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Jean-Claude Juncker invité de l'émission "Menschen der Woche"
Frank Elstner: Und jetzt meine Damen und Herren, möchte ich ihnen einen Mann gleich vorstellen, der von sich behauptet, er ist mit ganzem Herzblut Europäer.
Reportage: Jean-Claude Juncker auf dem Weg zur Arbeit. Er fährt jeden Morgen selbst zu seinem kleinen Regierungssitz mitten in Luxemburg. Juncker soll heute seine Rede zur Lage der Nation halten. Die Rede ist noch in einem etwas chaotischen Zustand, aber Juncker ist zufrieden.
Bühnenwechsel. Juncker auf dem Weg zum EU-Gipfel in Brüssel. Er ist der Dienstälteste im Club der Staats- und Regierungschefs, sein Land nach Malta das kleinste, aber die Großen hören auf ihn.
Jean-Claude Juncker(O-Toun): Wenn ein Kleiner, oder einer der Kleinsten redet, muss er etwas sagen, was sonst noch niemand gesagt hat.
Journalist: Genau das kann er. Und ist deshalb Liebling der Journalisten. Juncker hat immer etwas für sie dabei. Er scherzt, verteilt kleine Spitzen, oder lästert schon einmal über die bevorstehende Veranstaltung.
Jean-Claude Juncker(O-Toun): Ich gehe hier heiter, und gelassen, und ohne übertriebenen und weitgezogenen Erwartungshorizont in die nicht stattfindende Debatte
Journalist: Er ist ein Schlitzohr, und das Spiel mit den Medien macht ihm so viel Spaß, dass ihn sein Außenminister geradezu zum Gipfel zieht.
Auf der europäischen Bühne zählt der Chef des zweitkleinsten EU-Mitglieds zu den Bedeutenden. Keiner hier hat seine Erfahrung. Sei es der Vertrag von Maastricht, der Euro, oder der Stabilitätspakt, an allen wichtigen EU-Entscheidungen der letzten 20 Jahre hat er mitgewirkt, oft an entscheidender Stelle.
Frank Elstner: Herzlich willkommen, der Premierminister von Luxemburg, Jean-Claude Juncker.
Also erst mal herzlichen Dank, dass Sie tatsächlich wiedergekommen sind. Vor 6 Jahren saßen wir schon einmal hier zusammen [gëtt ënnerbrach]
Jean-Claude Juncker: Man wird mich so schnell nicht los.
Frank Elstner: Wir haben so fröhlich über den Euro damals gesprochen. Ich bin mir nicht sicher, ob wir heute Abend wieder so fröhlich darüber reden werden. Aber ich will nicht mit dem Negativen beginnen, sondern mit dem Positiven.
Lieber Herr Juncker, Sie haben täglich mit allen Politikern in Europa zu tun, meistens werden Sie von den Politikern angerufen, die in dem Moment gerade Sorgen haben.
Ich habe vorhin gesehen, als Sie ankamen, dass Sie wieder raus gerannt sind, an Ihr Telefon, und wieder telefoniert haben. Wer war es heute?
Jean-Claude Juncker: Der möchte nicht, dass Sie das wissen.
Frank Elstner: War es etwas Wichtiges?
Jean-Claude Juncker: Das wird die nächste Woche zeigen.
Frank Elstner: Das heißt, dann nehmen Sie auch kein Wochende frei, auch wenn Sie einmal ein freies Wochenende haben, Politik findet bei Ihnen immer statt?
Jean-Claude Juncker: Also Politik findet immer statt, aber sie findet nicht immer in derselben Art und Weise statt. Samstags und sonntags versuche ich zu Hause zu sein, da kann man auch arbeiten, ohne dauernd herum zu rennen, und so tun, als ob da Veranstaltungen stattfinden würden, die ohne einen nicht stattfinden würden, mag ich nicht so gerne.
Außerdem schlafe ich sonntags, und das hat damit zu tun, dass wir samstags immer “Menschen der Woche�? anschauen, und zwar im Bett, und je nach Qualität der Gäste, schaue ich es auch bis ans Ende.
Frank Elstner: Vielen herzlichen Dank. Eine große Auszeichnung für meine Mitarbeiter, die werden sich das hinter den Stiefel stecken.
Ich habe eine kleine Filmdokumentation gesehen, wo einmal ein Journalist sich Gedanken gemacht hat, wie sieht denn das Leben eines solchen Spitzenpolitikers aus? Und ich möchte von Ihnen gerne wissen, ist das jetzt reine Erfindung, oder hat der die Wahrheit getroffen? Wir gucken uns das gemeinsam an.
Reportage: Mister Euro dürfte sich mittlerweile an den Ablauf gewöhnt haben. Und der geht in Zeiten der Eurokrise so: Erst mit Blaulicht ankommen, die Medienleute bedienen, oder eben auch nicht. Dann umarmen, umarmen, und noch einmal umarmen, und ab in die ellenlangen Verhandlungen. Und danach erklären, beschwichtigen, abwehren, und dabei immer gute Miene bewahren.
Klar, nicht nur wegen der Eurokrise ist Jean-Claude Juncker einer der wichtigsten Politiker Europas. Seit 17 Jahren Premierminister von Luxemburg, Vorsitzender der Eurogruppe, und das seit mehr als 7 Jahren. Er gilt als Vermittler, aber auch als gewiefter Politiker. Als einer der für seine Sache kämpft und auch scharfe Worte findet. Und nach wie vor ist Jean-Claude Juncker ein glühender Europäer.
Frank Elstner: Das mit dem glühenden Europäer wird so sein, nicht?
Jean-Claude Juncker: Es gibt auch Kälteperioden.
Frank Elstner: Sind wir im Moment in einer?
Jean-Claude Juncker: Nein, nein, nein, ich bin schliesslich der Auffassung, dass man jetzt weiter machen muss, und dass man ja auch die Pflicht hat, das klingt jetzt ein bisschen überzogen, auch den Menschen Mut zu machen, indem man zeigt, dass es sich lohnt sich für europäische Belange einzusetzen, weil es sind ja die Belange der Menschen. Es geht ja nicht nur um das Wohlbefinden der goldenen Luxusklasse der internationalen Politik, es geht ja um wesentlich mehr, es geht um die Menschen. Da soll man nicht einfach sagen, jetzt wird es mir zuviel. Aber es ist mir sehr oft zuviel.
Frank Elstner: Also wenn Sie so an die Menschen denken, denke ich an meine Mitarbeiter. Ich habe die alle einmal gefragt, welches ist die zentrale Frage, die jeder von euch an den Juncker stellen möchte? Und da hat jeder etwas anderes gefunden. Darf ich ein paar davon zitieren?
Jean-Claude Juncker: Wenn es nicht zu schlimm ist, ja.
Frank Elstner: Sie werden Mr. Euro genannt, ist das ein Spitz- oder ein Schimpfname?
Jean-Claude Juncker: Ich habe mich noch nie so genannt. Und diejenigen die mich so genannt haben, wollten mir nicht eine Freude machen, sondern wollten den früheren Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Herrn Trichet, ärgern, weil der denkt nämlich er wäre Mr. Euro. Aber ich bin immer noch da, und er ist weg.
Frank Elstner: Zweite Frage. Gibt es den Euro noch in zwei Jahren?
Jean-Claude Juncker: Wieso stellen die, die die Fragen stellen, Ihnen diese Frage, damit Sie mir dieselbe Frage noch einmal stellen? Es wird den Euro noch lange nach uns geben.
Frank Elstner: Das heißt, Sie sind absolut davon überzeugt, das ist unsere Währung, die hält uns zusammen, nur über den Euro kann man überhaupt europäisch denken?
Jean-Claude Juncker: Ich bin der Meinung, dass der Euro auf Dauer eingerichtet ist. Ich bin mir nicht immer sicher, ob er uns so zusammenhält, wie er uns zusammenhalten müsste, weiß aber auch, dass es ohne den Euro Europa als ernstzunehmender Partner im internationalen Geschehen nicht geben könnte, weil wir leben auf dem kleinsten Kontinent, obwohl wir denken, wir wären die Herren der Menschheit, und wir werden immer weniger.
Am Anfang des 20. Jahrhunderts da gab es noch 20% Europäer auf die gesamte Weltbevölkerung bezogen, am Anfang dieses Jahrhunderts noch 11%, Mitte dieses Jahrhunderts 7%, und am Ende des 21. Jahrhunderts wird es noch 4% Europäer geben.
Wer denkt, es wäre klug den Menschen näherzubringen in Sachen Zukunftsgestaltung uns jetzt wieder in kleine Teile zu zerlegen, anstatt das bisschen Volk was wir eigentlich darstellen, zusammenzubringen, damit wir in der Welt gehört werden, der irrt sich hier fundamental.
Es gibt so wenige Europäer - obwohl alle Prachtexemplare - dass wir uns wirklich zusammenraufen müssen, und der Welt den Beweis erbringen müssen, dass wir vieles können, wenn wir vieles wollen.
Frank Elstner: Sie sind seit 17 Jahren im Amt. Herr Kohl war, glaube ich, 16 Jahre im Amt. Das heißt, es gibt ganz wenige Politiker, die das so lange durchstehen, und durchhalten, und natürlich auch diesen Einfluss haben.
Sie haben sehr viele Politiker kommen und gehen sehen, mit denen Sie vielleicht eine Art Freundschaft hergestellt haben, oder ein Dialog der Gleichgesinnten. Sind Sie da zuversichtlich, dass Sie die an einer Hand abzählen können?
Jean-Claude Juncker: Ich habe viele Freundschaften in Europa und über Europa hinaus schließen können, auch über die Parteigrenzen hinweg. Das ist ein relatives irrelevantes Zwischending im Leben. Nein, nein, ich habe mich nicht über Zuwendungen, und Zärtlichkeiten im Umgang miteinander zu beklagen.
Frank Elstner: Dann geben Sie mir jetzt eine Steilvorlage. Es [gëtt ënnerbrach]
Jean-Claude Juncker: Das haben wir doch so abgemacht!
Frank Elstner: Es gibt ein - dieser Mann ist leider wirklich gut - es gibt einen Finanzminister in Spanien, den haben Sie gewürgt, und ich möchte gerne dieses Foto zeigen, damit ich zumindest hier in meinem E-Werk ein paar Zeugen habe, die das bestätigen können. Wir zeigen das Foto jetzt.
Was ist da in Sie gefahren? Was ist mit Ihnen in Spanien passiert? Wie haben die Spanier darauf reagiert?
Jean-Claude Juncker: Ich bin von Zärtlichkeit übermannt worden, weil ich den spanischen Finanzminister sehr mag, und den so oft am Telefon habe, dass ich ihn auch einmal wieder betasten wollte. Und das war aber freundlich. Ich habe ihn mit dem Hals genommen, und er dreht sich um, und dann umarme ich ihn.
Aber das spanische Fernsehen, und die spanische Tageszeitung haben immer nur dieses schreckliche Foto gebracht, weil er schaute auch nicht sehr lustig aus der Wäsche, als ich ihn da zu packen kriegte. Ja das wurde dann später trotzdem in Gänze gezeigt, weil die Spanier waren überhaupt nicht begeistert von diesem Abbild.
Frank Elstner: Also mit anderen Worten, das Bild drückt nicht das aus, was in Wirklichkeit ist. Und als Sie Berlusconi auf den Kopf gehauen haben, gibt es dafür auch so eine Erklärung?
Jean-Claude Juncker: Gibt es da auch eine Einspielung?
Frank Elstner: Nein.
Jean-Claude Juncker: Der hatte das verdient.
Frank Elstner: Eine Rolle die die Luxemburger spielen, und das möchte ich nicht nur auf Sie begrenzen, weil die Luxemburger ebenso sprachbegabt sind, ist dass Sie sehr oft auch Mediatoren sind zwischen den Ländern, weil Sie eben keinen Dolmetscher dazwischen haben müssen, weil Sie direkt miteinander sprechen können.
Wo informieren Sie sich eigentlich, gucken Sie sich das deutsche Fernsehen an, oder das französische, oder das belgische, oder das luxemburgische, oder das britische? Welches ist ihre Hauptinformationsquelle, wenn Sie Fernsehen gucken?
Jean-Claude Juncker: Eigentlich kucke ich mir alle an, und nach Möglichkeit keines.
Weil mich ärgert es maßlos, dass jeder Regierungschef, jeder Finanzminister oder sonst wer in seinem nationalen Fernsehen seine eigene Geschichte erzählt. Und ich war ja dabei, und ich weiß, so war es ja nicht.
Und die Luxemburger haben den Nachteil, weil sie eben mehrsprachig sind, dass sie sich Abendnachrichten, um 19 Uhr fängt das mit dem Heute-Journal, anschauen, und dann wechseln sie zum belgischen und französischen Fernsehen über, und dort erklären alle dauernd, sie hätten sich gegen alle anderen durchgesetzt.
Und wenn ich dann das luxemburgische Fernsehen aufdrehe, dann haben die Luxemburger schon so viele gesehen, die sich durchgesetzt haben, dass ich auf den Teil des Vortrages verzichten kann, und ich beschreibe dann wie es richtig war, und das führt wiederum dazu, dass ich am anderen Tag viele Telefonate zu führen habe.
Frank Elstner: Sie wollen mir ja nicht sagen mit wem Sie vorhin telefoniert haben, aber kann das jemand aus Spanien gewesen sein, weil es soll doch da eine etwas erleichternde Meldung heute gegeben haben?
Jean-Claude Juncker: Es war jemand aus der entfernten Gegend.
Frank Elstner: Aber zu Spanien selbst. Gibt es Erleichterung über Spanien?
Jean-Claude Juncker: Also ich habe es mir abgewöhnt so kurzfristig zu dem was eben erst passiert ist, abschließend Stellung zu nehmen. Ich mag diesen Sofortismus nicht, der darin besteht, dass man sofort zu allem was passiert ist, oder passieren könnte, etwas sagen muss, was dem Ereignis Genüge leistet.
Und ich habe mir, das ist die Reife, die Sie mir schon in den Augen etwas ansehen, und die kommt jetzt, mir jetzt vorgenommen, wenn ich etwas nicht genau weiß, dann sage ich nichts, und ich denke lieber nach bevor ich den Mund öffne.
Das klingt nicht immer so, wie ich weiß, aber ich versuche trotzdem mich zu informieren, genau zu wissen, was ist da passiert, und dann meine Meinung dazu abzugeben. Ich bin jetzt den politischen Kinderschuhen entwachsen, ich muss nicht jeden Abend im deutschen Fernsehen sein.
Frank Elstner: Also mit anderen Worten, sagen Sie, wenn ich etwas sage, dann ist es überlegt, und es kommt aus mir nichts Unüberlegtes mehr heraus.
Jean-Claude Juncker: Ich hätte das besser nicht formulieren können.
Frank Elstner: Sie hatten immer ein sehr gutes Verhältnis zu Helmut Kohl.
Jean-Claude Juncker: Ja.
Frank Elstner: Da habe ich auch ein Bildchen gefunden, wir waren fleißig, da bestätigt er Ihnen, dass Sie eigentlich ein ganz gutaussehender Politiker sind, und Sie fahren ihm über den Bauch, und sagen, er sei auch ganz hübsch. Darf ich Ihnen das einmal zeigen?
Helmut Kohl (O-Toun): Ein schöner junger Mann, und ein älterer.
Jean-Claude Juncker (O-Toun): Ja, du bist aber auch schön.
Frank Elstner: Wie ist Ihr Verhältnis heute zu Helmut Kohl?
Jean-Claude Juncker: Mein Verhältnis ist gut, und ungetrübt. Ich war auch als es ihm schlechter ging - ich rede jetzt nicht von seiner Gesundheit, weil der geht es nicht gut, sondern politisch schlechter ging - nicht jemand der auf ihm herumgetreten ist. Es hat ja genügend Menschen gegeben, hier im Land und sonst wo, die das getan haben.
Ich habe das nicht gemacht, weil Kohl sich um Deutschland und um Europa verdient gemacht hat. Er hat nicht jedem es recht gemacht, hat auch einiges getan das er hätte unterlassen können.
Aber für mich bleibt Kohl ein großer Mann, und ich bin froh ihn im Leben kennengelernt zu haben.
Frank Elstner: Es würde mich jetzt einmal interessieren, wenn wir so eine Politikerliste durchgehen, bei wem Sie noch sagen, ich bin froh den kennengelernt zu haben. Was macht eigentlich Herr Sarkozy?
Jean-Claude Juncker: Den habe ich auch kennengelernt.
Jean-Claude Juncker: Und haben Sie auch Carla Bruni kennengelernt?
Jean-Claude Juncker: Ja.
Frank Elstner: Und mögen Sie ihre Musik?
Jean-Claude Juncker: Haben Sie noch weitere Zusatzfragen?
Frank Elstner: Nein, was mich interessieren würde, wenn die großen Politiker zusammen kommen, dann können die doch nicht immer nur über die große Politik reden.
Jean-Claude Juncker: Ja, Gott sei Dank.
Frank Elstner: Man wird doch auch über die privaten Dinge reden.
Jean-Claude Juncker: Ja, das ist auch so. Ich habe auch mit Nicolas Sarkozy ein eher gutes Verhältnis gehabt, obwohl die halbe Weltpresse schreibt, dass wir sehr viel Krach gehabt hätten, was auch wiederum stimmt. Aber so von Mensch zu Mensch, und von du zu du war das eine ordentliche Beziehung. Aber es hat bessere gegeben.
Frank Elstner: Wie ist denn jetzt Ihre Beziehung zu Monsieur Hollande? Man hat das Gefühl, dass er über Sie besonders gut spricht.
Jean-Claude Juncker: Ja, ich kann den französischen Präsidenten ja nicht davon abhalten, sich die Wirklichkeit genau zu betrachten, und sie dann zu beschreiben. Aber ich kann sehr gut mit François Hollande, habe ihn auch kennengelernt bevor er Präsident der Republik war, und ich kann gut mit ihm.
Frank Elstner: Jetzt sagen ja viele Leute, an der Spitze Europas müsste ein Mann wie Juncker stehen. Ist das überhaupt noch Ihr Ziel?
Jean-Claude Juncker: Nein.
Frank Elstner: Warum nicht?
Jean-Claude Juncker: Es hat eine Zeit für alles. Es hat einmal eine Zeit gegeben, wo ich mir hätte vorstellen können das machen zu wollen. Das war nicht 2004, da hätte ich ohne größere Probleme Präsident der Kommission werden können, als es darum ging den ersten Präsidenten des Europäischen Rates zu bestellen, hätte ich nicht nein gesagt, wenn alle mich gefragt hätten, es haben aber zwei gefehlt.
Frank Elstner: Welche?
Jean-Claude Juncker: Die. Wir haben eben über einen geredet. Ich hatte ja bessere Beziehungen als die.
Ich möchte das wirklich nicht mehr machen, ich habe auch nicht wirklich gekämpft um das zu werden. Ich finde es auch blöd da jedem zu telefonieren, und zu sagen, ich bin der Größte, der Tollste, ohne mich geht das überhaupt nicht hier. Nein, nein, nein, das hat sich nicht so ergeben, und das wird sich auch nicht mehr ergeben, auch wenn es, wenn andere denken, es müsste ja gehen. Ich mache das nicht.
Ich hätte es damals gemacht, nur nicht sehr gerne, weil ich stehe auch im Wort bei meinen Luxemburgern. Ich bin ja in Luxemburg gewählt worden. Ich hätte da auch einige Probleme gehabt da einfach so Luxemburg den Rücken zu kehren. Aber ich möchte Premierminister in Luxemburg bleiben. Auch das ist ähnlich wie die Präsidentschaft der Eurogruppe: Nicht an allen Tagen vergnügungssteuerpflichtig! Aber solange die mich ertragen, müssen sie mich ertragen.
Frank Elstner: Das heißt, die nächsten Wahlen in Luxemburg sind, glaube ich, in zwei Jahren?
Jean-Claude Juncker: 2014 ja.
Frank Elstner: Und wollen Sie dann wieder antreten?
Jean-Claude Juncker: Ja.
Frank Elstner: Das ist doch aber immerhin eine Botschaft, die habe ich noch nicht oft gehört. Ist das [gëtt ënnerbrach]
Jean-Claude Juncker: Ich habe heute zu meinen Mitarbeitern gesagt, er tut immer so, als ob er jemanden nicht zum Reden bringen könnte, und wenn man dann rausgeht, dann hat er es trotzdem wieder geschafft.
Frank Elstner: Haben Sie einen Wunsch an die Deutschen?
Jean-Claude Juncker: Dass sie uns die guten Nachbarn bleiben, die sie uns geworden sind. Und ich bin auch davon überzeugt, dass sie das bleiben werden.
Frank Elstner: Ich möchte jetzt noch einmal zwei Dinge zitieren, die man Ihnen in den Mund gelegt hat, um Ihnen die Chance zu geben, zu sagen, ja stimmt, oder stimmt nicht.
Erster Satz. "Politiker müssen lügen, wenn es besonders ernst wird."
Jean-Claude Juncker: Ich habe, entgegen der Wahrheit, ja gesagt. Nein, es ist, das ist eine ernste Sache. Das war so.
Ich war in Brüssel, und eigentlich guter Laune, und habe einen Vortrag in Brüssel gehalten, der war auch okay.
Und dann steht ein aufgeregter Mensch auf im Saal, von der Bayrischen Landesvertretung, dort gibt es ja viele Aufgeregte, und der sagt: "Also mein lieber Herr Juncker, das ist ja schön und gut was Sie sagen, aber Sie müssten diese Sitzungen der Eurogruppe direkt im Fernsehen übertragen."
Und dann habe ich gesagt: "Sind Sie verrückt geworden?" Die Dinge über die wir da reden, kann man nicht direkt im Fernsehen übertragen, weil da hören viele zu, die Finanzmärkte hören zu, nicht nur die Bürger Europas hören zu. Und wenn ich als Chef der Eurogruppe, oder andere, miteinander streiten, das kommt dort vor, sie müssen sich ja die Gespräche, die ich mit dem griechischen Kollegen, und dem spanischen führe ja nicht unbedingt von gehobener Zärtlichkeit getragen vorstellen. Also da kracht es auch manchmal.
Und dann sagt der andere Minister, nein, nein, nein, das kann ich so nicht machen, mein Parlament sieht das so, und die Öffentlichkeit sieht das so, und die Finanzmärkte sehen das so, und die Finanzanalysten sehen das so.
Und dann antworten andere darauf, die ihm sagen, nein, nein, nein, das musst du jetzt tun, auch wenn du es nicht tun möchtest, und dann geht der nach Hause, und dann sagt er, ich mache das, weil die anderen gerne hätten, dass ich das mache.
So kann ich mit anderen nicht umspringen. Und dann habe ich gesagt, wenn es ernst wird, muss man lügen. In dem Kontext, den ich aber erweitert hatte, um Anekdoten die es in sich haben, weil ich erklärt habe, bevor es den Euro gab, wurden wir Finanzminister alle paar Wochen, Freitag nachmittags, ohne Vorwarnung für sonntags und samstags nach Brüssel bestellt, um Auf- und Abwertungen vorzunehmen. Und jeder Finanzminister dem man Freitag mittags um 3 Uhr die Frage gestellt hat, ob die Sitzung stattfindet, hat gesagt, nein.
Weil die Finanzmärkte sind ja noch offen. Wir sind ja nicht da, damit die Spekulanten der Welt alles Mögliche an Geld anhäufen, wir sind ja da um denen zu dienen, für die wir Verantwortung übernommen haben.
Und jetzt muss ich mich dauernd von der deutschen überregionalen Presse als Lügner bezeichnen lassen, und bezeichne sie als die Freunde der Spekulanten.
Frank Elstner: Ja, das ist doch eine klare Aussage.
Jean-Claude Juncker: Ja.
Frank Elstner: Gehen wir noch einmal zurück [gëtt ënnerbrach]
Jean-Claude Juncker: Ich hätte sagen müssen, man darf nicht immer die ganze Wahrheit sagen. Aber die Frage wurde auf Englisch gestellt, und ich habe keine Nuancen im Englischen.
Frank Elstner: Ein kleines Zwischenspiel. Sie sind Ehrendoktor einer Universität in Athen.
Jean-Claude Juncker: Auch.
Frank Elstner: Als man Ihnen das angetragen hat, haben Sie da gewusst in welcher schwierigen Situation die Griechen sind?
Jean-Claude Juncker: Ja, ja. Da waren wir schon mittendrin.
Frank Elstner: Und das haben Sie dann angenommen, sozusagen als Zeichen, ich will euch helfen?
Jean-Claude Juncker: Nein, nein, nein, ich habe das angenommen wie andere Ehrendoktortitel auch, als der Ausdruck der Anerkennung für das was ich tue. Da bin ich sehr eitel in diesen Dingen.
Frank Elstner: Sie haben auch das "Goldene Schlitzohr" bekommen.
Jean-Claude Juncker: Ja, und das passt noch besser.
Nein, aber ich bin nach Griechenland, weil ich auch mit den griechischen Kollegen vieles zu besprechen hatte. Hätte ich diese Ehre der Athener Universität, das ist ja nicht irgendeine Universität, abgelehnt, wie hätten denn die Griechen das empfunden zu Beginn der Krise? Das konnte ich, und doch durfte und wollte ich nicht ablehnen.
Frank Elstner: Jetzt stellen wir uns einmal vor, wir fahren gemeinsam nach Spanien, und Sie sprechen mit einem Demonstranten in Madrid. Was sagen Sie dem?
Jean-Claude Juncker: Also, das kommt mir regelmäßig vor, und ich gehe dem auch nicht aus dem Weg.
Also wenn sie da zähnefletschend auf mich zustürzen, und mit Drohungen und Gebärden, dann versuche ich mich in die Hände derer zu begeben, die mich auf derartigen Reisen begleiten.
Aber normalerweise rede ich mit Demonstranten, wenn sich die Gelegenheit ergibt, weil die Menschen bringen etwas zum Ausdruck. Und die Menschen in Spanien, in Portugal, in Irland, in Griechenland, und sonst wo sind ja nicht übermäßig happy mit dem was wir da tun, und die treibt ja eine ernste Sorge um, nämlich die Sorge: Wie geht es weiter mit dem Euro, mit unserem Leben, was wird aus meinen Kindern werden, werde ich morgen meine Schulden auf meinem Haus noch abtragen können, werde ich morgen noch in Arbeit sein oder gehe ich morgen zum Arbeitsamt?
Frank Elstner: Ich finde es interessant, dass Sie jetzt alle meine Fragen stellen.
Jean-Claude Juncker: Ja ich habe mir das vorher angesehen.
Frank Elstner: Das steht nicht drauf.
Jean-Claude Juncker: Nein, also ich bin dagegen, obwohl ich manchmal auch so wirke, einfach abgehoben durch die Gegend zu fahren.
Den Menschen geht es schlecht dort. Und wir können nicht so tun, als ob es ihnen gut ginge. Also muss man mit den Menschen reden, anstatt nur über die Menschen zu reden, und für sie Entscheidungen zu treffen. Ich rechtfertige mich gerne bei den Menschen, die von meinen Entscheidungen betroffen sind.
Frank Elstner: Es gibt noch ein Zitat von Ihnen, das habe ich mir sogar grün angestrichen hier: “Wir müssen wieder uns lieben lernen�?. Damit meinen Sie, dass wir europäische Kernländer mehr über unsere Gemeinsamkeiten nachdenken sollten?
Jean-Claude Juncker: Also mich macht besorgt, dass wir viel übereinander reden, aber relativ wenig voneinander wissen.
Wir reden hier in Deutschland, oder in Luxemburg über Südgriechenland. Was wissen wir denn über die Lebensverhältnisse in Südgriechenland? Was wissen wir über die Befindlichkeiten in Sizilien? Was wissen die Lappen oben in Finnland über die Südluxemburger? Nichts!
Aber wir müssen ja vieles gemeinsam tun, und deshalb müssen wir uns, müssen wir mehr übereinander wissen lernen. Und erst wenn man weiß, weiß man wieso man liebt, weil wenn man liebt ohne zu wissen wieso, dann verschwindet entweder das Wissen oder die Liebe.
Frank Elstner: Was können Sie dazu beitragen, dass wir mehr über uns lernen?
Jean-Claude Juncker: Ja ich kann zum Beispiel Samstag abends zu Frank Elstners Sendung gehen, und dann versuchen eine gute Figur zu machen. Ich kann Interviews geben, ich kann mit Menschen reden.
Luxemburg hat einen großen Vorteil. Ich dürfte das eigentlich nicht sagen, aber es ist so. Ich lasse mich nicht bewachen, wenn ich in Luxemburg bin. Ich gehe gerne durch die Stadt, lasse mich stoppen, das ist manchmal unangenehm, im Regelfall zwar angenehm, und ich rede mit vielen Touristen die nach Luxemburg kommen, Deutsche, Chinesen.
Es kommen schrecklich viele Chinesen nach Luxemburg, aus dem ganz einfachen Grund, weil das Karl-Marx Geburtshaus in Trier steht, und wenn sie sich das Karl-Marx Geburtshaus in Trier angeschaut haben, die wussten ja schon vorher alles was es da zu sehen gäbe, dann sind die froh nach Luxemburg zu kommen, und dann bin ich froh manchmal mit ihnen reden zu können, weil ich mag die Chinesen sehr.
Frank Elstner: Ist dieser Chinesenwitz von Ihnen, oder ist der mir nur böswillig kolportiert worden? Warum Luxemburg den Chinesen nicht den Krieg erklärt hat.
Jean-Claude Juncker: Nein, das erkläre ich den Chinesen regelmäßig. Wir hätten schon längst Krieg gegen China geführt, wenn wir genügend Platz im Lande hätten um die Gefangenen unterzubringen.
Die Chinesen sind ein außergewöhnliches Volk. Aber die mögen Witze sehr, deren Spitzenpolitiker eigentlich nicht, das ist mir aber immer ziemlich egal gewesen.
Ich bin relativ befreundet mit dem chinesischen Premierminister, der jetzt auch ausscheidet. Ich werde jetzt die Nummer 5 in der Reihenfolge der chinesischen Premierminister kennenlernen. Und wenn ich in China bin, oder in Brüssel, dann nehme ich den immer so an der Schulter, weil wir offen über kleine und große Länder reden, und so, und dann sage ich, lieber Kamerad Wen, denkst du auch manchmal daran, wenn wir beide hier so zusammen stehen, dass wir dann ein Drittel der Menschheit darstellen?
Frank Elstner: Unsere Sendezeit ist zu Ende. Ich bin ganz sicher alle die im Bett die Sendung gesehen haben, sind nicht eingeschlafen. Ich wünsche Ihnen eine stabile Gesundheit, uns allen, dass wir uns immer mehr lieben, und dass all das, was große Europäer sich wünschen, vielleicht doch noch eintritt eines Tages. Und danke Ihnen für Ihren Besuch.
Jean-Claude Juncker: Ich bedanke mich. Gute Nacht.