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Jean Asselborn au sujet des objectifs du partenariat oriental
Judith Schulte-Loh: Herr Asselborn, die Idee einer neuen Ostpolitik gibt es in der EU schon seit längerem, durch den georgisch-russischen Krieg hat sie an Dynamik gewonnen. Kann die neue Partnerschaft helfen künftig Konflikte tatsächlich zu vermeiden?
Jean Asselborn: Eigentlich war es als ein Gegengewicht gedacht, diese östliche Partnerschaft, zur Initiative Sarkozy’s für die Union pour la Méditerranée. Da ist eigentlich der Gedanke entstanden und das Ziel ist Stabilität an den Grenzen der europäischen Union im Osten. Es ist auch die Absicht, dass die Europäische Union zeigt, dass wir Interessen haben um die Demokratie, den Rechtsstaat und die Menscherechte in all diesen Ländern die Sie aufgezählt haben auf eine höhere Stufe zu stellen, und dazu natürlich auch noch die wirtschaftlichen Interessen. Die Frage, die Sie stellen, enthält ja auch das Ziel der Partnerschaft. Selbstverständlich müssen wir uns in der Europäischen Union bewusst sein, dass nur durch mehr Kooperation mit diesen Ländern wir mehr Stabilität erreichen können, denn es gibt ja eine dritte Komponente, die heißt Russland.
Judith Schulte-Loh: Wie kann das tatsächlich passieren? Also Aufbau staatlicher Strukturen, OK. Finanzierung gemeinsamer Projekte, auch das ist überschaubar. Die Länder haben natürlich auch ein Interesse daran zum Beispiel dass in Zukunft der auf Visa stärker verzichtet wird um mehr arbeiten zu können, in Länder zu wechseln wie sieht es da aus?
Jean Asselborn: Im Ganzen gibt es eigentlich fünf Zielsetzungen. Als erstes sind die Grundwerte, da fängt ja alles an, Respekt vor den Grundwerten. Die Überwindung auch der gefrorenen Konflikten, des conflits gelés, also ich glaube auf Deutsch nennt man diese gefrorenen Konflikten, in Aserbaidschan, Nagorno, Karabagh und so weiter. Es gibt dann auch bilaterale Interessen, dass wir effektiv zum Beispiel zu einer totalen Freihandelszone kommen. Auch die Visa-Debatte gehört dazu, sowie die Energie-Zusammenarbeit. Wir müssen auch in der Europäischen Union zeigen, oder wir können das jedenfalls versuchen, dass wir zum Beispiel durch die Europäische Investitionsbank versuchen, dass kleine und mittlere Betriebe in diesen Ländern Hilfe bekommen. Auch eine Form von Zivilgesellschaft sollte aufgebaut werden. Wir brauchen nicht nur Finanzierung aus öffentlichen Geldern, auch der Privatsektor sollte mit angesprochen werden und dann glaube ich, dass die EU Kommission ein Mandat erhalten soll um jetzt diese Agenda die wir haben auch zu konkretisieren. Auch hier muss das Ziel ganz klar sein, dass wir nicht nur über wirtschaftliche Beziehungen, sondern vor allem, sagen wir, über das Funktionieren des Staates, die good governance, dass wir versuchen hier uns einzubringen. Das ist ja im Interesse all dieser Menschen die in diesen Ländern leben, dass die Demokratie auf eine höhere Stufe gestellt wird.
Judith Schulte-Loh: Die deutsche Kanzlerin ist heute in Prag dabei, Nicolas Sarkozy, der Franzose, Gordon Brown, der Engländer und der spanische Ministerpräsident Zapatero nicht. Merken Sie das als Distanzierung zur Ostpartnerschaft?
Jean Asselborn: Das Bild, welches wir dann abgeben, sage ich Ihnen ganz klar, ist nicht das beste, denn als es um den Süden ging, als wir diese Union pour la Méditerranée in Paris mit viel Pomp eingeläutet haben wo aber jetzt überhaupt kein Resultat zu sehen ist, waren alle da! Wenn wir zeigen, dass wir nicht interessiert sind mit den Ländern zu kooperieren und die Partnerschaft mit dem Osten zu fördern, gibt das ein wirklich schlechtes Bild. Man hat vielleicht viele Ursachen um nicht zu kommen, aber es gibt einen guten Grund glaube ich, dass wir als Europäische Union, wenn wir diese Initiative schon nehmen wollen, dass wir auch dann voll und ganz dahinterstehen. Das ist ein Zeichen der Europäischen Union, dass die hier, glaube ich, mit unbeschlossenem Auftritt handelt, das könnte misinterpretiert werden.
Judith Schulte-Loh: Misinterpretiert, inwiefern bergen diese Initiativen Mittelmeer-Union, Ostpartnerschaft jetzt die Gefahr dass das gemeinsame Handeln der europäischen Starken immer deutlicher in einzelnen Aktionen verfällt?
Jean Asselborn: Wir haben ja eine Nachbarschaftspolitik die generell ist und zwei Komponenten hat. Das ist der Süden und es ist der Osten. Wenn wie Sie richtig sagen, die Länder nur ihre bilateralen Interessen entweder im Süden oder im Osten verdeutlichen oder ja, also sich darauf konzentrieren, dann wird natürlich dieser Zusammenhang den wir brauchen um in der Nachbarschaftspolitik auch wirklich konzeptuell etwas fertig zu bringen was ja ein europäisches Interesse hat, nämlich die Stabilisierung und die Hilfe die wir anbieten können um den Menschen vor allem, nicht den Ländern den, es geht ja hier nicht um Lukaschenko oder nehmen wir einen anderen, nicht lupenreinen Demokraten dem zu helfen, sondern den Menschen zu zeigen dass die Europäische Union sich für sie interessierten, das muss man im Süden wie im Osten gemeinsam machen.
Judith Schulte-Loh: Sehen Sie die Kraft in der Europäischen Union und wer hat die tatsächlich beides zusammen zu binden?
Jean Asselborn: Die Europäische Union müsste diese Kraft aufbringen. Wir haben ja eigentlich überhaupt keine Alternative dazu. Wir müssen, zum Beispiel im Osten, auch Russland verdeutlichen, dass, wenn die Europäische Union es fertig bringt Stabilität in all diesen Ländern zu etablieren, in diesen sechs Ländern, dass das auch im Interesse Russlands ist. Das ist ein sehr wichtiger Punkt. Und im Süden gibt es ja auch überhaupt keine Alternative, vor allem wenn man sieht welche Explosivität von Maghreb bis zu Syrien in diesen Ländern steckt. Wir haben auch geostrategisch und in Punkto Sicherheit nur eine Wahl und das ist unser Einbringen.
Judith Schulte-Loh: So weit zur Ostpartnerschaft. Herr Asselborn, kurz noch zu einem Thema das uns gleich auch hier im Morgenecho beschäftigen wird, es geht um die Steueroasen und da sind Sie ja, so scheint es, etwas verärgert über unseren deutschen Finanzminister Herr Steinbrück der Luxemburg unter anderem, und andere Staaten, in einem Atemzug mit Burkina Faso genannt hat. Weshalb sind Sie so sauer?
Jean Asselborn: Das Wort ‚scheint’ ist tatsächlich nicht angebracht. Ich bin das und nicht ich alleine hier in Luxemburg bin es. Ich habe mit Schweizer und Österreichische Kollegen gesprochen, die empfinden das auch sehr negativ. Also, das erste: ich verstehe eigentlich nur schlecht, dass so ein gescheiter Mann wie Peer Steinbrück in einer komplexen Sache die eigentlich jetzt gut läuft, und das Bankgeheimnis wird neudefiniert sowohl in der Schweiz wie auch in Luxemburg und in Österreich, dass er sich jetzt so ungeschickt, so aggressiv, so herablassend benimmt. Da müssen Sie mir glauben, da werden Ressentiments außerhalb von Deutschland wieder ausgegraben die eigentlich die Vergangenheit längst hätte zugeschüttet haben müssen…
Judith Schulte-Loh: Das heißt Sie sehen das tatsächlich als eine Belastung zwischen der Beziehungen zwischen Deutschland und Luxemburg an?
Jean Asselborn: Das ist klar, wenn man mit Arroganz, wenn man mit Überheblichkeit, wenn man mit Erniedrigung aus Deutschland operiert, dann ist das Bild was wir uns von Deutschland trotzdem seit Jahrzehnt jetzt gewohnt sind zu machen, nämlich ein Land das kooperativ ist, ein Land was auch versteht, dass kleine Länder auch Interessen haben können, dann wird dieses Bild zerquetscht, und das ist etwas was mir sehr viel Sorgen macht. Und ich rate wirklich Herrn Steinbrück die Notbremse zu ziehen. Ich habe mich auch gestern mit meinem Kollegen Frank Walter Steinmeier darüber unterhalten, und ich bin überzeugt, dass er es fertig bringen wird, mehr Halt zu gebieten.
Wissen Sie, Luxemburg ist nicht Weltmeister im Waffenexport. Luxemburg investiert 1% seines Bruttosozialprodukts in die Kooperationshilfe und wir befolgen die Regeln seit dem 13. März ganz klar so wie die Schweiz und Österreich, was die OECD angeht.
Unser Parlament hat gestern mit allen Stimmen, mit allen Stimmen, die Position von Herrn Steinbrück verurteilt. Das ist etwas, was seit Kriegsende nie geschehen ist in Luxemburg gegenüber einer deutschen politischen Einstellung! Das ist schlimm und das müssten sie unterbinden in Zukunft.