Premierminister Jean-Claude Juncker über die Pendlerströme in Luxemburg sowie die bevorstehende Steuerreform

Luxemburg ist ein Land, das täglich etwa 100 000 Grenzgänger empfängt. Dafür braucht man Verkehrswege. Die Autobahn ins Saarland ist im Bau. Wann wird sie eingeweiht?

Jean-Claude Juncker: Das weiß ich nicht. Ich gehe nie zu Einweihungen. Aber wir wollen sie im April 2003 in Betrieb nehmen. Das hängt jedoch noch davon ab, welche Zeitverzögerung die Sicherheitsmaßnahmen im Markusberg-Tunnel mit sich bringen werden. Wir wollen in diesem Tunnel die nach heutigen Vorstellungen größ3tmögliche Sicherheit haben.

Gerade die Grenzgänger beginnen, nach den Infrastrukturen im Großherzogtum zu fragen. Die Staus nach Deutschland, Frankreich, Belgien zu den Verkehrsspitzenzeiten sind mittlerweile berüchtigt.

Jean-Claude Juncker: Als wir, die Christlich-Sozialen, 1974 die Wahlen verloren hatten, wurde dem damaligen abgewählten Bautenminister von Journalisten vorgeworfen, mit der Autobahn nach Frankreich eine völlig unsinnige Straße durchgesetzt zu haben, an der eines Tages die Kühe die leere Straße bestaunen würden.

Das Gegenteil ist eingetreten, heute beobachten die Autofahrer die Kühe, während sie im Stau stehen. Wie bekommt man den Verkehr wieder flüssig?

Jean-Claude Juncker: Ich weiß, dass unsere Straßeninfrastruktur nicht mehr ausreicht. Aber ich bin dagegen, dass wir als einzige Lösung die Autopisten von zwei auf drei Spuren ausbauen. Wir müssen zu einem vernünftigen Mix von Autoverkehr und öffentlichem Nahverkehr kommen. Mit Lothringen verhandeln wir schon über Park-&-Ride-Systeme. Niemand darf glauben, in 20 Jahren, wenn sich die Zahl der Grenzgänger auf 200 000 eingependelt haben wird, noch so einfach mit dem Auto nach Luxemburg fahren zu können. Wir werden diesen Mix aus privatem und öffentlichem Verkehr schaffen.

Um die Attraktivität des Landes zu erhalten und zu erhöhen, wird das Großherzogtum im kommenden Jahr eine umfangreiche Steuerreform in Gang setzen. Worin liegen die Grundzüge?

Jean-Claude Juncker: Gewerbesteuer und Körperschaftsteuer betragen für Unternehmen heute zusammen 37,5 Prozent.Ab 1. Januar nächsten Jahres sinkt diese Belastung auf 30 Prozent. Die Körperschaftsteuer alleine wird auf 22 Prozent gesenkt. Zum Vergleich: In Deutschland liegt die Körperschaftsteuer bei 25 Prozent.

Bei der Lohn- und Einkommensteuer legt Luxemburg Wert auf eine starke Kinderkomponente. Ab welchem Jahreseinkommen zahlt eine Familie mit zwei Kindern vom kommenden Jahr an überhaupt Steuern?

Jean-Claude Juncker: Wenn man alle Freibeträge und Abzüge mitzählt, dann bezahlt eine solche Familie erst ab einem Jahreseinkommen von 75 000 Mark an Steuern.

Lohnt es sich, in Luxemburg zu wohnen?

Jean-Claude Juncker: Wenn ich der Meinung wäre, dass es sich nicht lohnen würde, dann hätte ich mich beruflich längst verändert. Aber im Ernst: Es lohnt sich, in Luxemburg zu wohnen. In der Großregion gibt es keinen anderen Flecken mit 2500 Quadratkilometern Größe, der auch nur eine ähnliche Lebensqualität aufzuweisen hat wie Luxemburg.

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