mit Russland, auch von unserer Seite, aufbauen wollen, muss dieses Thema wieder angesprochen und vielleicht auch ganz anders angegangen werden. Denn wenn eine Gefahr besteht, besteht sie nicht nur für uns, sondern sie besteht auch für Russland und dann sollte man etwas zusammen machen können.

Annette Riedel: Herr Volker, ich würde Sie bitten, darauf zu reagieren und gebe Ihnen aber noch eine Frage mit auf den Weg: Es gibt ja schon Stimmen in Amerika, die mit leichter Häme sagen, kein Wunder, dass ihr Europäer, oder zumindest eine große Anzahl davon, so sanft mit den Russen umgeht, schließlich seid ihr ja ungeheuer abhängig von ihnen, was die Lieferung von beispielsweise Gas angeht.

Kurt Volker (Übersetzer): Dankeschön, ich werde auch versuchen, auf diese Frage zurückzukommen.

Erst mal zu diesem Raketenschild. Vor allem reden wir ja von einem Verteidigungssystem von 10 Abfangraketen die keine Gefechtsköpfe haben, die also nicht jemanden angreifen können, sondern nur Raketen abschießen sollen. Russland hat gestern gesagt, dass jetzt europäische Territorien ins Visier genommen werden und das können wir nicht akzeptieren. Das sollte man ganz offen sagen. Was die Raketenabwehr angeht, so besteht eine Gefahr die vom Iran ausgeht, die ein Nuklearprogramm haben. Der Iran muss ja immer noch eine Vereinbarung mit der internationalen Gemeinschaft einhalten.

Das ist also ein Risiko was mit der Zeit wächst, dass eine iranische Rakete die europäischen Städte erreichen könnte. Es wäre also ein kluger Schritt, wenn man die Europäer schützen würde. Da geht es nicht nur um die USA, da geht es um NATO-Politik, welches ja auch die Minister - Sie wissen das ja auch - des NATO Ministerrates in Bukarest beispielsweise erkannt haben, und dass diese Raketen eine Herausforderung darstellen. Wir brauchen also einen Beitrag um diesen Herausforderungen entgegen zu treten und die NATO ist gebeten worden, sich damit zu befassen, wie ein System entwickelt werden in dem das gesamte europäische Territorium geschützt werden kann.

Und am wichtigsten ist doch folgendes: wir bieten an, dass wir weiter mit Russland kooperieren, das ist doch Teil des amerikanischen Ansatzes. Das System ist nicht gegen Russland gerichtet. Russland wird überhaupt nicht bedroht. Die Russen fühlen sich vielleicht bedroht, doch diese 10 Abfangraketen machen gar nicht den Versuch, Russlands tausende von Sprengköpfen ins Visier zu nehmen. Wir versuchen mit Russland auf der Grundlage von Radarangaben zusammen zu arbeiten. Wir machen Informationsaustausch, denn wir glauben, dass wir mit Russland eine gemeinsame Herausforderung bewältigen müssen: Wenn eine Rakete kommt, was können wir gemeinsam dagegen tun? Das ist also ein wichtiger Unterschied zwischen dem Ansatz der USA und dem, was Russland in diesem Projekt sieht. Uns geht es hier um den Schutz der Bevölkerung, nicht um einen Angriff.

Ich möchte auf die weitere Frage zurückkommen, die Sie gestellt haben bezüglich der Abhängigkeit der Europäer von den Russen. Die Sache ist doch folgende: wir müssen in der Lage sein mehr als eine Sache gleichzeitig zu tun. Wir können nicht so abhängig sein, auch in unserer Denkweise. Wir können diese Beziehung nicht pflegen, ohne zu vermeiden, andere, wichtige Dinge anzusprechen. Das brauchen wir, die Ukraine und andere, die eine demokratische Gesellschaft aufbauen wollen. Wir brauchen also auf der einen Seite einen festen Anker an dem wir uns festzurren, aber auf der anderen Seite müssen wir in Osteuropa aufpassen, dass wir von der Energie nicht zu abhängig werden und wir müssen eine Beziehung aufbauen mit Russland. Unterschiede, Kritik, das ist eine Sache.

Ganz offen gesagt, wir haben in Russland ja Dinge gesehen in den letzten Jahren die nicht als isolierte Fälle gesehen werden dürfen. Die Journalisten sagen, manche zumindest, wir sind unter Druck in Russland Sie haben keine Medienfreiheit, all diese Dinge die sind hier zu verzeichnen. Das sind also Sachen die uns Sorgen machen. Wir müssen diese Dinge in ihrem Kontext ansprechen und versuchen, zusammen zu arbeiten, um diese Unterschiede bewältigen zu können.

Annette Riedel: Hans-Ulrich Klose, Sie wollen darauf reagieren. Ich gebe Ihnen aber auch noch eine Frage mit, huckepack sozusagen: Es wird ja im April ein NATO-Rat in Kehl und Strassburg stattfinden, und da soll es um eine neue NATO-Strategie gehen. Wie sehr muss der NATO-Russland Konsultationsrat, den es ja gibt, zu einem wirklichen solchen ausgebaut werden? Ich habe noch sehr genau den russischen Außenminister im Ohr, der sich darüber beschwert hat, dass es letztendlich keine Konsultationen sind die stattfinden, sondern Informationen die den Russen bestenfalls nach vollzogener Handlung verabschiedeten Plänen sozusagen, mitgeteilt werden?

Hans-Ulrich Klose: Gut, ich nehme mal diese Frage vorweg. Es sind ja die normalen Sitzungen des Brüsseler NATO-Rates nach der so genannten Georgienkrise abgesagt worden. Das ist etwas, was ich nie verstanden habe. Ich habe das für völligen Unsinn gehalten. Wofür hat man so was wie einen NATO-Russlandrat, damit er bei schönem Wetter zusammensitzt und die Leute sich wechselseitig versichern es sei alles wunderbar? Nein, wenn es Schwierigkeiten gibt, dann müssen die tagen und müssen miteinander reden. Das war also, wie ich finde, eine völlig falsche Reaktion der NATO.

Das zweite was ich sagen wollte war, dass ich finde, dass die ganze Raketenabwehrdebatte ein hohes Maß von Irrationalität aufweist. Unterstellen wir mal, dass es Raketen gegen mögliche iranische Raketen sind. Wenn damit gesagt sein soll, dass Iran aggressive Absichten verfolgt, dann sage ich Ihnen, 12 Abwehrraketen werden einen aggressiven Iran nicht davon abhalten aggressiv zu sein. Wenn es aber darum geht den Irak in Grenzen zu halten, dann braucht man ein Containment regime, eine Eindämmung, und man braucht sozusagen eine Abschreckungsphilosophie, die garantierte Vernichtung wenn man nuklear tätig wird. Dann wäre es das Beste, man würde eine solche Abschreckungsphilosophie zusammen mit den Russen verfolgen.

Wenn es um Russland geht, ist die Debatte völlig unerklärlich. Die Russen verfügen ungefähr über 2000 Langstreckenraketen die Amerika, Europa, alles erreichen können. Zu sagen, dass das strategische Gleichgewicht berührt würde wenn nur 12 Abfangraketen stehen stößt an die Grenze des Absurden. Das ist wirklich eine vorgeschobene Debatte. Und deshalb finde ich, sollten wir möglichst schnell aufhören diese Debatte zum Spaltbild in Europa zu machen. Sie hilft dem Westen nicht, sie hilft Europa nicht und sie hilft Amerika auch nicht.

Annette Riedel: Herr Kornelius, ist dass sozusagen auch durch die Summe der Dinge, die sich da zugetragen haben mittlerweile so schwierig in den Beziehungen zwischen dem Westen und Russland? Denn zumindest die Überlegung - sagen wir es vorsichtig, denn die USA hätten gerne mehr als vage Überlegungen gehabt - Georgien in die NATO aufzunehmen, müssen natürlich, in Verbindung mit dem, worüber Herr Klose gerade gesprochen hat, bei den Russen gerade den Eindruck erwecken, die rücken uns auf die Pelle?

Stefan Kornelius: Es ist ein sehr vielschichtiges Problem. Ich glaube, die unterliegende Botschaft ist, dass ein zentraler Kommunikationskanal zwischen großen Mächten zusammengebrochen ist. Sowohl zwischen den Europäern und Russland als auch zwischen den USA und Russland. Alles was wir sehen in Raketenfragen, im Umgang mit Iran, in der Abrüstungsdebatte die jetzt nach der Wahl Obamas eine sehr, sehr große Rolle spielen wird, wie auch die Kaukasusthematik, all das ist Ausdruck dieses kompletten kommunikativen Stillstandes. Dazu haben wir, das sollen wir auch wirklich nicht vergessen, in Russland die 2. Generation eines autokratischen Führungsregimes, möchte man fast sagen, einer sehr autoritären Führung die ihre Stärke vor allem auch für den inneren Zusammenhalt ausleben muss.

Georgien, um das noch zu sagen - natürlich ist es jedem Land vorbehalten sich seine Bündnisse zu wählen, in denen es existieren möchte. Insofern hat Georgien eine klare Orientierung Richtung Westen ausgesprochen, Richtung EU, aber natürlich vor allem Richtung NATO, das ist das volle Recht eines souveränen Staates das zu tun. Natürlich geschieht so etwas nicht im Vakuum und so etwas geschieht nicht im einem abstrakten Raum, sondern wir leben in einer realpolitischen Welt und in dieser Welt gibt es nun halt blöderweise noch so etwas wie Interessen. Auch wenn wir nicht mehr bei Bismarck sind, aber die Russen haben dieses Sphärendenken, dieses Einflussdenken und die Balten, die Internetattacken ausgesetzt sind, spüren das ganz, ganz konkret.

Wir können dieses Denken nur überwinden, wenn man die Subebene anspricht, kommunizieren, mit ihnen ins Gespräch kommen, ihnen klar machen, wir gehen mit euch auf Augenhöhe da rein, wir finden eine gemeinsame Antwort gegenüber Iran. Und Herr Volker hat es ja zu Recht angesprochen, dieses Raketenabwehrsystem, so lächerlich es tatsächlich am Ende ist, wurde ursprünglich in Kooperation mit Russland geplant. Es gab mehr als eine Verhandlungsreise von Frau Rice und von Herrn Gates nach Moskau um die Russen einzubeziehen. Es wurde abgeschlagen.

Aber wir sollten uns nicht auf diese Raketen konzentrieren, es ist das Ölthema das eine Rolle spielt, es sind klassische Machtfragen und die werden jetzt neu geschüttelt - mit einem Obama mehr denn je.

Annette Riedel: Dann nehmen wir mal die beiden Stichworte auf und binden sie zusammen: Iran und Augenhöhe. Herr Asselborn, der iranische Präsident Ahmadinejad hat in der Tat, Sie sagten es vorhin schon, Obama gratuliert zu seiner Wahl. Das ist seit 30 Jahren nicht mehr vorgekommen, seit der iranischen Revolution hat keiner aus der iranischen Führung je einem US-amerikanischen Präsidenten gratuliert. Ob er sich nun darüber freuen soll oder das eher mit Vorsicht zu genießen ist, ist eine ganz andere Frage. Aber wird die Frage sein, und wird das vielleicht auch Ihre Empfehlung sein, ob Obama mit der iranischen Führung auf Augenhöhe reden, sie als wichtige regionale Macht ernst nehmen sollte und sie auch so behandeln soll?

Jean Asselborn: Ahmadinejad hat ja auch Briefe an Präsident Bush geschrieben. Es ist also nicht der erste Brief, es ist die erste Gratulation

Hans-Ulrich Klose: Und den Papst.

Jean Asselborn: Ich glaube im Ernst, das Jahr 2009 wird im Iran ein sehr, sehr interessantes Jahr werden. Es werden Wahlen stattfinden, und es gibt im Iran selbst Bewegungen, die hochinteressant sind. Man weiß nicht was kommt, aber man muss natürlich versuchen das zu unterstützen so gut man es kann, um der Demokratie einen Hauch einer Chance zu geben - wenn wir das hier aus Europa tun können.

Ich glaube aber, dass der Iran eine Spoilerrolle im Nahen Osten spielt. Hamas, Hisbollah - wenn man mit Präsident Abbas redet, ist der größte Feind der Fatah Iran. Der größte Feind der Israelis ist Iran. Iran ist aber an sich ja ein junges Volk, ein dynamisches Volk, mit einer großartigen Geschichte vor der wir uns respektvoll verneigen müssen.

Annette Riedel: Und auch ein friedfertiges Volk.

Jean Asselborn: Und es ist auch ein friedfertiges Volk, so dass ich glaube, dass dieser Schritt gemacht werden muss.

Es ist ja ein Ansatz gemacht worden, vor einigen Monaten, wo ein Diplomat in Teheran mit Solana präsent war. Die Amerikaner haben mit Nordkorea direkt geredet. Ich weiß nicht wo der Unterschied zwischen Kim Jong Il und Ahmadinejad liegen soll, es ist fast dieselbe Augenhöhe. Mit Nordkorea haben die Amerikaner direkt verhandelt und ich glaube auch beim Iran, dass es hochnotwendig ist, dass dieser Kontakt hergestellt wird.

Es ist aber auch notwendig - und das ist mein Wunsch an die neue amerikanische Regierung - dass wir diese Gruppe, diese P-5, wie wir sagen, die Vetomächte, plus Deutschland, dass die solidarisch bleibt und mit China Druck auf den Iran macht. Keiner hat ein Interesse, dass Iran einmal eine Atombombe hat. Darum muss diese Solidarität bestehen bleiben und darum dürfen wir auch keine Sologänge machen. Wir dürfen nicht in der Europäischen Union, in Amerika oder sonst wo auf einem anderen Teil des Planeten spezielle Sanktionen ausarbeiten. Dann geben wir diese Solidarität auf.

Hier ist es ganz, ganz wichtig, glaube ich, 2 Sachen zu machen: P-5 plus Deutschland müssen Solidarität beweisen und eine direkte Kontaktaufnahme mit dem Iran. Die Isolierung des Iran, wie man das auch in anderen Beispielen gesehen hat, nicht nur beim Iran, hat nichts gebracht und wird auch nichts bringen, darum ist dieser Schritt dringend notwendig.

Annette Riedel: Herr Kornelius. Direkt dazu.

Stefan Kornelius: Das halte ich aber für fast schon gefährlich, wenn Sie direkt mit dem Iran Kontakt aufnehmen. Als amerikanische Regierung, als Regierung Obama, werten sie das Regime Ahmadinejad so stark auf, dass sie ihm eine Sonderrolle in der Region verschaffen, was dort auch das ganze Gleichgewicht auseinander bringt. Ein kluger Ansatz ist es so zu machen wie mit Nordkorea, da haben Sie schon Recht, aber das waren 6er Gespräche. Das war in der Gruppe und so sollte das sein. Amerika hat bisher gefehlt am Verhandlungstisch und Amerika gehört da dringend dazu.

Jean Asselborn: War einmal präsent Herr Kornelius, mit Solana.

Stefan Kornelius: Und das war jetzt gerade vor ein paar Wochen. Darauf lässt sich aufbauen.

Annette Riedel: Herr Klose, und dann Herr Volker.

Hans-Ulrich Klose: Das ist der Punkt. Die EU-3 haben ja mit Iran verhandelt mit dem Ziel sie von ihren Anreicherungsaktivitäten abzubringen. Aber wir wussten immer, das ist auch besprochen worden im Bereich der EU, dass die Verhandlungen an einem Punkt scheitern würden. Wenn es nämlich um Sicherheit aus iranischer Sicht geht, konnten die Europäer nicht liefern, sondern es mussten die Amerikaner liefern. Und wir haben immer gesagt, wenn die Amerikaner bereit sind sogar gegenüber einem Regime wie Nordkorea, was nun wirklich das verrückteste Regime ist was ich je in meinem Leben gesehen habe, Sicherheitsgarantien abzugeben, warum dann nicht gegenüber Iran. Aber da war die Antwort - für die ich Verständnis habe Herr Botschafter - der Iran hat Blut an den Händen und mit solchen Leuten verhandelt man nicht. Ich glaube aber, dass das falsch ist.

Annette Riedel: Nun gibt es ja viele, nicht nur in der EU, sondern auch auf der Seite von amerikanischen Analytikern die sagen, wir müssen Iran, namentlich dem iranischen Volk mehr Zuckerbrot anbieten, statt Peitsche. Also weniger drohen sondern viel mehr locken, sich in das Gefüge der Weltgemeinschaft einzufügen. Nun könnten die Amerikaner, und sagen es vielleicht ja auch, mit Fug und Recht sagen, die Europäer kommen immer mit Ihrem Zuckerbrot ohne Ende und der Erfolg ist auch nicht da.

Kurt Volker (Übersetzer): Ich glaube, ich muss hier ein bisschen eher anfangen. Wir haben eine gemeinsame Politik, die Europäer und die Vereinigten Staaten gemeinsam, und wir werden das auch auf die EU erweitern. Wir sind der Ansicht, dass Iran hier mit der Anreicherung von Uran Schluss machen muss. Und sie müssen die IAEA Standards einhalten. Ihr Nuklearprogramm können sie friedlich weiter betreiben, aber sie müssen dann mit uns zusammenarbeiten.

Und die USA ist bereit sich mit den Iranern zusammen zu setzen wenn sie das machen. Unser gemeinsamer Ansatz mit der EU-3 ist, dass wir also hier mit diesem Prozess starten müssen, mit dieser Politik mit den Europäern. Er hat aber jetzt gerade angefangen mit der Anreicherung vor einigen Jahren haben die dann immer wieder weitergemacht und jetzt ist es ein bissen zu spät zurückzutreten. Wir müssen die Linie gegen die Anreicherung fortführen und wir müssen an den Verhandlungstisch zurück um sie vielleicht auch in ihrem zivilen Atomprogramm zu unterstützen.

Vielleicht noch eins, Sie haben gesagt, dass der Iran eine Bedrohung für die regionale Sicherheit ist. Ich denke das ist sehr, sehr wichtig in Israel oder in den Golfstaaten oder in anderen, das ist eine echte Besorgnis und Sie haben Recht. Es ist wichtig, die Vereinigten Staaten müssen sich schon Gedanken machen wie die regionale Sicherheit zu gestalten ist. Was nun das Volk angeht, natürlich und das ist ein kritisches, ein sehr wichtiges Thema. In den letzten Jahren haben wir kulturelle Austausche gehabt, wir haben einige Teams ausgetauscht. Die iranischen Menschen sind hungrig, sie wollen Kontakte mit den USA. Wenn man sich hier in der Region umsieht, dann sind wir schon relativ populär, aber im Iran gibt es keine demokratische Gesellschaft. Dieser Ausdruckswille des Volkes kommt hier überhaupt nicht zum tragen.

Annette Riedel: Herr Asselborn?

Jean Asselborn: Darf ich nur einen Satz dazu sagen? Sie haben von Zuckerbrot und von der Peitsche geredet. Der Vorschlag, den wir gemacht haben, als Europäische Union, durch die Europäische Union, durch Solana aber im Namen der P-5 plus Deutschland, ist hochinteressant für den Iran und ich kann Ihnen sagen, im Iran gibt es sehr viele Politiker die darauf sehr erpicht sind, dass das [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Aber das Angebot kam von der falschen Seite? Sie wollen es letztendlich nicht von den Europäern?

Jean Asselborn: Das Angebot kam von Solana, es kam nicht von den Amerikanern. Es kam von Solana im Namen dieser P-5 plus Deutschland.

Ich glaube, hier müssen wir auch ansetzen. Dieses Angebot, was wir gemacht haben, ist ja nicht nur ein Angebot um eine neues Atomkraftwerk zu bauen, sondern es ist ein Angebot um den politischen Dialog anzukurbeln und auch wieder den ökonomischen Dialog und die Zusammenarbeit. Und hier glaube ich, müssen wir es fertig bringen mit dem Iran oder mit den Leadern im Iran, mit dem Volk einen Weg zu finden, so dass das iranische Volk sieht, dass dieser Vorschlag sehr interessant für sie ist. Und jetzt werden Sie sehen, mit den Ölpreisen die fallen, und auch mit der Krise, dass meiner Meinung nach der Iran noch einmal auf dieses Angebot zurückkommen wird.

Annette Riedel: Wenn also das Feindbild nicht mehr stimmt gegenüber dieser Bush-Regierung, sondern mehr Angebote öffentlich auf dem Tisch sind, dass dann auch das Regime in Teheran gewissermassen unter Rechtfertigungsdruck für sein feindliches Verhalten gerät. Herr Klose.

Hans-Ulrich Klose: Aber da sind noch zwei Aspekte, die man bedenken muss.

Der eine, wenn man sich im Iran gut auskennt, und man kennt die Bevölkerung, die ja sehr jung ist - etwa 60% sind unter 25 Jahre - die haben ein starkes Interesse, aus dem Iran ein modernes Land zu machen. Und für die ist inzwischen die Nuklearfrage zu einer Frage der Modernisierung geworden. Und sie haben das Gefühl, dass sie durch den Druck der internationalen Staatengemeinschaft an diesem Schritt in die Moderne gehindert werden sollen. Das mag zwar falsch sein, aber nach meiner Einschätzung gibt es eine deutliche Mehrheit im Iran, die das genau so sieht, und deshalb in der Frage zurückhaltend ist.

Und zweitens, das Paket, das die EU angeboten hat, war hochinteressant: wirtschaftliche Zusammenarbeit, technologische, politische Zusammenarbeit. Aber ich wiederhole noch einmal: aus der Sicht der Mullahs in Teheran geht es um deren Sicherheit, weil die haben eine Regierung in Washington, die sagt: „Regime change“. Und die meinen das auch, das haben sie im Irak gezeigt. Das ist das erste.

Und zweitens, aus der Sicht der Mullahs: amerikanische GIs auf der einen Seite im Irak, auf der anderen Seite in Afghanistan, und eine Menge Marineeinheiten im Golf. Das heisst, die fühlen sich - ob zu Recht oder zu Unrecht, spielt keine Rolle - die fühlen sich in ihrer Sicherheit bedroht.

Und deshalb fehlte bei diesem Paket so etwas wie ein Sicherheitsangebot. Und ich glaube, wenn man das gemacht hätte, oder noch macht, hätte man vielleicht eine Chance es doch noch zu lösen. Und ich hoffe, dass Obama, nicht sofort, der muss ganz vorsichtig sein, irgendwann an einem wichtigen Punkt doch noch dieses Angebot macht, und dann könnte man vielleicht aus dem Dilemma herauskommen.

Annette Riedel: Ich greife das Stichwort Irak auf. Nun ist der Iran nicht zuletzt auf Grund des Irak-Krieges zu der derart starken Regionalmacht geworden, die es jetzt ist. Vor diesem Hintergrund die Frage, wie sinnvoll, realistisch und gut ist es tatsächlich die amerikanischen Truppen weitestgehend innerhalb von 16 Monaten abzuziehen, wie Obama es machen möchte? Denn ein stabiler Irak ist natürlich für die Gemengelage mit Iran, aber auch für die Golfstaaten, und den gesamten Nahen-Osten extrem wichtig.

Herr Kornelius und dann Herr Volker dazu.

Stefan Kornelius: Selbstverständlich, das ist das Kalkül hinter dem „surge“, also in dem Truppenaufwuchs, der vor einem Jahr stattfand, und das ist auch das Kalkül das hinter dem langsamen Abzug sein wird, den McCain stärker befürwortet hat als Obama. Ich glaube, Obama wird auch in dem Moment, wo er im Amt ist, sich den Fakten ein Stück weit beugen.

Natürlich gibt es Abzugsplanungen, Kurt Volker kann wahrscheinlich viel mehr darüber erzählen, und die Verhandlungen mit der irakischen Regierung. Amerika muss dort auch seine Visibilität senken, das muss einfach in irakische Hände gelangen, das ist auch der Fall. Aber sie müssen das oberste Gebot beachten, nämlich die Balance in der Region aufrecht zu erhalten, und die Stabilität im Lande, ohne dass das Land auseinander fällt.

Dabei ist der Irak noch nicht weit genug, aber ich bitte einmal - wenn wir uns zwei Jahre zurückversetzen, oder zwei einhalb wo Irak da stand, und wo wir jetzt stehen können wir drei Kreuze schlagen, dass es soweit gekommen ist. Das ist natürlich auch ein Stückweit ein Modell, das uns für Afghanistan vielleicht helfen kann. Und ich glaube, dass Obama tatsächlich da runter fährt mit den Truppen, und - ja wir werden es ja sehen - verlagert in Richtung Afghanistan.

Annette Riedel: Herr Volker.

Kurt Volker: Ich muss jetzt etwas weiter ausholen. Es gibt momentan keine Politik des Regimewandels, die vom Präsidenten ausgeht. Ich glaube auch nicht, dass die neue das haben wird. Es gibt die Politik aber ganz einfach nicht.

Der Iran sitzt sicher nicht zurück, und lehnt sich herzlich zurück und wartet ab. Es ist ein sehr aggressiver Teilnehmer, Hisbollah, Hamas oder im Golf, oder im Irak, oder in Afghanistan. Der Iran ist ein destabilisierender Teilnehmer dieses Prozesses, das ist also nicht nur eine amerikanische Bedrohung, sondern Iran ist hier selber sehr aktiv.

Bezüglich des Irak geht es doch eigentlich um Folgendes, heute sprechen wir von dem Irak, heute und nicht über den Irak 2003. Wie ziehen wir uns aus dem Irak zurück, und lassen wir ein stabiles Land zurück, ein geeinigtes Land, wo alle Gruppen gemeinsam an einem Strang ziehen, für ihre eigene Sicherheit sorgen? Das ist ein gemeinsames Ziel. Die irakische Regierung wollen wir dabei unterstützen, und ich denke es ist bemerkenswert, wenn man die Bewegungen sieht im letzten Jahr, wo die Gruppen sich jetzt darauf geeinigt haben, die Regierung zu unterstützen.

Und jetzt hat sich ein Fenster geöffnet, das wir nutzen können, um dieses Ziel auch erreichen zu können. Wie schnell das dann erreichbar ist, das hängt davon ab, wie das sich jetzt weiter entwickelt. Wir haben Verhandlungen mit dem Irak schon eine Zeit lang über die Truppen, wir wollen 2011 ja die Truppen aus dem Irak abziehen. Ich hoffe, dass wir das schaffen, ich denke, das wird schon klappen.

Annette Riedel: Herr Obama will das in halb so kurzer Zeit schaffen.

Kurt Volker: Der gewählte Präsident hat immer wieder gesagt, er will so schnell wie möglich die Truppen abziehen aus dem Irak. Und ich denke, keiner der dahinter steht, will den Irak destabilisieren. Ich glaube, es geht hier um eine Regierung der Sicherheit. Wenn er nun also Präsident wird, dann wird er auch von den Irakern und von seinen Militärs Ratschläge annehmen, wie das schnell abgewickelt werden kann.

Und zum Afghanistan möchte ich etwas sagen. Wir möchten hier ja jetzt, in Afghanistan die Kräfte hochfahren, und wir müssen natürlich dazu die Truppen im Irak reduzieren, wir können uns es aber auch nicht leisten, die Lage im Irak [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Herr Volker hat meine Gedanken gelesen. In der Tat wollen wir jetzt über Afghanistan reden, denn Obama hat klar gemacht, ja, er möchte den Abzug ziemlich vollständig, und sobald wie möglich aus dem Irak, um die Kräfte die da frei werden, möglicherweise für Afghanistan zu verwenden. Der US-Oberkommandierende in Afghanistan hat schon von 20.000 mehr Soldaten gesprochen.

Werden, Herr Asselborn, auch die Europäer an dem Punkt auf unangenehmste Weise durch Obama mehr in die Pflicht genommen werden? Bisher konnten sie sich natürlich schön hinter Bush verstecken, unter dem Motto, Du fragst uns nicht wirklich was wir wollen, du nimmst uns nicht wirklich ernst, also brauchen wir auch keine eigenen Strategien irgendwo entwickeln, und schon gar nicht uns an deinen Kriegen, über das Mass was wir in Afghanistan schon leisten, hinaus zu beteiligen.

Jean Asselborn: Ich will jetzt nicht unfreundlich sein, aber wenn der amerikanische Botschafter das darf, dann erlaube ich mir auch, etwas weiter auszuholen.

Ich hatte das grosse Glück im Juni 2005 mit Solana und mit Jack Straw in Bagdad zu sein. Ich habe da die wirklich irreale Welt in Bagdad auch ein wenig gesehen, ein paar Stunden nur. Meines Erachtens, auch wenn man mit den irakischen Autoritäten redet, das Problem ist ja das Zusammenleben der Gemeinschaften, die Kurden, die Schiiten, und vor allem die Sunniten. Die Sunniten, die eine ganz zerstreute Organisation haben, die nicht pyramidal jetzt aufgebaut ist, und das ist Problem. Ich glaube, mit einer militärischen Präsenz ist absolut kein Millimeter voran zu kommen. Und darum bin ich fest davon überzeugt, dass das, was wir versuchen zu machen in der Europäischen Union, die Menschen im Kontext der EULEX Mission auszubilden, Richter, Polizisten und so weiter [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Zu wenig, und es dauert zu lange.

Jean Asselborn: Wir reden immer von der Afghanisierung, aber wir müssen auch von der Irakisation reden. Und solange massiv Truppen im Irak präsent sind, wird das nicht geschehen, wird kein Frieden zwischen den Gemeinschaften möglich sein.

Auch im Irak werden in Kürze Wahlen stattfinden, wissen Sie und ich glaube hier wird Obama zu überlegen haben, ob nicht trotzdem ein Datum für den Abzug nötig ist, ob man das nicht setzen soll, und auf dieses Ziel dann hinarbeiten soll. Und dann schauen wir, wie wir uns auch als Europäer mehr einbringen können. Ihr Aussenminister Steinmeier hat geplant in den Irak zu gehen. Ich finde das sehr gut, dass er diese Initiative jetzt nimmt. Also im Irak, in der Europäischen Union, sind wir bereit zu helfen wie wir können. Wir werden natürlich nie Truppen im Irak haben, aber mit Soldaten im Irak wird man das Problem nicht lösen.

Annette Riedel: Dann reiche ich die Frage an Sie weiter, Herr Klose. Ich möchte sie gerne noch einmal aufnehmen und präzisieren.

Haben wir uns bequem hinter einem George W. Bush ein Stück als Europäer verstecken können, und hat das jetzt ein Ende mit dem Versteckspiel, weil ein Freund im Weissen Haus nicht mehr so sehr als Buhmann taugt, um zu sagen, an deinen Kriegsspielen beteiligen wir uns nicht? Das ist dein Krieg und nicht unser.

Hans-Ulrich Klose: Zu den Abzügen aus Irak will ich nur sagen, es kommt ja immer darauf an [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Das ist dir vor, vor, vorherige Frage.

Hans-Ulrich Klose: Aus welchem Irak zieht man denn eigentlich ab? Der Vorzug von, also wenn man überhaupt das Wort Vorzug nennen darf, vom Irak unter Saddam Hussein war ja, dass das gewissermassen die Barriere war gegen das Vordringen der Schiiten auf der arabischen Halbinsel. Die ist jetzt weg, hochwahrscheinlich, und das ist ein Punkt, den man im Sinne von Gleichgewicht in der Zone bedenken muss. Das wird auch Obama bedenken, deshalb würde ich sagen, er sollte lieber einen genauen Zeitpunkt für den Abzug nicht benennen.

Das zweite, sie zielen ja jetzt auf den Afghanistan ab. Da wir im Irak nicht besonders engagiert waren, militärisch gar nicht, was ich auch für richtig halte [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Aber vielleicht wird ein Obama uns nötigen, oder freundlich bitten, darüber nachzudenken?

Hans-Ulrich Klose: Nein, das wird er nicht tun. Er wird, das ist schon angedeutet, uns bitten uns in dem Aufbau der Zivilgesellschaft stärker zu engagieren. Dazu sind wir auch bereit, weil wir das für notwendig halten. Und wir tun im Übrigen im Irak weit mehr, als die Öffentlichkeit weiss, das wird von Amerika auch immer anerkannt.

Die Frage konzentriert sich aber am Ende auf Afghanistan. Ja, ich glaube es wird, nicht sofort, aber im Laufe der Jahre Forderungen geben, unser militärisches Engagement dort zu verstärken, die so genannten caveats zu überdenken, und möglicherweise auch die Einsatzgebiete zu überdenken. Ich bin auch bereit über alles nachzudenken. Ich glaube nur inzwischen, dass der Afghanistan-Konflikt mit militärischen Mitteln nicht zu lösen ist. Ich glaube, es wird am Ende eine politische Lösung sein müssen, und diese Lösung muss sämtliche Nachbarstaaten Afghanistans einschliessen, ohne die geht es nicht.

Pakistan ist unverzichtbar, weil die Grenze zwischen Afghanistan und Pakistan ist lange, sie ist ausser Kontrolle, die Stammesgebiete sind ausser Kontrolle, jeden Tag kommen mehr und mehr Kämpfer, die immer drastischer ausgebildet werden, nach Afghanistan. Wenn die Pakistanis nicht kooperieren, ist das Problem nach meiner Einschätzung, nicht zu lösen.

Und die Frage ist, wie man erreichen kann, dass die Pakistanis wirklich mit Nachdruck kooperieren? Das wird wahrscheinlich nur gehen indem man auch für die so genannten tribal areas Entwicklungsprogramme in Gange setzt, die denen Afghanistans ähneln.

Ich glaube persönlich, wenn ich das noch sagen darf, dass man das Problem auch nicht lösen kann ohne den Iran. Die Taliban müssen ja das, was sie dort anrichten, irgendwie finanzieren, und wir wissen, sie finanzieren es zu einem grossen Teil durch ihren beträchtlichen Anteil an den Drogengeldern. Und die Drogengelder kommen dadurch zu Stande, dass ein Drogenhandel stattfindet, und 60% des Drogenhandels geht über den Iran. Die Iraner führen seit 10 Jahren ungefähr, einen sehr verlustreichen Krieg gegen die afghanischen Drogenbarone, und haben den Westen wiederholt um Hilfe gebeten, weil sie zum Beispiel Nachtsichtgeräte brauchen, um zu verhindern, dass sie in der Nacht über die Grenzen gehen mit ihren Karawanen, und wir haben das bisher immer verweigert.

Ich glaube aber, wenn wir den Drogenhandel wirklich einschränken wollen, müssen wir den Handel über die Nachbarländer unterbinden, und dazu brauchen wir Iran, dazu brauchen wir Turkmenistan, Usbekistan, und solche Staaten wie Tadschikistan, die keiner genau lokalisieren kann. Aber es geht nicht anders.

Und wenn ich noch eine Bemerkung machen darf, weil wir vorhin über Russland geredet haben. Wir in Deutschland müssen uns immer klar machen, wir können unseren Beitrag in Afghanistan nur leisten, weil die Russen uns die Nutzung ihres Luftraums für unseren Nachschub erlauben.

Annette Riedel: Also wenn jetzt nicht da noch dreimal kommt, ich sage noch mal zu den vor, vor, vorhergehenden Fragen, will ich jetzt einen klaren Schnitt machen wollen.

Stefan Kornelius: Ich würde gerne das, was ich ansprach noch aufnehmen, denn das ist glaube ich, ein sehr wichtiger Punkt.

Annette Riedel: Okay, wir machen aber den klaren Schnitt danach, denn wir müssen und sollten noch zur Wirtschaft kommen.

Stefan Kornelius: Ja, aber wirklich ein sehr klarer Punkt. Diese Wahl ist eine solche Dressur auch für uns, wir sollten einmal fünf Minuten darüber nachdenken, was unsere eigenen Interessen sind. Bisher konnte Deutschland, konnte Europa, seine Aussenpolitik in Opposition, in schöner Ablehnung, fast schon pubertär zu Amerika gestalten. Weil das war ja auch so offensichtlich, dass man sich dagegen positionieren konnte.

Was Sie alles ansprachen Herr Klose, Afghanistan, der Drogenhandel, das verlangt klare politische Entscheidungen hier, das verlangt auch ein Ziel, was wir in Afghanistan erreichen wollen. Und ich glaube ein Grossziel, Stabilisierung des Landes, friedliche Verhältnisse zu Pakistan, die Grenzregionen in den Griff bekommen, das ist wahnsinnig, wahnsinnig kompliziert.

Ich glaube, wir sollten uns darauf reduzieren uns ein Ziel zu setzen, dass wir ein Wiedererstarken der Taliban, die den Terrorismus fördern, dass wir dieses Wiedererstarken stoppen, dann ist unser ursprünglicher Kriegsgrund auch beseitigt, und das wäre der Moment, wo man Afghanistan den Afghanen überlassen kann. In dem Moment, wo da wieder ein Hort des Terrorismus entsteht, oder eine Gefahr für uns, sollte man wieder eingreifen.

Hans-Ulrich Klose: Das Problem ist nur, dass wir die Taliban nicht besiegen können in einem gebirgigen Land, wir müssen aber siegen, während es bei den Taliban nur darauf ankommt, dass sie stören, und ihr Störpotenzial nimmt leider unentwegt zu.

Kurt Volker: Can I?

Annette Riedel: You can. Yes, you can.

Kurt Volker: Ich muss jetzt zum Irak sagen, es musste ja der Raum geschaffen werden durch die Militäraufklärung, damit die verschiedenen Fraktionen hier auch zusammen arbeiten, um wieder zu sichereren Umständen zu gelangen.

In Afghanistan, in ähnlicher Weise, haben wir die Taliban, wir haben Al-Qaida, wir haben Leute die bereit sind die Leute aus dem Bus zu zerren und zu enthaupten. Wir brauchen militärische Kräfte, wir brauchen Sicherheit. Das ist natürlich nicht die Endlösung, aber das schafft den Raum dafür, in dem man hier good governance machen kann, Wiederversöhnung, wo man die Leute zusammen bringen kann. Das geht Hand in Hand. Man braucht Sicherheit, ein Umfeld der Sicherheit, das dann die Bedingungen für eine ökonomische Strategie schafft, die dann effizient sein könnte.

Die wichtigste Frage gegenwärtig ist, wenn man sich die Administration ankuckt, wo wir hinwollen in Afghanistan. Wir sind aus den wichtigen Gründen dort, wir wissen wie es um das afghanische Volk steht, wie wir ihnen helfen können. Wir wissen, was wir hier machen, das ist eine laufende Arbeit, man sieht hier überall diese Angriffe, man sieht die Schwächen der Regierung, die gestärkt werden muss, man sieht das Drogenproblem.

Man muss also die Anstrengungen hochfahren, und es wird darauf ankommen, dass auch die militärischen Kräfte hochgefahren werden, damit die Leute sich sicherer fühlen. Und dann im Nachhinein können wir eine bessere Aufgabe erfüllen. Wir kommen dann also an einen Punkt, wo die Afghanen in der Lage sind, das in die eigenen Hände zu nehmen.

Im Irak, Sie können sich erinnern, die grössten Militärstreitkraft, das ist ja nicht die Amerikaner, das sind die Irakis, sie sind jetzt schon fast über 80.000, 90.000, und sie haben Polizisten, die ausgebildet werden, die diese Sachen in die eigenen Hände nehmen. Und die Irakis, sind dabei, mit den untereinander rivalisierenden Polizeikräften aufzuräumen.

Wir müssen den Afghanen auch helfen, ihre Militärkräfte aufzubauen, um sie in die Lage zu versetzen, dass sie dann einen Freiraum haben, dass sie agieren können, um in den kommenden Jahren dann etwas zu tun. Der neue Präsident wird eine solide Strategie auf die Beine stellen müssen, um die Leute zusammenzuführen, und dann kann es auch weitergehen.

Annette Riedel: Das lasse ich es nicht mehr zu, denn ich denke wir sollten uns nichts vormachen. Iran ist wichtig, Irak ist wichtig, die Beziehung zu Russland, die Beziehung zur EU sind wichtig für den neuen Präsidenten, wenn er ins Amt eingeführt wird am 20. Januar, aber er wird sich wahrscheinlich als aller, allererstes der Wirtschaft zuwenden müssen, denn schliesslich haben seine Wähler zu 63% gesagt, das war für sie das Thema.

Er wird etwas tun müssen vor dem Hintergrund der Immobilienkrise, der Bankenkrise. Und jetzt gibt es am kommenden Wochenende einen Finanzgipfel auf Drängen der Europäer, von den USA in Washington D.C. anberaumt, und die Europäer wollen sehr gerne, dass Banken, dass Finanzinstitute, dass auch bestimmte Arten der Finanzen, wie man sie erheben und managen kann, besser kontrolliert werden. Dass es Regeln geben soll, allgemeingültige, international gültige Regeln, und dass die Überwachung dieser Regeln auch gewährleistet sein sollen möglicherweise von einer internationalen Institution - im Gespräch ist der internationale Währungsfonds.

Und da möchte ich von Ihnen, Herr Volker wissen, wie realistisch so etwas ist? Dass die Amerikaner einem Regime zustimmen, das Regeln ausserhalb der USA bestimmt, und für alle gültig macht, und dann noch dazu von einer Institution kontrollieren lässt, die zwar von den USA durchaus gewichtig mitgeleitet wird, wie der internationale Währungsfonds, aber eben keine US Institution ist.

Kurt Volker: Ich werde hier wohl nicht spekulieren über die Finanzmärkte, ich habe auch nie spekuliert.

Annette Riedel: Die kontrollieren das ganz genau.

Kurt Volker: Aber es gibt natürlich viele Dinge, die wichtig sind, denn das Finanzsystem, das ja nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelt wurde, als der IWF, und die Weltbank geschaffen wurden, war sehr wichtig, und die USA haben sich dort sehr engagiert.

Die Finanzkrise, die wir jetzt sehen, hat viel kaputt gemacht, und die Entscheidungen von Bush und Paulson, als sie über diese Unterstützungsmassnahmen, über das Paket geredet haben, da waren sie natürlich in einer besonderen Situation für die USA. Es ist hier ja doch wirklich etwas Aussergewöhnliches, und es wurden aussergewöhnliche Schritte eingeleitet.

Natürlich, es ist eine echte Krise, all das hängt zusammen, miteinander, dieses G20-Treffen wird auch mit Ideen kommen, die vielleicht vor einer gewissen Zeit völlig unwahrscheinlich gewesen wären.

Und schliesslich und endlich, und das ist wohl das Wichtigste, wenn man jetzt die technischen Regulierungsfragen entschieden hat, wenn man Liquidität wieder bereitstellt, und Vertrauen geschaffen hat, dann müssen die Investoren, und auch die Kreditinstitutionen, die müssen diesem System vertrauen können. Und dort wird also die G20 wirklich aktiv werden können. Das ist sehr entscheidend. Sie können anfangen, dieses neue Vertrauen in das Finanzsystem wieder zu festigen.

Annette Riedel: Herr Kornelius, was wiegt für Sie schwerer, die gute Nachricht, dass die USA vielleicht, auch wenn wir das relativ schwer aus dem destillieren jetzt, was Herr Volker eben gesagt hat, aber vielleicht erkannt haben über diese Krise, dass Wall Street doch nicht alles bestimmen kann, oder die schlechte Nachricht, dass die Amerikaner natürlich in ihrem weltpolitischen Standing, auch mit ihrem Wirtschaftsmodell, ein bisschen an gutem Ruf und an Einfluss über diese ganzen Vorkommnisse verloren haben?

Stefan Kornelius: Schadenfreude sind schlechte Gefühle in der Aussenpolitik. Aber [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Das habe ich auch nicht von Ihnen verlangt.

Stefan Kornelius: Ich glaube, wenn wir ein positives Signal aus der Situation nehmen wollen, dann doch dies: die grossen Institutionen der Welt haben sich immer nur nach Krisen, entweder geformt oder verändert, Zweiter Weltkrieg - UN-Gründung und so weiter. Wir sind wieder in so einer Phase. Wir sind wieder in der Situation, wo die Welt spürt, dass sich die Gewichte verschieben, und dass Amerika auch jetzt eine Möglichkeit hat, sich neu zu justieren, neu zu positionieren. Deswegen wäre eine solche Aufsichtsbehörde eine neue Gewichtung des Währungsfonds natürlich ein wunderbares Signal über die neue Verteilung der Kräfte auf der Welt.

Genau so, wenn wir darüber nachdenken die G8 aufzuwerten in eine G20. Natürlich ist es absurd China rauszuhalten, oder Brasilien, oder die grossen, wachsenden Ökonomien dieser Welt. Wir müssen einfach der Tatsache Rechnung tragen, dass sich die Gewichte verschieben. Amerika verliert an Einfluss, aber es hat noch Gestaltungsmöglichkeit diese neue Institution zu formen, und es wäre nicht das erste Mal - siehe UN - dass die Prägung, die die USA einer solchen Institution geben, sich doch vornehmlich positiv ausgewirkt hat.

Annette Riedel: Herr Asselborn.

Ganz kurz, G20 - nur noch einmal zur Erklärung, die 7 wichtigsten Industriestaaten plus Russland, plus diverse wichtige Schwellenländer, wie Brasilien, Mexiko, Indien, China vor allen Dingen. Heisst denn das was jetzt passiert, und vor allen Dingen auch wenn gerade diese G20 als Verhandlungsbühne angesprochen werden, dass die USA fürderhin in finanz- und wirtschaftspolitischen Dingen nur noch ein Spieler von vielen auf der Weltbühne sind? Ein Gewichtiger, aber nicht mehr diesen Einfluss haben wie vor der Krise, oder namentlich vor 5, 6 Jahren, dass sich die Dinge da einfach gewandelt haben?

Jean Asselborn: Also, Sie stellen mir immer gute Fragen, aber ich muss [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Aber Sie wollen immer was anderes sagen.

Jean Asselborn: Ich möchte noch etwas zu dem anmerken, was der Botschafter vorhin gesagt hat.

Ich bin ja Sozialist, also Sozialdemokrat - in Luxemburg nennt man das Sozialist - und ich war wirklich schockiert, als ich lesen musste, dass Obama von den Republikanern als Sozialist dargestellt wurde. Das ist ja fast, als ob man hier von jemandem sagt, er sei ein Nazi. Und darum habe ich mir die Frage gestellt, wie die Republikaner auf diesen Vorwurf kommen. Ich habe dann recherchiert, und musste feststellen, dass Obama für die Verteilung des erarbeiteten Reichtums ist.

Der Reichtum in Amerika, und das ist ja das Problem in den letzten Jahren - und das sagen nicht Europäer, das sagen ja Amerikaner - war aufgebaut auf Spekulation und auf Verschuldung. Jetzt kommt dieser Tsunami nach Europa, und wir müssen jetzt schauen, wie wir herauskommen.

Ich finde es absolut richtig, dass die Europäer es fertig gebracht haben, Präsident Bush zu überzeugen, dass dieser Gipfel stattfinden soll, und dass wir auch mit den aufstrebenden Ländern, dass wir mit denen dieses Begegnung fertig bringen.

Was ist jetzt der Zweck dieses Gipfels, das ist ja die grosse Frage? Und ich bin mit Herrn Kornelius absolut einverstanden: wir sind nicht 1945, wir brauchen kein Bretton Woods, um die Institutionen neu zu erfinden, wir müssen sie adaptieren, auf die aktuellen Begebenheiten. Das heisst - wir sitzen hier in einer grossen Bank, ich bin ein Luxemburger, wir haben ja auch einige Banken in Luxemburg [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Oh ein, zwei, drei?

Jean Asselborn: Das heisst aber, dass dieses liberale, uneingeschränkte Handeln, auch im Finanzwesen, eingeschränkt werden wird, und besser reguliert werden muss. Und darum möchte ich sagen, dass ich überzeugt bin, dass von jetzt an dieses Early Warning System, welches eigentlich Gordon Brown schon vor anderthalb Jahren als erster fragte, dass das jetzt funktionieren wird.

Und darum glaube ich, um so mehr weil ich, wie ich eingangs gesagt habe, Sozialdemokrat bin, dass der Staat - und das sage ich ganz unpolitisch, und unpolemisch - sowohl in Amerika wie in Europa, sich selbst immer die Mittel erhalten muss, zu regulieren und zu schützen. Wenn man die Verschuldung in Amerika sieht, diese Billionen und Billionen, die Amerika, und auch Präsident Obama, vor sich haben [wird unterbrochen]

Annette Riedel: Fünf Trillionen sind es, glaube ich.

Jean Asselborn: Es hat keinen Wert darüber nachzudenken, das sind Lichtjahre von Billionen, dann weiss man, dass das ein unwahrscheinlich grosses Problem werden wird, zum Beispiel für Obamas Politik im Sozialwesen, um mehr umzusetzen als das, was er angedeutet hat.

Annette Riedel: Jetzt haben Sie, auf Grund Ihrer wunderbaren Vorliebe immer auch noch rückwirkend auf Fragen zu antworten, mir die Chance für 2.814 weitere, die ich gehabt hätte, genommen.

Deshalb an Sie, Herr Volker, ganz zum Schluss noch die Frage, könnte ein Signal der neuen Administration unter Obama sein, dass er tatsächlich sehr, sehr schnell Guantanamo schliesst? Dieses Lager war wahrscheinlich der grösste Fehler für das moralische Standing Amerikas in der Welt, in Sachen Menschenrechtsfragen. Ist es möglich, dass er das schnell dich macht, und die Europäer aber dann mit ins Boot nimmt, und sagt, wie einige Menschenrechtsorganisationen heute gerade verlangt haben, dann nehmt ihr aber auch ein paar derer, die da in dem Lager sind, und nicht vor Gericht gestellt werden können, bei euch auf. Und machen wir es kurz.

Kurt Volker: Ich bin sicher, dass der Herr Präsident Guantanamo schliessen will, Bush wollte das auch. Es gibt Schwierigkeiten dabei. Was macht man mit den Leuten? Die Länder aus denen sie kommen, wollen sie nicht zurück haben. Manchmal kann man nicht sicher sein, wenn sie dann zurückkommen, ob sie dann gefoltert werden, oder misshandelt werden. Aber ich denke, es gibt diese Absicht. Wie schnell er das machen kann, das kann ich nicht vorhersagen.

Annette Riedel: Hey, das war kurz.

Alte Politik in neuem Gewand, wir haben möglicherweise ungefähr 17 Punkte, die man noch hätte diskutieren können, ausgelassen. Aber ich schlage vor, wir treffen uns in ähnlicher Besetzung in zwei, drei, vier Jahren wieder, und kucken einmal was daraus geworden ist. Ich danke allen Beteiligten und Interessierten für das Interesse. Das Forum Pariser Platz verabschiedet sich für heute.