Rede des Premierministers Jean-Claude Juncker anlässlich des Churchill Symposiums (Zürich)

Good evening, guten Abend

Ich möchte mich zuerst dafür bedanken, dass ich hier stehen darf und vor allem dem Premierminister Serbiens und den schweizerischen Aussenminister, Bundesrat Joseph Deiss, sowie Lord Jenkins, meine Anerkennung dafür zollen, dass ich in ihrem Schatten und in ihrem Kreis heute abend hier auftreten darf.

Nun habe ich hier erfahren, dass ich 25 Minuten reden soll. Das war eine wissenswerte Information, weil das normalerweise der Zeitanteil ist, den ich brauche, um in der Hälfte meiner Einführung zum eigentlichen Thema anzugelangen. Ich werde deshalb auf die Einführung verzichten und Ihnen auch die Schlussfolgerungen überlassen - so sparen wir am Anfang und am Ende - und ich komme sofort zur Sache...

Sache ist, dass wir uns hier in Zürich der Churchill-Rede erinnern. Ich bin eigentlich dankbar für den Hinweis, dass dies keine pietätvolle Veranstaltung ist, sondern dass diese Veranstaltung etwas mit dem richtigen Leben von heute zu tun haben soll. Trotzdem muss der Hinweis auf die Gründungsrede von Churchill '46 in Zürich erlaubt sein, denn in dieser Rede steht viel, und manchmal täten viele gut daran, die Rede zu lesen und die daraus gewonnene Erkenntnis nicht nur zu mehren, sondern sie auch zur praktischen Anwendung zu bringen.

Luxemburg hat zur Zeit den Vorsitz des Ministerrates des Europarates, insofern ist es fast Zwangslektüre aller luxemburgischen Minister geworden, noch einmal in die Gründungsrede von Churchill zu blicken und sich mit dem zu beschäftigen, was dort steht, und die perspektivische Kraft dieses Mannes in vollem Umfang zu genießen.

Denn, vieles, was in diesen Monaten und Jahren vor sich geht, wird skizzenhaft mit architektonischer Treffsicherheit von Churchill in seiner 46-er Rede beschrieben, respektive angemahnt. Da ist beispielsweise der Europarat, eine internationale Organisation, der sich die Schweiz nicht auf Dauer verschliessen sollte. Dass der Europarat heute 43 Mitglieder hat, dass die parlamentarische Vollversammlung vor einigen Wochen ein Votum darüber abgegeben hat, dass auch das frühere Ex-Jugoslawien - ein unmögliches Wort, um ein so schönes Land zu beschreiben - Mitglied des Europarates wird, hat eigentlich seinen Ursprung in dieser originellen Churchill-Skizze, weil Churchill 1946 in Zürich auf das Notwendige und Harmonische von grossen und kleinen Staaten verwiesen hat. Die kleineren Staaten Europas haben übrigens die Richtigkeit dieses Satzes nie ernsthaft in Zweifel gezogen - andere tun sich mit dieser Einsicht des gesunden Menschenverstandes etwas schwerer als wir kleiner geratenen.

Ausserdem hat Churchill 1947 - ein anderes wichtiges Churchill-Datum - anlässlich der grossen Europa-Konferenz in Den Haag, an der auch Adenauer, Spaak, Mitterrand teilnahmen, gesagt, als er am Höhepunkt seiner moralischen Autorität angekommen war, dass "wir jetzt in Westeuropa das beginnen, was wir eines Tages in Ost- und Mitteleuropa zu Ende führen werden". Genau dies ist passiert und deshalb trifft der Satz von Helmut Kohl zu - er hat ja letztes Jahr hier in Zürich geredet - dass die eigentlichen Realisten in Europa die Visionäre sind. Dieser Kohlsche Satz, trifft auch wirklich zu, weil diejenigen, die geträumt haben, diejenigen, die Hoffnung hatten, diejenigen, die stark genug waren, um Perspektiven nicht für sich selbst, sondern für den Kontinent zu entwerfen, haben letztendlich Recht behalten und es gehört zu der grossen Lebensleistung der Männer und Frauen dieser Generation, dieser Kriegsgeneration, dass sie eigentlich Ernst gemacht hat, zum allerersten Mal in der europäischen Geschichte, mit diesem ewigen Nachkriegssatz: "Nie wieder Krieg!". Das sagen die Menschen immer nach einem Krieg und dies führt immer zum Gebet der Kriegsopfer, aber zum allerersten Mal in der Gestaltung der Geschichte unseres Kontinentes haben die Europäer es nach diesem schrecklichen Zweiten Weltkrieg geschafft, wirklich Ernst zu machen mit dieser Parole, die sie zur Maxime jedweden politischen Handelns auf unserem Kontinent zu machen verstanden.

Dieses Lob derjenigen, die mit der Gnade der späten Geburt durch die Geschichte wandeln oder wohl eher durch die Geografie wandeln, dieses Lob trifft nicht nur auf die Staatsmänner dieser Zeit zu, denn die hätten überhaupt nichts machen können, wenn die Menschen, die Männer und Frauen, die damals lebten, die aus den Konzentrationslagern zurückkamen, die von den Frontabschnitten zurückkamen, den Kopf hängen gelassen hätten und die Ärmel nicht hochgekrempelt hätten, und die jeden Grund der Welt dazu gehabt hätten. Wenn diese das nicht auch gewollt hätten, dann hätte dieser positive und friedliche Schlachtruf eigentlich zu keinem Ergebnis führen können. Die Jüngeren unter uns sollten sich dieser Kriegsgeneration dankbar erinnern, denn eigentlich sind wir vor allem Erben einer Arbeit, die andere für uns geleistet haben. Und wenn ich mir die Schwermütigkeit ansehe, mit der sich noch nicht einmal 50jährige Zeitgenossen durch die Schwere der Zeit schleppen, wenn ich mir das Wehklagen in allen möglichen deutschsprachigen elektronischen öffentlichen Medien anhöre, dann ist es gut, dass unsere Väter und Mütter in der Zeit gelebt haben und nicht wir, denn wir hätten überhaupt nicht hingekriegt, was die hingekriegt haben.

Insofern ist auch diese Churchill-Stadt eine wichtige Station auf dieser grossen europäischen Entdeckungsreise in die europäische Zukunft. Und die Europäische Union, die auf der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl gründet - sechs Gründungsmitglieder damals 1952 als Kohle und Stahl, diese Kriegsinstrumente der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts in europäische Hände übergeben wurden, damit aus diesem Kriegsmaterial nicht wieder Kriegsgefahr entstehen konnte - ist jetzt auf dem Sprung, sich nach Ost- und Mitteleuropa sowie nach Zypern und Malta zu erweitern. Wobei ich nebenbei bemerkt die Vokabel "erweitern" eigentlich nicht so sehr mag; "Beitritt" der ost- und mitteleuropäischen Staaten und der Mittelmeerstaaten wäre schon angebrachter und "europäische Zusammenführung" ist das eigentliche Wort, das auf diese Gefühlslage und Gemengelage passt.

Wir führen heute den europäischen Kontinent wieder zusammen und zerbrechen dieses schreckliche Nachkriegsdekret, das wollte, dass Europa auf ewige Zeiten in zwei Teile zerteilt und getrennt werden sollte.

Dieser kontinentale Genuss der wiedergefundenen Einigkeit ist, in der Tat, etwas, worüber wir uns jeden Tag aufs Neue freuen sollten, weil die europäische Zukunft einfacher, gestaltbarer, sogar fröhlicher geworden ist.

Wir führen ja nicht nur Staaten zusammen, wir bringen nicht nur Länder zusammen. Wir führen ja Menschen zusammen - mit ihren gebrochenen Biografien, mit ihren wieder aufgegriffenen Biografien, mit ihren Träumen, ihren Hoffnungen und ihrem kulturellen Reichtum.

Deshalb ist dies, bei aller Mühsal, die es auf diesem Weg gibt, eigentlich eine schöne Zeit und eine gute Zeit für diejenigen, die politisch handeln dürfen, weil wir hier an einem Werk teilnehmen dürfen, das weit in die Zukunft hineinreicht und dessen friedensausstrahlende Atmosphäre jetzt schon sphärenhaft überall in Europa auch direkt zu erfahren ist.

Nun streiten Europäer ja meist übers Geld statt über Prinzipien und die Frage wird sehr oft gestellt "was kostet denn die ganze Erweiterungsveranstaltung?" Dies ist - um dies mal gelinde auszudrücken - eine dumme Frage. Ich sage dies als Finanzminister - was ich zusätzlich auch noch bin – und welche ja mindestens theoretisch etwas vom Umgang mit Geld verstehen. Die Europäische Union bringt ganz genau 1,27% ihres Bruttosozialproduktes für die Gestaltung und für die Finanzierung ihrer Politik auf - 1,27% des nationalen, kumulierten Reichtums der Europäischen Union, um auf Dauer Frieden, Stabilität und Sicherheit auf unserem Kontinent zu bewerkstelligen. Noch nie in der europäischen Geschichte hat es für so einen niedrigen Preis so viel Frieden und so viel Wohlbefinden auf unserem Kontinent gegeben und deshalb sollte man nicht über Heller und Pfennig oder über den Euro und Cent streiten, oder Franken und Rappen, und alles was es da noch so gibt, sondern sich des geschichtlichen Momentes bewusst werden.

Ich weiss auch, dass die Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa in vielen Ländern der Europäischen Union nicht populär ist und dass es Umfragen zuhauf gibt, die belegen, dass viele in Westeuropa die Europäische Union eigentlich lieber als geschlossenen Verein der Westeuropäer in die Zukunft retten würden.

Aber, meine Damen und Herren, wenn es darum geht, Geschichte zu machen, dann darf man nicht Meinungsumfragen lesen, sondern man muss in den Geschichtsbüchern nachblättern. Dort steht alles drin, was man wissen muss über die aussergewöhnliche Schwierigkeit mit der dramatischen Frage zwischen Krieg und Frieden, welche die Menschen in Europa immer wieder gekannt haben. Europa bleibt ein komplizierter Kontinent, und wer denkt, mit einfachen Parolen und einfachen Instrumenten, die europäische Friedensordnung aufrecht erhalten zu können, der irrt sich fundamental.

Deshalb müssen wir diese Erweiterung nach Ost- und Mitteleuropa finanzieren und uns im Verhältnis zu den Staaten, die der Europäischen Union beitreten wollen, auch ihres Beitrittes würdig erweisen.

Mich stört sehr, dass viele im Kreise der Europäischen Union diesen Beitrittsstaaten letztendlich mit sehr viel Hochnäsigkeit entgegentreten. Dabei ist für mich die Transformationsleistung, die diese Staaten in Ost- und Mitteleuropa in nur zehn Jahren zu bewerkstelligen wussten, aussergewöhnlich beeindruckend. Ich bewundere sehr, dass es trotz dieses enormen Transformations- und Anpassungsstresses in diesen Ländern eine breite Zustimmung zur Europäischen Union und damit auch zur europäischen Friedensordnung gibt.

Deshalb sollten wir uns nicht darum bemühen, den Menschen in Ost- und Mitteleuropa dauernd zu erklären, dass sie eigentlich Glück hätten, der Europäischen Union beitreten zu können, sondern wir sollten auch zur Kenntnis nehmen, dass auch wir Glück haben, dass die Menschen aus Ost- und Mitteleuropa wieder in die europäische Familie zurückkehren – eine Familie, die sie eigentlich nie verlassen haben, weil Budapest und Prag und Warschau und Sofia und Belgrad so gut wie Zürich oder wie Luxemburg oder wie Berlin, Strassburg und Brüssel alle europäische Städte sind.

Deshalb sollte man diese Wiedervermählung von europäischer Geografie und europäischer Geschichte mit Erleichterung zur Kenntnis nehmen und weniger stirnrunzelnd in diese europäische Zukunft losmarschieren.

Das, was jetzt mit den zehn Ländern aus Ost- und Mitteleuropa und Zypern und Malta vonstatten geht, dies wünsche ich mir auch für andere Teile des europäischen Kontinents. Auch die Länder des Balkans, auch Serbien, dessen Premierminister wir heute Abend hier begrüssen, haben eine europäische Berufung. Es steht nirgendwo geschrieben, dass es eine Höchstmitgliedszahl für die Europäische Union gibt. Ich weiss wohl, dass sich vieles im Kern der Europäischen Union ändern muss, damit die Gesamtprozesse beherrschbar und gestaltbar bleiben. Es ist ein Unterschied, ob man eine Europäische Wirtschaftsgemeinschaft mit sechs Staaten oder eine Europäische Union mit 25, 27 oder vielleicht übermorgen mit zwei- oder dreiunddreissig Staaten ist. Es wird eine erhebliche Kraftanstrengung von allen erfordern, die an diesem Werk beteiligt sein werden, damit dieses Werk auch gelingen kann. Da braucht es interne Reformschübe - das geht manchmal etwas schleppend vonstatten, das geht auch nicht ohne Zeter und Mordio über die Bühne. Aber da müssen sich Grosse und Kleine wiederum zusammenraufen um eingedenk der Erinnerung, dass die europäische Nachkriegserfolgsgeschichte auch deshalb eine wurde, weil kleine und grosse Staaten harmonisch miteinander leben. Grosse und Kleine müssen wieder zu dieser harmonischen kontinentalen Ordnung, indem sie neue Kraft schöpfen, zurückfinden.

Nun fehlt eigentlich bei diesem eher positiven Gesamtbild die Rubrik des Realismus und des gesunden Menschenverstandes. Diese Rubrik ist auch angenehmer, weil weniger stark besetzt als andere.

Nun gibt es bei allen Klagen über das, was in Europa nicht richtig vonstatten geht, eine ungenügende Koordinierung der Wirtschaftspolitik im Rahmen der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, riesengrosse soziale Defizite, weil es so etwas wie eine voll ausgewachsene soziale Dimension in der Europäischen Union nicht gibt. Bei allen Klagen über eine sich mangelhaft artikulierende gemeinsame Aussen- und Sicherheitspolitik, bei allem Staunen darüber, dass viele, die etwas weniger klein geraten sind von ihrer territorialen Macht als Luxemburg, und andere immer denken, sie wären doch tonangebend in Europa, bei allen Klagen über diese unzufriedenstellenden Aspekte europäischen Zusammenwirkens habe ich doch vorherrschend das Gefühl, dass wir die Dinge im Griff haben und dass die europäischen Dinge ihren richtigen Lauf endlich genommen haben.

Uns fehlt eigentlich nur, Herr Bundesrat, die Schweiz in der Europäischen Union. Nun gehöre ich zu denen, die denken, die Schweiz müsse Mitglied der Europäischen Union werden - und Sie gehören zu denen, die sagen, was geht das den überhaupt an, sich zu der Frage zu äussern - und da haben Sie wahrscheinlich Recht, wenn auch nicht ganz, weil es ist auch im Interesse der Europäischen Union, dass die Schweiz eines Tages Mitglied der Europäischen Union wird. Nur habe ich es mir angewöhnt - weil ich kein intimer, aber doch trotzdem ein nicht oberflächlicher Schweiz-Kenner bin - meinen schweizerischen Freunden nicht daherzukommen mit klugen Ratschlägen und Lektionen. Ich bin ein Spezialist für kleine Länder, obwohl ich aus einem Grossherzogtum komme, und ich weiss, wenn man kleinen Ländern von aussen her, so von den Zuschauerrängen der Weltgeschichte, mitteilt, wie eigentlich gespielt werden müsste, damit der Verein auch Zugang zur Liga hat, dass dann in kleineren Staaten Unverständnis und regelrechte Bockigkeit ausbricht - so ist das bei uns und bei Ihnen ist das genauso, da man das einfach nicht mag. Ich glaube, die Schweiz lebt nicht gerne in einem Umfeld, wo eigentlich nur Lektionen und Sanktionen auf die Schweiz hereinbrechen und ich habe mich dieser Tage in der Europäischen Union selbst gegen diese Sanktionsdrohung gegen die Schweiz sehr gewehrt. Nicht, weil es hier eine gemeinsame Interessenlage zwischen der Schweiz und Luxemburg gäbe - die gibt es teilweise auch, aber nur teilweise - sondern weil ich das einfach nicht mag. So redet man nicht mit Freunden. Und so kann man kein Verständnis für ein konstruktiv gestaltendes Aufeinanderzugehen gewinnen. Man kann die Schweiz diesbezüglich nicht behandeln wie einen geografisch und gefühlsmässig und ambientemässig und befindlichkeitsmässig von uns interkontinental weit entfernten Staat der Welt. Europäische Union und Schweiz haben gemeinsame Aufgaben in Europa zu erledigen, das sollten sie auch tun und das setzt voraus, dass jeder über den anderen wenig redet, und dass wir intensiv miteinander reden, damit wir diese Probleme auch im steuerlichen Bereich in den Griff kriegen.

Mein Wunsch ohne Lecturing wäre, dass die Schweiz Mitglied der Europäischen Union wird, nicht nur weil dann die Rubrik des gesunden Menschenverstandes etwas reichhaltiger ausstaffiert wäre - der gesunde Menschenverstand setzt sich in Europa schwer durch, weil er sehr unterschiedlich verteilt ist und deshalb ist es gut, wenn man ihn in massierter Form auch institutionell zum Tragen bringt - sondern weil ich als jemand, der seine Sommerferien immer in Locarno verbringt und der die schweizerische Politik und die, die sie gestalten, intensiv verfolge, merke, dass die Schweiz sich doch sehr oft in der Lage befindet, sehr genau zu studieren, was die Europäische Union an Gesetzesgebungsverfahren auf den Weg gebracht hat und sich dann im edlen Wettbewerb der Eurokompatibilität immer wieder unter Beweis stellen muss. Es ist einfacher, wenn man an dem Tisch sitzt, an dem die Entscheidungen getroffen werden, auf die man Einfluss nehmen kann, die man mitgestalten kann, als dass man eigentlich nur auf den Zuschauerrängen sitzt und dann irgendwo und irgendwie versuchen muss sich dieser so entstandenen Lage anzupassen, und die Schweiz hat ja auch den Europäern vieles mitzuteilen. Ich verstehe sehr oft nicht, wenn ich so mit schweizerischen Freunden rede, wieso man so duckmäuserisch manchmal durch die Gegend läuft. Ich finde das überhaupt nicht angebracht, dass man sich dafür entschuldigt, dass hier noch so etwas wie direkte Demokratie zur Anwendung gelangt. Ein bisschen mehr Demokratie im Rest der Welt wäre eher angebracht als ein bisschen weniger Demokratie in der Schweiz. Insofern muss man sich nicht für derartiges dauerhaft entschuldigen und der kulturelle Reichtum der Schweiz, dieses geschickte Miteinanderauskommen aus verschiedenen Kulturkreisen herkommend und aus verschiedenen Kulturkreisen auch zehrend, ist etwas, was die Europäische Union durchaus bereichern und anreichern würde.

Insofern wäre das mein Wunsch, dass die Schweiz eines Tages Mitglied der Europäischen Union wird. Dies ist eine Entscheidung der Schweizer, dies ist nicht eine Entscheidung der anderen Europäer - die geben zur Zeit ja manchmal den Eindruck als hätten Sie es lieber, die Schweiz wäre nicht in der Europäischen Union, denn man droht ja zukünftigen Mitgliedern nicht unbedingt mit Sanktionen. Aber fragen Sie mal die Österreicher wie das geht, wenn man als Mitglied sogar Sanktionen erlebt. Insofern würde ich Sie bitten, dies mit einer gewissen philosophischen Distanz über sich ergehen zu lassen. Es wird eh nicht dazu kommen, weil ich als luxemburgischer Regierungschef mich in allen Fällen dagegen wehren werde, dass dies passiert. Das wird so nicht geschehen, aber das ist nur eine Bemerkung am Rande.

Mein Wunsch wäre es, wenn ich eines Tages gemeinsam mit der Schweiz als Vollmitglied der Europäischen Union Sanktionen gegen andere eigenwillige kleine Staaten in der Europäischen Union, die noch nicht Mitglied der Europäischen Union wären, verhindern könnte. Die Grossen in Europa wissen, könnten wissen, dass solange Europa sie alleine gelassen hat, sie selbst und viele Kleine um sie herum furchtbar unter ihrem Streit und ihren Zerwürfnissen gelitten haben. Erst nachdem Grosse und Kleine die europäischen Dinge gemeinsam in die Hand genommen haben, konnte friedliche Ordnung in Europa den Europäern einen Platz an der Sonne bescheren, und eigentlich weiss ich auch nicht so recht, was gross und klein ist. Ich äussere mich beispielsweise nie intensiv zu geostrategischen Fragen als luxemburgischer Premierminister, erkläre nie wie die Truppeneinsätze millimetergenau organisiert werden müssen, weil ich davon ausgehe, wenn ich mich zu derartigen Fragen äussere, dann setzt nicht Atemlosigkeit in Washington, in Moskau und in Peking ein. Weil ich aber zufällig dieses Jahr beim amerikanischen Präsidenten war und beim chinesischen Präsidenten und dessen Premierminister, kann ich Ihnen sagen: auch wenn Grosse in Europa sich zu derartigen Fragen äussern, setzt keine Atemlosigkeit ein. Die Menschen im Rest der Welt interessiert, was die Europäer als Europäer denken. Das braucht halt das starke Handanfassen der grösseren und der etwas kleiner geratenen Staaten in der Europäischen Union, wobei die Kleinen wissen müssen, dass es Grössere gibt als sie. Dass dem so ist, das weiss man als Luxemburger von Geburt an, das braucht man mir auch nicht jeden Tag neu zu erklären. Ich weiss das, habe das intus, dafür brauche ich keine geografischen Elementarkurse. Aber die Grösseren müssen halt wissen, dass sie ohne die Kleinen nicht auskommen.

Ich sage manchmal, wenn ich zum Spassen aufgelegt bin - das ist heute Abend wieder der Fall - dass ein Floh einen Löwen zum Wahnsinn treiben kann, das Gegenteil hat man noch nicht erlebt.

Vielen Dank.

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