Jean-Claude Juncker, "Weltmacht oder Wertemacht Europa? Anspruch und Wirklichkeit", Transcription du discours, Katholikentag 2006, Saarbrücken

- Nur das gesprochene Wort gilt -

Här Erzbëschof,
meine sehr verehrten Damen und Herren Minister und Abgeordnete,
meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Freunde,
léif Lëtzebuerger, ech huelen un, datt der vill hei sinn,
chers amis qui venez de France,

Mein Name ist Jean-Claude Juncker, ich bin Präsident der luxemburgischen Regierung und als solcher gerne nach Saarbrücken gekommen um an diesem Katholikentag teilzunehmen.

Dies ist nicht die erste Einladung die ich zu einem Katholikentag erhielt, aber weil das Saarland für uns Luxemburger ja das Stück Deutschland ist, das uns am nächsten ist, weil die Deutschen hier im Saarland auch noch nicht so richtig deutsch sind, bin ich heute Morgen sehr gerne nach Saarbrücken gekommen um ein bisschen über Europa zu reden. Eine Plauderei über Europa, soweit man über Werte, Wertegemeinschaft, Weltmächte überhaupt plaudern kann. Und dann werde ich auch versuchen, ihre Fragen zu beantworten. […] Aber ich werde zuerst Ihren Fragen mal zuhören und dann werden wir feststellen, ob ich sie auch beantworten kann.

Mein Thema ist Europa Wertemacht, Weltmacht. Diesem Thema muss man sich eigentlich auf den Zehenspitzen nähern, weil ich das Wort Macht nicht so sehr mag. Weil Macht und Machtausübung immer irgendwo im Hinterkopf und auch im Hintergrund Militärisches vermuten lassen. Und ich mag das Militärische nicht so sehr. Ich hab lieber, dass wir auf die Kräfte der Zärtlichkeit, des guten Zuredens, eigentlich der Nächstenliebe setzen. Luxemburg tritt heute in Deutschland sowieso als eine geballte Macht der tätigen Nächstenliebe auf, weil die deutsche Fußballnationalmannschaft heute um fünf Uhr gegen Luxemburg antritt und die luxemburgische Fußballmannschaft hat den Tagesbefehl des Premierministers zur Kenntnis zu nehmen, dass die Deutschen geschont werden müssen. Ich wüsste im Übrigen nicht, dass Ballack soviel Angst vor Verletzungen hat, dass er sich prophylaktisch schon aus diesem Spiel verabschiedet hat.

Über europäische Werte könnte man lange Reden halten und europäische Werte, europäische Werteordnung lassen sich und lässt sich nicht verkürzen auf die Frage, ob der Hinweis auf gestandene, gewachsene, erwachsen gewordene europäische Werte, christlich jüdisches abendländische Werteverwurzelung Eingang in die europäische Verfassung finden muss oder nicht. Ich hab mich an dieser Frage, die heftig und hitzig debattiert wurde während der Vorbereitungsarbeiten zur europäischen Verfassungsgebung, eigentlich nie an erster Stelle betätigt und auch nicht betätigen wollen.

Ich finde es strikt lächerlich, dass einige sich weigern diesen Elementarhinweis in die Präambel der europäischen Verfassung aufzunehmen. Ich finde das lächerlich. Aber ich hätte es auch einigermaßen lächerlich gefunden, wenn wir zum großen Kampf auf diejenigen aufgerufen hätten, die diesen Hinweis in der Verfassung nicht haben wollten. Ich hab Chirac und anderen erklärt, ich wäre der Meinung, als gläubiger Christ, Gott hätte das überhaupt nicht notwendig, weil er ist da, ob wir ihn da hineinschreiben oder nicht, er ist da. Und wenn Gott nicht Gott wäre, sondern Lichtenberg, dann würde er sagen, auf euren Kleinkram lach ich Philosoph aus heiterer Höhe. Er thront in heiterer Höhe und lacht über diese Debatte - weil ich mir ohnehin einen lachenden Gott wünsche, einen der Humor hat und der die Menschen kennt. Und ich glaube er kennt sie sehr gut, weil er sie erschaffen hat.

Wenn wir über Werte in Europa reden, dann sind es selbstverständlich christliche Werte, aber nicht nur christliche Werte, die Europa zu dem Entwurf heranreifen haben lassen, den Europa geworden ist. Auch andere Glaubensrichtungen, auch andere philosophische Anschauungen haben das Bild Europas in der Welt und das Bild Europas für sich selbst mitgeformt. Hier sollte niemand prioritären Anspruch erheben. Aber es gibt sie, die europäischen Werte - ich werde sie nicht alle aufzählen - und es gibt sie in konkreter Form. Ich mag philosophische Gespräche über Werte eigentlich nicht so sehr. Sie sind einfach, wenn man des Philosophendiskurs mächtig sind. Es geht mir in Europa und um Europa herum um konkret gelebte Werte und über die möchte ich reden. Nicht abgehoben, sondern im Feld muss man über europäische Werte reden.

Ich hätte gerne, und in sehr hohem Masse ist er das auch, dass der europäische Kontinent der Kontinent der Solidarität ist. Solidarität ist der erste Wert, der der Menschheit gut tut und jedem einzelnen Menschen gut tut. Europa sollte der Kontinent der Solidarität sein. Und die Solidarität, die wir brauchen ist eine Solidarität nach innen und ist auch, wenn nicht vor allem, Solidarität nach außen. Wir brauchen im Inneren Europas, auch in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union, in jedem einzelnen Mitgliedstaat der Europäischen Union, gelebte Solidarität. Wir tun uns schwer diese Solidarität zu leben, weil wir a) vergessen haben was war und b) nicht so richtig wissen, wo die Reise hingeht.

Das erste Solidaritätsgebot ist ein Friedensgebot. Mir wird oft gesagt, wenn ich über Krieg und Frieden rede, dass dies ein Diskurs wäre der junge Menschen nicht mehr erreichen würde. Das ist wahrscheinlich auch so, weil wer den Krieg nicht gekannt hat, kann den Frieden nicht in vollem Umfang genießen. Trotzdem ist es so, dass Europa der Kontinent der Konflikte, der Konfrontationslogik und der kriegerischen Auseinandersetzungen war. Tatsache ist, dass nach dem Zweiten Weltkrieg Männer und Frauen aller Provenienzen, die aus den Konzentrationslagern, von den Frontabschnitten nach Hause kamen, in ihre zerstörten, zerbombten Dörfer und Städte, diesen ewigen Nachkriegssatz "Nie wieder Krieg" nicht nur ausgesprochen haben, sondern ihn zum ersten Mal in der europäischen Geschichte zu einem politischen Programm gemacht haben.

Es waren kluge Staatsmänner, auch Staatsfrauen, die dieses Programm entworfen haben, aber sie hätten diese Programm nie entwerfen können, hätten es nicht belastbar und tragfähig gestalten können, wenn dies nicht der kontinentweit erschallende Appell der Menschen aller Nationen Europas gewesen wäre. Politik kann nichts wenn die Völker Europas nicht hinter den politischen Programmen stehen. Poltische Programme die tragfähig sein sollen, finden nur statt, wenn die Menschen Politiker zu diesen Programmausgestaltungen regelrecht treiben. Das haben sie nach dem Zweiten Weltkrieg gemacht.

Und wir sollten dankbar sein, dass die Generation unserer Eltern, unserer Grosseltern uns einen Kontinent in Frieden angeboten hat und dass wir es bis heute noch nicht geschafft haben dieses Angebot zu verweigern. Wenn Europa aufhört ein flammendes Beispiel für Friedfertigkeit und für Friedensliebe und für Frieden zu sein, dann wird Europa am Ende seiner Geschichte angekommen sein, wo es schon ein paar Mal war und wo es nicht wieder zurück darf. Deshalb ist das erste Solidaritätsgebot ein Friedensgebot für den gesamten Kontinent.

Und wir denken immer dieses Thema wäre kein Thema unserer Tage. Es ist sehr wohl ein Thema unserer Tage. Es ist ja fast nicht zu begreifen und auch nicht nachvollziehbar, wieso wir so schnell vergessen können. Ich rede jetzt nicht von der unseligen Zeit zwischen 1933 und 1945. Ich rede von dem Europa das wir vor zehn Jahren hatten. In Europa hat vor 10 Jahren der erste Krieg in Europa nach dem Zweiten Weltkrieg auf dem Balkan stattgefunden, hier wurden Frauen vergewaltigt, Kinder erdrosselt, Menschen wegen ihrer Überzeugungen oder wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit in Gefängnisse und regelrechte Konzentrationslager gesteckt.

Ich bin eben dem Bischof von Banjaluka begegnet. Was hat dieser Mann, was haben seine Mitmenschen, was haben alle Menschen auf dem Balkan an Unsäglichem durchlitten und durchschritten - vor weniger als 10 Jahren? Wir reden so, dass wir denken, wir dürften keinen europäischen Friedensdiskurs mehr uns zu Eigen machen und könnten unschwer erkennen, dass noch vor 10 Jahren Krieg in Europa tobte. Wo steht denn geschrieben, dass es in 10 Jahren nicht sonstwo in Europa, vielleicht auch wieder dort, zu ähnlichen Verfehlungen, zu ähnlichen Verstößen gegen das Solidaritätsgebot kommt?

Wir sollten nicht denken das Thema Krieg und Frieden wäre endgültig in Europa in Richtung exklusive Friedensoption gelöst worden. Ich bin sehr besorgt wenn ich mir die Irrungen und Wirrungen einiger Nationen in Europa vor Augen führe. Ich bin überhaupt nicht davon überzeugt, dass wenn wir mit unserer europäischen Friedenskonstruktion aufhören würden, es nicht wieder zu derartigen Auseinandersetzungen käme. Insofern ist der Friedensaufruf der die Europäische Union auszeichnet, ein immerwährender, permanent zu respektierender und in praktische Politik umzusetzender Appell des europäischen Kontinentes an die, die vorgeben ihn zu führen.

Solidarität nach innen hat nicht nur diese essentielle Friedensdimension. Wir haben in Europa den Fehler gemacht, uns in den letzten 20, 30 Jahren immer mehr von den Menschen entfernt haben. Das ist kein typisches Zeichen für Europamüdigkeit. Das hat einfach mit genereller Politikmüdigkeit zu tun. Wenn in jedem Mitgliedstaat der Europäischen Union den Regierenden sehr oft Misstrauen entgegen schlägt, dann ist es nicht verwunderlich, dass wenn dieselben handelnden Personen in Brüssel Politik gestalten, dass sie auch dort kein Vertrauen bei den Menschen erwecken. Es ist die Multiplizierung - mal 27 - der nationalen Vertrauenskrisen die es gibt.

Und wer Europa mit den Menschen wieder versöhnen möchte, der muss zu Hause anfangen glaubwürdig Politik zu gestalten. Man wird nicht glaubwürdiger dadurch, dass man die Grenze nach Brüssel überschreitet. Man ist es oder man ist es nicht, und man sollte versuchen es zuerst zu Hause zu sein, dort wo man direkt zuständig ist, anstatt zu versuchen in Europa Glaubwürdigkeitstests zu durchlaufen. Die wird man nie bestehen können, wenn man mit den Mäkeln der Nichtglaubwürdigkeit nach Brüssel reist. Das hat wesentlich damit zu tun, dass wir so reden wie wir reden und es hat wesentlich damit zu tun, dass Europa sich eigentlich von den Anliegen der einfachen Menschen entfernt hat.

Die einfachen Menschen, die sind ja nicht blöder als die selbsternannten Eliten, verstehen auch vieles besser als diese selbsternannten Eliten, weil sie noch von gesundem Menschenverstand angetrieben sind. Wir haben ja deshalb mit dem gesunden Menschenverstand in Europa so viele Probleme, weil er so sehr unterschiedlich verteilt ist. Man findet ihn oft nicht wieder, aber irgendwo liegt er doch in der Tiefe der europäischen Völker, nicht begraben aber begründet.

Das eigentliche Thema, das wir in den letzten Jahren verpasst haben, ist das, dass es uns nicht gelungen ist aus dieser Europäischen Union auch eine Europäische Sozialunion zu machen, dass wir das Gefühl geben, Europa wäre das Europa der Manager, der Kapitalisten, der Banker, teilweise auch der Finanzminister und nicht mehr das Europa der Arbeitnehmer. Wer denkt auf Dauer die europäische Konstruktion in den Herzen der Menschen wieder wohnhaft zu machen und denkt er könne dies tun ohne die europäische Arbeitnehmerschaft, ohne die einfachen Leute die unter den Irrungen und Wirrungen dieses Kontinentes mehr gelitten haben als die Eliten, der irrt sich fundamental. Europa muss auch wieder das Europa der kleinen Leute werden, sonst geht es schief.

Und deshalb brauchen wir in dieser Europäischen Union einen Mindestsockel an Arbeitnehmerrechten. Das kann ja nicht gut gehen und deshalb geht ja auch vieles nicht gut und deshalb läuft ja auch vieles aus dem Ruder, dass wir europäische Wirtschafts- und Währungsunion auf den Weg bringen, dass wir die europäischen Wirtschaftsräume zu einem geballten europäischen einheitlichen Macht zusammenfügen, dass wir aber kein Augenmerk haben für die sozialen Rechte, die sozialen Belange und die sozialen Anliegen der Menschen, die in dieser Währungsunion und die auf diesem Binnenmarkt unterwegs sind. Und es kann nicht gut gehen, nachdem, dadurch dass der Euro jetzt da ist, die Wiederherstellung von wettbewerbsfähigen Untergliederungen der Eurozone nicht mehr dadurch erreicht werden kann, dass Währungen auf- und abgewertet werden, weil wir eben nur eine Währung haben, dass man dann versucht die Wiederherstellung von Wettbewerbsfähigkeit einzig und allein auf dem Wege des Sozialabbaus und des sozialen Dumpings zu erreichen. Das geht auf Dauer schief und die Menschen sind mit einem derartigen Entwurf nicht zufrieden.

Und deshalb braucht man diesen Mindestsockel an Arbeitnehmerrechten, bis in Bereiche hinein wie minimale Kündigungsschutzregeln, wie die Regelung atypischer Arbeitsverhältnisse, wie die Schaffung eines europäischen Mindestlohnes. Ich weiss, dass dies in Deutschland ein Thema ist, das die Ordnungspolitiker erkennbar zu Schweißausbrüchen führt. Es gibt 15 Länder die Mindestlöhne haben. Luxemburg auch. Geht es den Luxemburgern eigentlich schlechter dadurch, dass jeder der arbeitet Recht hat, Anspruch hat, auf einen gerechten Mindestlohn? Ist Luxemburg nicht deshalb auch sozialpolitisch betrachtet ein in sich ruhendes Land, weil jeder der in Luxemburg arbeitet Recht auf einen Mindestlohn hat und jeder der in Luxemburg wohnt Recht auf ein Mindesteinkommen hat? Solidarität muss auch nach innen in den Nationalstaaten ausgeübt werden.

Viele machen das und ich kann nicht erkennen, wieso wir dies nicht zu einem europäischen Prinzip machen sollten. Nicht, dass jeder jetzt die luxemburgischen oder französischen oder belgischen oder niederländischen oder schwedische Mindestlöhne hätte, aber dass das Prinzip verankert wird, dass jeder der arbeitet Recht auf eine anständige Entlöhnung hat, ist ein europäisches Gebot.

Und zur Solidarität gehört auch, dass wir hier in Westeuropa, die wir zukunftsfaul geworden sind und gegenwartsträge geworden sind, uns mit dem Gedanken anfreunden, dass es uns viel besser geht als vielen anderen in der Welt und auch in Europa. Ich kann mich tagelang ärgern, aber soviel Zeit hab ich nicht, dass wir immer noch diese unsägliche Debatte, in der deutschen Politikarena besonders beliebt, führen, über Nettozahler und Nettoempfänger. Deutschland ist Nettozahler, Luxemburg ist auch Nettozahler. Ja, wären wir denn lieber Nettoempfänger? Wären wir lieber Nettoempfänger? Ich lebe lieber im Saarland und in Luxemburg als in Nordgriechenland, wo die Kleinbauern jede Mühe der Welt haben um ihr Auskommen am Ende des Monats zu haben. Was soll das? Wieso beklagen wir uns eigentlich drüber, dass wir reich sind? Dass diejenigen sich beklagen denen es nicht so gut geht, verstehe ich.

Nun bin ich ja auch Finanzminister und überhaupt nicht so sympathisch wie Sie vielleicht denken, wenn es um Geld geht, das wissen die Luxemburger ja die hier im Saal sind. Aber ich bin dafür, dass wir in Westeuropa wieder die Tugend des Teilens neu erlernen, weil das Schicksal es gut mit uns gemeint hat und es weniger gut mit vielen anderen in Europa gemeint hat. Ich bin sehr wohl der Auffassung, dass europäische Solidarität auch heißt, dass die Reichen mit denen die nicht soviel haben teilen. Dies ist eine europäische Pflicht.

Und wenn ich lese, das muss ich ja manchmal lesen, der europäische Haushalt wäre zu hoch angesetzt - dabei ist er auf genau 1,0456% des Bruttoinlandproduktes angelegt, lächerlich gering, wenn ich das vergleiche mit der zentralen Gewalt die vom amerikanischen Haushalt beispielsweise ausgeht. Wenn ich mir anlesen muss, auch in Luxemburg, wir würden zu viel Geld für die Europäische Union zur Verfügung stellen - Altbundeskanzler Schröder hat, ich glaube hier in diesem Saal gesagt, es wäre nicht gut, dass das deutsche Geld in Brüssel verbraten wird, dann hat er etwas ausgesprochen was viele denken.

Ich sage ihnen noch einmal, ich habe das auch in Aachen gesagt, ein Monat Krieg ist teurer als 20 Jahre Finanzierung des europäischen Haushalts, ein Monat wird uns teurer.

Dass wir hier in unserem Teil Europas zu gelebter Solidarität nicht mehr vollumfänglich fähig sind, merkt man auch an der Stimmung die den Erweiterungsprozess der Europäischen Union nach Mittel- und Osteuropa begleitet. Es hat damit zu tun, dass wir nicht mehr teilen möchten. Es hat damit zu tun, dass wir vergessen haben, wie die Nachkriegsordnung in Europa war. Die war nämlich auch von Zufällen behaftet. Hat schon jemand sich gefragt, in welcher Lage wir uns heute befänden, wenn die sowjetischen Truppen hier Besatzungsmacht gewesen wären, anstatt in Dresden, und in Leipzig, und in Prag und sonst wo? Dann würden wir jetzt an die Tür klopfen der Europäischen Union. Der Zufall hat es gewollt, die Fügung, was auch immer, dass wir nach dem Zweiten Weltkrieg in diesem Teil Europas in der Sonne leben konnten. Das ist kein Verdienst, das ist Zufall. Und deshalb sollten wir etwas gnädiger und gerechter zu denen sein, die diese Glückserfahrung nach dem Zweiten Weltkrieg nicht gemacht haben, und sie erst seit Anfang der 90 Jahre machen können.

Und deshalb sage ich "Ja" zu der Erweiterung der Europäischen Union nach Ost- und Mitteleuropa, auch wenn die meisten Menschen in Westeuropa dieser Erweiterung sehr negativ gegenüber stehen.

Bis Ende der 80er Jahre haben die osteuropäischen Staaten Raketen auf Westeuropa gerichtet, und wir unsere Raketen auf Mittel- und Osteuropa gerichtet. Mir ist es lieber, die Menschen richten jetzt ihre Hoffnungen auf uns, als dass sie ihre Raketen auf uns richten. Das ist eine glückliche Fügung europäischer Geschichte.

In Europa sind seit 1989, 23 seit vergangenen Sonntag, 23 neue Staaten entstanden. Wir denken ja nie darüber nach, was eigentlich in Europa passiert wäre nachdem über 20 neue Staaten in Europa und an der direkten Peripherie Europas sich gebildet haben, wenn es dieses Auffangnetz europäischer transnationaler Solidarität und europäischer Friedenswährung ihrer Ausrichtung anderer Regionen Europas hinein nicht gegeben hätte. Europa würde sich zur Zeit mehr durch Chaos und Unordnung auszeichnen, als dies jetzt nach getätigter Erweiterung der Fall ist.

Und dass wir es geschafft haben in Europa, europäische Geschichte und europäische Geographie auf friedlichem Wege wieder zusammenzuführen, weil erstmals auf diesem Kontinent die Menschen selbst Geschichte gemacht haben, anstatt nur die Opfer der Geschichte sind die sich gegen ihre essentielle Lebensbedürfnisse richtet, ist doch etwas worüber wir uns freuen sollten, anstatt dass wir nur lamentieren und uns beklagen über das Schicksal, das wir zu tragen haben. Nein, nein, nein! Es war noch nie so einfach in Europa Europäer zu sein als gerade in diesen Jahren, weil die europäische Geschichte sich zum Besseren entwickelt hat, und sich von den Dämonen der Vergangenheit, wie ich hoffe, endgültig befreit hat.

Die Solidarität nach innen hat auch etwas mit Respekt der Generationen voreinander zu tun. Ich möchte hier keine rentenpolitische Debatte entfachen, aber ich bin sehr dafür, dass wir uns angesichts der demographischen Entwicklung in Westeuropa, und auch in Teilen Ost- und Mitteleuropas, intensiv mit dieser Zukunftsfrage beschäftigen. Wir werden diesen Kontinent und die ihn zusammensetzenden Staaten nicht sich in Ruhe entwickeln lassen können, wenn junge Menschen das Gefühl haben, unsere Generation würde das verbrauchen, was eigentlich für ihre Generation auch noch mit reichen muss.

Diese Generation, die heutige, die die am Ruder ist, die die regiert, die die unsere Gesellschaften animiert, das ist die, die dafür Sorge tragen muss, dass auch nach uns noch etwas bleibt für die, die dann in unseren Wirtschaftsräumen unterwegs sein werden. Und das kann man nicht einfach mit dem Hinweis auf nicht zu rechtfertigenden Sozialabbau abtun. Man muss wissen, auch soziale Solidarität baut sich zwischen Generationen auf, und nicht eine Generation, sondern alle Generationen, auch die künftigen haben Recht auf Brot. Und wir dürfen ihnen dieses Brot nicht weg essen, bevor sie Hunger kriegen. Deshalb hat Solidarität in Europa auch etwas mit vernünftig angelegten Sozialreformen zu tun. Unsere Zukunft hängt sehr wesentlich davon ab.

Das Problem, das eigentliche Problem ist, dass zum ersten Mal seit Kriegsende, diejenigen die Kinder haben, die zwischen 30 und 40 Jahre alt sind, sich zum ersten Mal seit Kriegsende mit der Frage beschäftigen müssen, ob es ihren Kindern besser oder schlechter geht als ihnen selbst. Unsere Grosseltern freuten sich daran, dass es unseren Eltern besser ging. Unsere Eltern freuten sich daran, dass es uns besser geht als ihnen. Meine Generation hat das Problem, dass wir uns nicht mehr vorstellen können, dass es unseren Kindern besser ginge als uns selbst.

Dies führt, vor allem in Deutschland, zu weit ausgebreiteter Larmoyanz - das ist ja die neue deutsche Tugend, die Larmoyanz, deshalb tauge ich eigentlich nichts um in Deutschland Reden zu halten, weil ich bin überhaupt nicht weinerlich wenn es um die europäische Zukunft geht. Nein, nein, die Deutschen weinen zu viel, ich sage ihnen das. Ich bin ja ein ausgewiesener Freund der Deutschen, bin aber verzweifelt, wenn ich die verheerende Wirkung sehe, die die öffentlich-rechtlichen elektronischen Medien regelmäßig in Luxemburg produzieren, mit ihrer Weinerlichkeit und ihrer Larmoyanz. Die Luxemburger fühlen sich weniger wohl, seit sie dauernd sich am deutschen Fernsehen anhören müssen, was alles umsonst wäre. Das ist die eigentliche Lebenskrise die junge Eltern heute haben, dass sie sich nicht vorstellen können, dass es ihren Kindern so gut geht wie ihnen selbst.

Und die Europäische Union, die europäische Konstruktion mit alldem was sie bewirken und bewältigen muss, ist eines der Elemente die eigentlich Zuversicht ausstrahlen sollten, was diese Themenbereiche anbelangt.

Nun ist unser Diskurs so geworden - wir kommen wieder zu den einfachen Menschen zurück - dass sie eigentlich nicht mehr glauben können, dass noch Aussicht auf Hoffnung besteht. Weil wir bringen die falschen Vokabeln dauernd in unseren öffentlichen Reden. Wer dauernd nur von Deregulierung, von Privatisierung, von Prekarisierung, von Shareholder Value, von Globalisierung, von Mundialisierung redet, und den Menschen erklärt, vor allem den arbeitenden Menschen, sie wären die eigentlichen Feinde der Beschäftigung, der darf sich nicht wundern, dass Hoffnung bricht und Zuversicht abnimmt.

Wir sollten den Europäern die positiven Lebenswerte nicht nur erzählen, sondern sie auch durch gelebte Solidarität praktisch vorexerzieren, anstatt dauernd nur negative Berichterstattung über das was in der Welt schief läuft. Und deshalb müssen wir uns bemühen, dass die sogenannten einfachen Menschen, vor allem die Arbeitnehmerschaft - und einfach heißt bei mir immer nobel, das ist nie abschätzig gemeint - sich in diesem europäischen Zukunftsprojekt wieder erkennen. Es kann auf Dauer ja nicht gut gehen, wenn man Arbeitslosen erklärt, ihre Arbeitslosenunterstützung müsse nach unten korrigiert werden. Wenn die Tagesschau anfängt mit Harz III, IV, ich weiß nicht wie viel - die deutsche Fantasie ist ja unbegrenzt.

Ich bin ja sehr der Meinung, dass wir Sozialreformen brauchen. Ich weiß auch, dass der Sozialstaat einen Kostenpunkt und einen Preis hat, und dass man sehr genau achten muss ob man das, was man heute anlegt, auch noch übermorgen finanzieren kann. Aber was in unseren Gesellschaften nicht geht, ist dass man den Arbeitslosen erklärt, sie müssen den Gürtel enger schnallen. Und die zweite Nachricht in der Tagesschau besteht dann darin, dass jemand, der einen Weltkonzern vor die Wand gefahren hat, 40 Millionen Abgangsentschädigung kriegt. Das geht nicht gut. Solidarität nach außen ist so wichtig, wenn nicht wichtiger als Solidarität nach innen. Und das sind samt und sonder auch europäische Themen.

Klimaschutz, das ist eine europäische Aufgabe. Wir schauen, ohne uns allzu große Sorgen zu machen, ruhig zu, wie sich die Dinge weltweit für die dort Lebenden negativ verändern. In diesem Teil Europas schlafen die Menschen ruhig, obwohl sie wissen, dass weit weg von hier, durch das was wir hier an nicht akzeptierbarem Umweltverhalten an den Tag legen, Menschen Opfer werden erhöhter Meeresspiegel, Opfer werden von Überschwemmungen, Opfer werden von Störungen und Gewalt. Wir verursachen dies zu einem sehr großen Teil. Und ich hätte gerne, dass man die Solidarität mit der Welt auch als den Auftrag, den Europa sich selbst geben muss in Sachen Klimaschutz und Umweltschutz federführend in der Welt zu sein, federführend in der Welt. Dort haben wir der Welt etwas zu bieten. Anstatt dass wir die Welt benutzen, müssen wir ihr nutzen, und deshalb ist Klimaschutz ein wesentliches Thema europäischer Solidaritätspolitik nach außen.

Und das gleiche, und exakt das gleiche zählt, wenn es um Hunger und Armut in der Welt geht. Europa wurde doch nicht nur für uns erfunden. Die Menschen weltweit sehen hoffnungsvollen Blickes auf die Europäische Union. Wir finden ja dass wir alles falsch machen, wir beklagen uns ja über all das, was in Europa schief läuft. Aber die Menschen weltweit in Afrika, in Asien, sonstwo, sind begeistert von der europäischen Idee. Ich bin nie lieber Europäer, als wenn ich nicht in Europa bin. Ich geniesse Europa regelrecht wenn ich Europa von ferne betrachte, weil ich merke nirgendwo in der Welt lebt man einfacher, besser, gesünder als in Europa. Und die anderen hätten genau das wovon wir nicht wissen, dass es etwas wert ist.

Aber solange jeden Tag 25000 Kinder weltweit an Hunger sterben, solange über 1 Milliarde Menschen weniger als 1 Dollar am Tag zur Verfügung hat um zu leben, solange wie 2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu sauberem Wasser, solange ist Europa mit seiner Aufgabe nicht am Ende. Dies ist auch unsere Aufgabe. Nicht nur kontinentaler Egoismus, sondern international, interkontinental gelebte Solidarität. Die Reichen müssen zahlen, und nicht von den ärmeren Ländern Nutzen ziehen. Nein, nein, Europa ist ein Entwurf für die Welt, nicht nur ein Entwurf für sich selbst.

Und wenn Europa sich jetzt ruhig im Sessel der Geschichte zurücklehnt, und ruhig zusieht wie andere, weit weg von hier, weit entfernt von hier, täglich an Hunger sterben, dann sind wir es nicht wert so gut zu leben, wie wir leben. Gelebte Solidarität ist mehr Entwicklungshilfe für die Dritte Welt.

Und da wäre es eigentlich wünschenswert, wenn die großen Länder Europas sich auch ein bisschen effektiver betätigen würden, als sie dies zur Zeit tun. Es ist doch eine Schande, dass die durchschnittliche Entwicklungshilfe in der Europäischen Union sich auf 0,36% des europäischen Bruttosozialproduktes beläuft. Und es ist eine noch größere Schande für die Grossen, dass es die kleinen Länder sind, die in hohem Masse Entwicklungshilfe auch zur Verfügung stellen. Luxemburg, Dänemark, Schweden und die Niederlande zahlen jedes Jahr mehr als 0,75% ihres Bruttosozialproduktes an Entwicklungshilfe. Wer ist eigentlich groß? Die Kleinen, die etwas für die Solidarität mit der Welt tun, oder die Grossen, die davon reden? Ich finde die Kleinen sind sehr oft größer als die Grossen es sind.

Mit dem Thema Globalisierung müssen wir uns beschäftigen. Nicht um hier eine Antiglobalisierungsrede zu halten. Ich finde das lächerlich. Globalisierung bringt in großem Masse Nutzen für jedermann, sowohl für uns als auch für Menschen in anderen Teilen der Welt. Aber die ungehemmte Globalisierung, die Rekapitalisierung unserer Wirtschaftssysteme, das sich festbeißende Ungleichgewicht wirtschaftlicher Gesamtzusammenhängung, und wirtschaftlicher Gesamtgleichgewichte, das ist etwas, das die Europäer bekämpfen müssen.

Wir müssen "Ja" sagen zur Globalisierung, aber diese Globalisierung muss gerecht sein, sie muss jedem in der Welt seinen Anteil an dem so geschaffenen Reichtum bringen. Globalisierung ist nicht ein Prozess den wir für Europa vereinnahmen dürfen, und der Rest der Welt darf weiter darben. Nein, Globalisierung heißt auch Solidarisierung mit den andern Teilen der Welt. Das betrifft Asien, das betrifft vor allem China und Indien. Und ich kann auch da manche Larmoyanz nicht vollumfänglich begreifen.

Wo stand eigentlich geschrieben, dass nur die Europäer reich sein dürfen? Wieso sind wir so aufgeregt, dass jetzt die Inder, die Chinesen, auch Teile dieses unglücklichen Afrikas langsam auf ein Niveau kommen, das zwar noch weit von den unserigen entfernt ist, welches aber diesen riesigen Flächenstaaten erlaubt, Menschen zu kleiden, Menschen zu ernähren, Menschen Wohnungen zur Verfügung zu stellen? Wieso klagen wir über Globalisierung und kaufen chinesische T-Shirts, und wundern uns darüber, dass es den Chinesen langsam auch besser geht?

Wer denkt es wäre zu unserem Nutzen, wenn China, wenn Indien, wenn große Teile Afrikas auf Dauer arm bleiben würden, der irrt sich gewaltig. Um das Mittelmeer herum werden in 25 Jahren 1,5 Milliarden Afrikaner leben, davon werden 750 Millionen jünger als 25 Jahre sein. Und wenn auch nur 10% dieser 750 Millionen jungen Afrikaner sich in Richtung Europa in Bewegung setzen, dann werden wir ein Problem haben. Wir sehen das Problem auch auf uns zukommen, und die einzige globale Antwort auf diese demographische Revolution die nach Europa importiert werden wird, besteht darin, dass wir tätige Entwicklungshilfe, vor allem in Richtung Afrika, leisten. Und wir sind gut aufgestellt um dies tun zu können.

Weil die einzige bisher schlüssige Antwort, die die Europäer für sich selbst auf die Globalisierung formuliert haben, ist die Einführung der einheitlichen Währung, des Euros. Hat schon jemand sich vorgestellt, in welcher Lage wir uns befänden, und unsere Wirtschaftsräume sich befinden würden, wenn es den Euro nicht gäbe? Nach dem ersten Krieg in Europa, nach dem Zweiten Weltkrieg, nach dem Irakkrieg, nach den süd-ostasiatischen, nach den südamerikanischen und den russischen Finanzkrisen, nach dem 11. September, angesichts der aktuell tobenden Ölkrise, was wäre denn geworden aus den europäischen Währungen, und aus den europäischen Wirtschaftsräumen, wenn es nicht die disziplinierende Klammerfunktion der einheitlichen Währung in Europa gegeben hätte? Und deshalb, bei allen Klagen über Euro und "Teuro", und was es ansonsten noch an Wortneuschöpfungen zu bestaunen gibt, ohne den Euro wären wir heute weniger gut aufgestellt, als wir dies mit dem Euro sind.

Und die Tatsache, dass die Europäer diese einheitliche Währung hingekriegt haben, dass wir, obwohl uns niemand das zugetraut hätte, es geschafft haben, dass 12, ab dem 1. Januar nach dem Beitritt Sloweniens, 13 europäische Nationen sich in einem Währungsverbund zusammengeschlossen haben, um gemeinsam stärker zu sein, um uns gemeinsam zu schützen, und um uns nicht mehr gegeneinander und untereinander zu bekämpfen, dies ist eine absolute europäische Spitzenleistung, auf die wir selbstverständlich, weil wir es geschafft haben, nicht mehr stolz sind. Die anderen bewundern uns, dass wir das geschafft haben, wir klagen über den Euro. So sind wir, und so können wir nicht auf Dauer bleiben. Wenn wir schon einen Erfolg eingefahren haben, dann sollten wir diesen Erfolg auch genießen. Einige tun das ja auch. Die Italiener beispielsweise, als sie der Eurozone beitraten, haben Straßenfeste in Rom und in Neapel und sonstwo organisiert. Und wir sind gedrückten Hauptes durch die Gassen von Saarbrücken und Luxemburg geschlichen, und haben nicht gemerkt, dass dort etwas Gewaltiges eigentlich passierte. Der Euro ist heute die zweite weltweit führende Währung.

Wenn wir uns mit den Amerikanern messen wollen, dann geht dies auch und vor allem über den Weg und über den Umweg der einheitlichen Währung. Ich bin zu fundamentaler Amerikakritik überhaupt nicht fähig. Ich finde, dass wir strenger mit den Amerikanern sind, als wir mit uns selbst sind - was insofern kein Problem ist, weil die Amerikaner mit sich selbst überhaupt nicht streng sind, und sehr streng mit uns sind. Aber es ist doch sehr gut, dass dort wo Geld die Welt regiert, […] dass wir mitregieren, anstatt dass wir abhängig sind von den währungspolitischen Entscheidungen der Amerikaner.

Ich hätte gerne, dass Europa selbst seinen Beitrag leistet, um die globalen Ungleichgewichte abstellen zu können. Ich hätte gerne, dass Europa auch eine Stimme hat, wenn es um internationale Wirtschaftsordnung geht. Und das geht eben nur über den Weg der Währungen, und diesen Weg haben wir, wie ich finde, erfolgreich beschritten. Obwohl wir, auch ein Gebot der Solidarität, uns in dieser Währungsunion so benehmen müssen, dass jeder auch merkt, dass wir 12 oder 13 sind, und nicht nur einer den Ton angeben kann. Nicht jeder kann in seiner Ecke tun was ihm gerade einfällt. Nein, hier müssen Haushaltspolitiken, Wirtschaftspolitiken bis hin zur entwicklungspolitischen Programmgestaltung gemeinsam gestaltet werden, damit sich aus dieser Eurokraft eine Kraft entwickelt, die auch den Europäern selbst, und den Menschen in der sonstigen Welt von Nutzen sein kann.

Mir ist es lieber Europa organisiert seine Macht dadurch, dass es seine Solidaritätswerte pflegt, dadurch dass es solidarisches Verhalten gegenüber anderen Teilen der Welt aufbringt, anstatt dass wir Macht begreifen als einzig und allein die Konzentrierung militärischer Mittel in wenigen Händen, um dadurch so etwas wie eine Vormachtstellung in der Welt beanspruchen zu können.

Nein, nein, Europa braucht auch ein Gewaltmonopol das militärisch zum Einsatz gebracht werden muss, wenn es absolut notwendig ist. Aber der Einsatz militärischer Mittel ist immer nur die allerletzte Option. Es ist nicht die nächste Option, es ist die allerletzte Option. Europa muss nachdem es Frieden auf seinem Kontinent geschaffen hat, auch bereit sein, wenn es sein muss, unter Einsatz militärischer Mittel, friedensstiftend tätig zu werden in anderen Teilen der Welt. Aber die erste europäische Aufgabe kann nicht darin bestehen, dass wir so wie andere, mit Militärgewalt versuchen die Dinge, die in Unordnung geraten sind, weltweit, in die richtige Richtung zu bewegen.

Europa muss zuerst eine zivile Macht sein. Mit den Mitteln der zivilen Konfliktverhinderung, und manchmal auch Konfliktbehinderung versuchen, friedfertig und friedliche Verhältnisse in der Welt zu schaffen. Europa muss Vermittler sein, Europa darf nicht eine Konfrontationsmaschine werden. Und deshalb gehört mit zum europäischen, internationalen Auftrag, die absolut ausbauenswerte zivile Dimension internationalen Handelns.

Wenn wir diese Solidaritätsverpflichtungen ernst nehmen, wenn wir den Menschen erklären, dass es nicht nur reicht Solidarität nach innen auszuüben, und dort ist noch ein weiter Weg zurückzulegen, sondern wenn wir auch vor allem junge Europäer vielleicht neu vom Projekt Europa begeistern können dadurch, dass wir uns auf die europäische Fahne schreiben, dass in den nächsten 20, 30 Jahren Hunger und Armut von der Welt verschwinden müssen, weil die Europäer dies zur absoluten Priorität ihres politischen Handelns machen, dann könnte es uns auch gelingen die europäische Krise in der wir uns zur Zeit befinden, zu überwinden.

Wenn wir nur über Institutionen reden, wenn wir nur über Euro reden, wenn wir nur über Globalisierung reden, wenn wir nur über Prekarisierung reden, nur über Arbeitsmarktreformen die von den Menschen sehr oft als Bedrohung empfinden werden, anstatt ihnen einige einfache, große, weltweit wirkende europäische Projekte in den Mittelpunkt ihres Lebens zu stellen, damit die Europäer, anstatt nur an sich selbst zu denken, sich auch um die Anliegen der Welt kümmern und dort massiv tätig werden, dann können auch junge Menschen vielleicht wieder an Europa glauben.

Ich jedenfalls höre nicht auf an dieses Europa zu glauben.

Danke.