Dankesrede von Premierminister Jean-Claude Juncker anlässlich der Verleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt Trier

- Es gilt das gesprochene Wort -

Ich war schon oft in Trier, aber noch nie war es so feierlich wie heute. Nun weiß ich nicht welche Privilegien sich mit der Ehrenbürgerwürde dieser Stadt verbinden, aber ich denke, dass ich nicht immer so feierlich hier empfangen werde. Ich habe mir allerdings sagen lassen - das hat der Oberbürgermeister aus Pietätgründen nicht erwähnt - dass Ehrenbürger dieser Stadt Recht auf kostenlose Beerdigung haben. Ich werde also in Zukunft mit mulmigen Gefühlen nach Trier kommen, ansonsten aber versuchen termingerecht hier zu sein.

Wenn einem die Ehrenbürgerwürde angetragen wird und der Stadtrat sich davon nicht abbringen lässt - ich habe es allerdings auch nicht versucht ihn davon abzubringen - dann ist dies zuallererst ein Ereignis, das einen selber übersteigt, denn es hat mit der eigenen Person sehr oft weniger zu tun als man denkt. Aber trotzdem möchte ich mal - so selbstverliebt darf ich dann heute doch sein - mit mir beginnen. Die Luxemburger wissen im übrigen, dass mich derartige Anflüge von Bescheidenheit noch äußerst selten ereilen.

Ich möchte mit mir anfangen, weil Trier wirklich die erste deutsche Stadt ist, die ich kennen gelernt habe. Die erste deutsche Stadt in die man nach dem zweiten Weltkrieg reiste - ich bin Ende 1954 geboren, also Ende der fünfziger, Anfang der sechziger Jahre - das war Trier. Es gibt keine verdienstvollen Messdiener in Luxemburg, die nicht in jungen Jahren in Trier waren. Es gibt keine Schulklasse älter Gewordener, die nicht im Kindesalter in Trier war und es gibt kaum Luxemburger, die nicht in Trier waren.

Deutschland und Trier, das war für mich eine Gleichstellung. Ich kannte nichts in Deutschland, was nichts mit Trier zu tun gehabt hätte, weil ich nur Trier kannte. Es ist der glücklichen Fügung von Geographie und Geschichte zu verdanken, dass vor den Toren Luxemburgs die älteste Stadt Deutschlands liegt. Dies ist ja eine Ehrenbezeichnung, die den Trierern in den nächsten Jahrhunderten niemand streitig machen wird. Dass Trier mir deshalb den Weg nach Deutschland ebnete, ein bisschen Tor zur Welt war, ist für Luxemburger, die Mitte der fünfziger Jahre geboren wurden nicht so selbstverständlich wie dies heute klingen mag. Die Generation meiner Eltern hätte jeden Grund gehabt mich nicht deutschfreundlich zu erziehen. Es gehört zu den großen Leistungen der Generation meiner Eltern und vieler tausender Luxemburger, Deutscher, vieler Europäer, dass wir deutschfreundlich erzogen wurden im europäischen Geiste und so wie es sich für Trierer und für Luxemburger gehört.

Trier und Luxemburg, das waren durch die Jahrhunderte Aufmarschgebiete, Plätze, Wiesen, Wälder, Landschaften, die mit Blut getränkt wurden. Dass wir heute ein deutsch-luxemburgisches und ein trierisch-luxemburgisches Fest ohne falsche Scham und im vollen Wissen um das, was war, aber auch im festen Bewusstsein um die Wichtigkeit dessen, was kommen wird feiern können, finde ich einen schönen Augenblick.

Wir bauen Europa. Wir bauen Europa tagtäglich und man kann das große Europa nicht bauen, wenn man nicht auch im Kleinen die Dinge die zusammengehören zusammenfügt, so dass sie fest miteinander verzahnt werden. Das haben die Menschen aus dem Trierer Raum, die Menschen in Luxemburg sehr konsequent nach dem zweiten Weltkrieg in Angriff genommen. Es täte meiner Generation gut, sich für die Weitsicht und den Mut der Kriegsgeneration zu bedanken, dass diejenigen, die jeden Grund gehabt hätten den Kopf hängen zu lassen, die Ärmel hochgekrempelt haben und uns Kindern die Welt geschenkt haben, die wir heute haben.

Insofern sind wir nur Architekten des Neuen, aber vor allem Erben dessen, was uns überliefert wurde. Es gehört zu den glücklichen Umständen meines Lebens, dass ich sehr früh sehr viele Trierer kennen gelernt habe und mit einigen von ihnen auch sehr befreundet bin - mit dem Oberbürgermeister nicht nur aus institutionellen Gründen, weil ich jetzt Ehrenbürger dieser Stadt bin. Ist doch er mit Horst Langers der erste Trierer, der mir über den Weg gelaufen ist und seither den Weg nie mehr verlassen hat. Deshalb ist er auch Ehrenkonsul von Luxemburg. Ich bin Ehrenbürger in Trier. Du bist Ehrenkonsul in Luxemburg. Wir sind Ehrenmänner! Das wussten wir in der Form noch überhaupt nicht!

Ich habe den Hinweis darauf sehr gemocht, dass ich erst der zweite Ausländer bin, dem die Ehrenbürgerwürde dieser Stadt zuerkannt wurde. Der erste war Prinz Heinrich der Niederlande. Ich glaube, er war der letzte Ehrenbürger dieser Stadt gegen Ende des 19. Jahrhunderts. Er war Prinz der Niederlande, der letzte Ehrenbürger im 19. Jahrhundert und adelig. Ich bin lieber Premierminister von Luxemburg, nicht adelig und der erste im 21. Jahrhundert!

Das was Ehre heißt, ist vor allem Freude. Es ist diese klammheimliche Freude, dass Freundschaft über die Grenzen hinweg, Freundschaft zwischen Menschen, Freundschaft zwischen vielen, zwischen Vereinen, Vereinigungen, Sport- und Musikvereinen einem eigentlich mit dazu geholfen hat, Ehrenbürger dieser Stadt zu werden. Es gibt zwischen Trier und Luxemburg so unwahrscheinlich viele Bande der freundschaftlichen Zusammenarbeit, dass man sie überhaupt nicht aufzählen könnte. Ich weiß sehr wohl, dass die Geschichte zwischen Trier und Luxemburg nun wirklich nicht mit dem luxemburgischen Premierminister angefangen hat, sondern dass hier Jahrzehnte von intensivster Vorarbeit geleistet wurden, so dass wiederum diejenigen, die meine Generation vertreten eigentlich ins gemachte Nest gesetzt wurden.

Es ist vor allem eine Freude und nicht so sehr eine Ehre, jedoch auch eine Ehre, weil ich stets gerne in Trier bin, weil ich das Ambiente dieser Stadt mag. Trier hat ja etwas Südländisches. Das merkt man wahrscheinlich nicht, wenn man Trierer ist. Wenn man aber aus dem hohen luxemburgischen Norden kommt, dann bemerkt man sofort dieses südländische Ambiente dieser Stadt. Ich fühle mich als Luxemburger wohl in dieser Stadt, weil es mir partout nie einfallen würde Trier als Ausland zu bezeichnen. Trier gehört zwar nicht zu Luxemburg, aber Trier liegt so unwahrscheinlich näher an Luxemburg als an Berlin, als an München, als an andern Städten. Insofern sehen uns die Deutschen in Trier so unwahrscheinlich ähnlich und deshalb tut es einfach gut in Trier zu sein.

Nicht nur die Landschaften ähneln sich, die Menschen ähneln sich auch sehr. Es gibt in Trier, im Trierer Raum und in Luxemburg denselben Sinn gut gemachte Arbeit. Hier sehen die Menschen die Arbeit noch nicht als etwas, was sie bei der Freizeitgestaltung störte, sondern wirklich als etwas, was ihrem Leben Sinn gibt. Dies ist eine Landschaft, die mit der Arbeit der Menschen sehr intim verwachsen ist. Diesseits und jenseits der Mosel leben Menschen, die sehr bodenständig, sehr bodenhaftig sind, die nicht abheben, die wissen worum es geht, die eigentlich noch dankbar sein können für die glücklichen Fügungen der Zeit, obwohl wir sie manchmal auch vergessen.

Sich im Ausland fühlen wenn man in Trier ist, das will mir partout nicht gelingen. Ich weiß aus vielen Gesprächen, auch mit Trierern in Luxemburg, die ja nicht wie Touristen durch Luxemburg gehen, sondern wie Nachbarn, die sich in der Nachbarschaft verlaufen haben auf dem Weg zurück in die eigene Stadt, dass die Trierer das auch so sehen. Ich weiß aus unzähligen Gesprächen mit Menschen aus Trier, dass von dem Schlimmen, was von deutschem Boden ausging und von dem Übel, was über Trier nach Luxemburg kam eigentlich außer sehr wenigen Ressentiments, geschickt nach Generationen verteilt und am Aussterben begriffen, zwischen beiden Völkern und beiden Städten nichts übrig geblieben ist. Deshalb macht es immer wieder Freude nach Trier zu kommen und in Trier zu sein.

Wahr ist, dass nicht nur der Tanktourismus Trierer nach Luxemburg ziehen sollte. Als Finanzminister Luxemburgs verbiete ich diesen Tankeindringlingen das luxemburgische Hoheitsgebiet nicht, aber das ist kein ausreichender Grund und wird auch im übrigen nicht immer so bleiben. Nein, Luxemburg ist für die Trierer etwas ähnliches wie Trier für die Luxemburger, nämlich eine Stadt in der Nachbarschaft in der man sich wohlfühlen sollte.

Luxemburg und Trier verbindet auch viel europäisches gemeinsames Gedankengut, eine riesige Schnittmenge an zusammengetragenen Gedanken, Überzeugungen, Träumen, Ambitionen für unsere Region und für Europa. Dieses Wissen darum, wieso und weshalb die Europäische Union entstehen musste, dieser typische Nachkriegssatz "Nie wieder Krieg!" mit dem die Menschen 1945, 1946 in unserer Region und auch ansonsten in Europa Ernst gemacht haben, diesen Satz müssen wir weitertragen und die Dinge dingfest machen. Die europäischen Dinge nicht aus ihrem Lauf lassen wollen, muss das Leitmotiv für die nächsten Jahre sein! Wenn man die europäischen Dinge nicht in ihren Lauf zwingt, dann laufen sie aus ihrem Lauf. Deshalb muss man auf Europa achten.

Europa ist etwas Kostbares, nichts Selbstverständliches, nichts Gegebenes, nichts was bleibt wenn die, die für den Kontinent zuständig sind sich nicht sehr ernsthaft um diesen Kontinent und um ein friedliches Wachsen und Zusammenwachsen bemühen. Dies ist der Auftrag für die Trierer, Stadt in der Europa stets zu Hause war, nicht nur überzeugungsmässig, sondern auch auf vielfältige Weise sichtbar. Dies ist der Auftrag für alle, die in Luxemburg, im Großherzogtum oder in der Stadt Luxemburg wohnen. Aus diesem Grund müssen auch Trierer und Luxemburger sich über die Mosel hinweg immer wieder die Hand geben, um weiterzukommen auf diesem Weg hin zum geeinten Europa, das wir alle anstreben.

Ich war vorletzte Woche in Trier, noch nicht als Ehrenbürger. Ich bin heute in Trier als Ehrenbürger. Ich möchte gerne oft wiederkommen als Ehrenbürger, aber auch als der, der ich vorhin schon war bevor ich Ehrenbürger wurde und als der, der ich gerne bleiben möchte, nämlich nicht nur Ehrenbürger dieser Stadt, sondern Freund dieser Stadt. "Gönner dieser Stadt" mag ich als Ausdruck nicht so sehr. Das Paternalistische liegt mir nicht so sehr. Dass wir Trierer und Luxemburger Interessen bündeln, dass wir sie gemeinsam mit auf den Weg nehmen in dieses Europa der Regionen hinein, das ist der Auftrag eines jeden Bürgers und Ehrenbürgers. Europa wird nicht das Europa der Nationen sein, obwohl Nationen, die keine provisorische Erfindung der Geschichte sind, nicht verschwinden werden. Europa wird in 20 bis 30 Jahren ein Europa der Regionen sein. Da werden die Trierer und die Luxemburger nicht alleine bestehen können. Da können wir nur bestehen, wenn wir so zusammenarbeiten, wie wir dies seit Jahrzehnten tun auf diesem Weg.

Ich bedanke mich sehr herzlich beim Oberbürgermeister und beim Stadtrat für die mir erwiesene Ehre. Ich hoffe, dass ich mich ihrer würdig erweisen werde. Ich war der Freund dieser Stadt, ich bin es gerne gewesen. Ich werde es mit doppeltem Eifer gerne bleiben.

Vielen Dank.

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