"Bankplatz Luxemburg wird gestärkt"

LW: Herr Minister, die ersten Reaktionen auf die am Dienstagabend in Brüssel erzielte Einigung sind gemischt. Es überwiegt aber ein positiver Grundton. Weshalb sind aus Ihrer Sicht die ausgehandelten Punkte ein guter Kompromiss für Luxemburg?

Luc Frieden: Der Kompromiss ist aus mehreren Gründen begrüßenswert. Zunächst gibt er den Banken und deren Kunden Planungssicherheit. Jeder weiß jetzt, was in den nächsten Jahren in Luxemburg geschehen wird. Außerdem kann der Finanzplatz Luxemburg seine Konkurrenzfähigkeit im Privatkundengeschäft bewahren, weil den anderen Finanzzentren in Europa kein Wettbewerbsvorteil aus der Regelung erwächst. Trotz massiven Widerstands konnten wir in letzter Minute zum Koexistenzmodell zurückkehren, das wir immer als eine gute Lösung erachtet haben.

LW: Auf welchen Produkten genau soll ab 2004 eine Quellensteuer in Luxemburg erhoben werden?

Luc Frieden: Von der Quellensteuer werden nur eine begrenzte Zahl von Produkten erfasst. In den Anwendungsbereich fallen Zinserträge aus Produkten wie Sparbücher, Festkonten oder Anleihen. Dividenden, Vermögensgewinne und Versicherungsprodukte sind von der Regelung nicht betroffen. Eine ganze Reihe von Erträgen aus Luxemburger Investmentfonds sind ebenfalls von der Quellensteuerregelung ausgeschlossen. Das trifft zum Beispiel auf Aktienfonds oder thesaurierende Mischfonds zu, die weniger als 40 Prozent ihrer Mittel in Anleihen anlegen. Bei anderen Fonds wird das "Look Through"-Prinzip angewandt. Danach wird nur für den Teil im Fonds, der Zinsen abwirft, eine Besteuerung durchgeführt. Für Fonds, die nicht in Europa aufgelegt werden, aber in Europa eine Zahlstelle haben, gelten die gleichen Bedingungen. Für den Investmentfondsstandort Luxemburg gilt dieser stark begrenzte Anwendungsbereich als eine gute Nachricht.

LW: Welcher Anlegerkreis fällt unter die geplante Richtlinie?

Luc Frieden: Es sind nur Gebietsfremde aus der Europäischen Union, die unter die Regelung fallen. In Luxemburg sind das Anleger, die nicht in Luxemburg wohnen, aber von einer Luxemburger Bank Zinserträge erhalten. Sie werden zwischen 2004 und 2007 mit 15 Prozent und von 2007 bis 2010 mit 20 Prozent besteuert. Nach 2010 steigt der Quellensteuersatz auf 35 Prozent. Besteuert sind lediglich physische Personen. Gesellschaften fallen nicht unter die Regelung.

LW: Wie sieht die Situation für einen Luxemburger aus, der sein Geld im Ausland angelegt hat?

Luc Frieden: Die Zinserträge eines in Luxemburg Wohnenden, die er aus z.B. Ersparnissen in Deutschland einstreicht, werden ab 2004 automatisch an das Luxemburger Finanzamt gemeldet. Jemand, der sein Geld in Belgien angelegt hat, wird dort mit dem gleichen Satz wie in Luxemburg an der Quelle besteuert. Keine Änderung gibt es für den luxemburgischen Kunden, der in Luxemburg wohnt und auch hier Zinsen erhält.

LW: Die geplante Direktive sieht also vor, dass Gebietsfremde und Gebietsansässige in einem Land steuerlich unterschiedlich behandelt werden. Riskiert eine solche Regelung nicht, vom Europäischen Gerichtshof zu Fall gebracht zu werden?

Luc Frieden: Das ist eine berechtigte Frage, die man sich stellen kann. Es verhält sich jedoch auch so, dass schon heute Gebietsfremde und Gebietsansässige unterschiedlich besteuert werden. Und in einer begrenzten Zahl von Fällen wurde diese unterschiedliche Steuerbehandlung vom Europäischen Gerichtshof bestätigt. Für die Luxemburger Regierung wäre es eine bessere Lösung gewesen, wenn es europaweit eine einheitliche Regelung mit Minimalsätzen gegeben hätte. Das wäre eher eine europäische Besteuerung gewesen als das System, auf das wir uns am Dienstag geeinigt haben. Durch die jetzt vorgesehene Regelung werden die nationalen Steuersysteme auf Kosten einer europäischen Harmonisierung gestärkt.

LW: Auch in der Unternehmensbesteuerung ist es zu einer Einigung gekommen, welche die Luxemburger Holdinggesetzgebung betrifft? Wie sieht dieses Resultat aus?

Luc Frieden: Für die bestehenden Holdinggesellschaften wurde eine Ausnahmeregelung zugestanden. Es wird keine Änderung bis 2010 erforderlich sein. Das ist eine gute Nachricht für die 14.000 Holdinggesellschaften, die es in Luxemburg gibt.

LW: Es heißt, das Resultat der jetzt vorliegenden politischen Einigung sei günstiger ausgefallen als der Kompromiss von Feira. Können Sie diese Behauptung begründen?

Luc Frieden: In Feira hatten die Briten den automatischen Übergang zum Informationsaustausch für alle EU-Mitgliedländer vorgesehen. Wir haben immer wieder betont, dass wir nur zu einem solchen Schritt bereit sind, wenn sich die Schweiz ebenfalls an einem solchen System beteiligt. Jetzt haben wir in Brüssel die Einführung einer Quellensteuer ab 2004 vereinbart, die in Luxemburg und allen Drittstaaten die gleiche Höhe haben wird. Zu einem Informationsaustausch in einer Endstufe wird es nur kommen, wenn die Schweiz und die anderen Länder ebenfalls zu einer Lockerung ihres Bankgeheimnisses bereit sind. Wenn die Schweiz einen solchen Schritt plant, muss zuvor zwischen der EU und der Alpenrepublik noch eine Vereinbarung getroffen werden. Diese muss einstimmig von den EU-Finanzministern angenommen werden. Ich denke aber, dass sich die Schweiz weder heute noch in einigen Jahren einem Informationsaustausch - automatisch oder auf Anfrage - anschließen wird. Im Klartext: Das Bankgeheimnis besteht weiterhin in Luxemburg.

LW: Bei diesem Informationsaustausch geht es um Nuancen. Gemäss den Vereinbarungen würde sich Luxemburg an einem automatischen System beteiligen, wenn die Schweizer nur auf Anfrage Informationen über Anleger an ein anderes Land erteilen müssten. Grundlage für einen solchen Weg ist das OECD-Modell von 2002, das nicht mehr daran festhält, dass der Straftatbestand in beiden Ländern gleichzeitig geben sein muss. Ist es realistisch anzunehmen, dass die Schweiz einmal ihre Zustimmung zu einem solchen System, das Anfragen aller Art aus dem Ausland zulässt, gegeben wird?

Luc Frieden: Ich glaube in der Tat nicht, dass die Schweiz in den nächsten Jahren zu einem solchen Schritt bereit ist. Würde sie es trotzdem tun, müsste sie diesen Informationsaustausch ein Jahr früher einleiten als Luxemburg. Diesen wichtigen Punkt konnten wir in den Verhandlungen durchsetzen.

LW: Die konkrete Umsetzung der jetzt vorliegenden politischen Einigung ist wie der Kompromiss von Feira an eine Reihe von nicht unwesentlichen Bedingungen geknüpft, welche die Schweiz erfüllen muss. Die Schweiz saß aber nicht am Verhandlungstisch in Brüssel und muss ihre Zusage erst noch geben. Wie realistisch ist es, dass die geplante Zinssteuerrichtlinie nun auch tatsächlich Gesetzeskraft erhält?

Luc Frieden: Ich kann nicht für die Schweizer antworten. Was wir jetzt in Brüssel abgemacht haben, war vorher bereits in großen Zügen zwischen der Kommission und der Schweiz diskutiert worden. Ich gehe aber davon aus, dass es zu einer Einigung mit der Schweiz kommt. Wichtig für uns ist, dass wir im März einstimmig sowohl über die Zinsrichtlinie, die jetzt noch erarbeitet werden muss, wie auch über den Vertrag mit der Schweiz abstimmen werden. Wir werden in Luxemburg nur dann mit einer Quellensteuer starten, wenn alle Drittstaaten zum gleichen Schritt bereit sind. Wenn die Schweiz nicht mit der jetzt getroffenen Vereinbarung einverstanden ist, ist die politische Einigung vom 21. Januar hinfällig. Ein Knackpunkt ist die Nichtdiskriminierungsklausel, die entgegen bisherigen Absprachen mit der Schweiz nicht aufrecht erhalten werden konnte. Die Schweiz wird die gleichen Steuersätze wie Luxemburg anwenden, auch bei Treuhandgeschäften.

LW: Herr Frieden, nehmen wir an wir sind im Jahr 2011. In Luxemburg werden Zinserträge eines gebietsfremden Deutschen mit 35 Prozent besteuert. In Deutschland wären unter Umständen für den gleichen Zinsbetrag nur 25 Prozent fällig. Wäre in einem solchen Fall eine Geldanlage in Luxemburg steuerlich nicht eindeutig benachteiligt?

Luc Frieden: Zunächst erheben wir zwischen 2004 und 2010 eine Quellensteuer in Höhe von 15 bzw. 20 Prozent. Das ist deutlich weniger als die Sätze, die gegenwärtig in vielen anderen Ländern der EU angewandt werden. Sollte es wirklich dazu kommen, dass wir einmal auf 35 Prozent kommen und die Sätze anderer Länder niedriger lägen, könnten sich die Betroffenen in ihrem Heimatland die zu viel gezahlte Steuer erstatten lassen. Wichtig ist es aber vor allem darauf hinzuweisen, dass viele Länder wie zum Beispiel Deutschland keine stabile Steuerpolitik betreiben. Dadurch ist das Vertrauen des deutschen Steuerzahlers erschüttert. Für diesen bleibt der Finanzplatz Luxemburg von Interesse, da in unserem Land Stabilität in solchen Fragen besteht. Der Anleger, der nach Luxemburg kommt, weiß jetzt genau wie er in den nächsten Jahren besteuert wird.

LW: Ein automatischer Informationsaustausch auf der einen Seite, eine Quellensteuer von 35 Prozent auf der anderen Seite - bleibt bei einer solch anspruchsvollen Regelung die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzmärkte - die in Feira gefordert worden war - noch gewahrt?

Luc Frieden:Das Risiko, dass viele Kunden ihr Geld außerhalb von Europa bringen, halte ich für gering. Der traditionelle Kunde, so wie wir ihn in Luxemburg kennen, möchte sein Geld in einem Land in Europa mit stabilen Verhältnissen anlegen. Die Konkurrenten von Luxemburg befinden sich in Kontinentaleuropa, deshalb haben wir uns um eine europäische Lösung bemüht.

LW: Wie schätzen Sie die gesamten Auswirkungen der politischen Einigung auf den Finanzplatz Luxemburg ein?

Luc Frieden: Das Abkommen wird eine Stärkung für den Finanzplatz Luxemburg darstellen. Der wesentliche Kritikpunkt, Luxemburg sei ein Hort von unversteuertem Geld, wird verschwinden. In Zukunft wird sich diese Frage nicht mehr stellen. Dadurch wird sich auch das Image des Finanzplatzes Luxemburg verbessern. Und die Kunden haben die Gewissheit, dass das Bankgeheimnis für viele weitere Jahre besteht. Es wird definitiv vorbei sein mit den Unsicherheiten, die das Bankzentrum in der Vergangenheit destabilisiert haben. Ich bin überzeugt, dass das Privatkundengeschäft in der Zukunft in Luxemburg sogar zunimmt. Wir werden die Rahmenbedingungen noch verbessern.

LW: Sie gehen nicht davon aus, dass in einigen Jahren die Diskus-sionen wieder aufflammen und die Forderung zum Beispiel von der OECD nach einer Abschaffung des Bankgeheimnisses erneuert werden könnte?

Luc Frieden: Wir werden in den nächsten Jahren in dieser Frage mehr Ruhe haben. Die Diskussionen in der OECD muss man sorgfältig verfolgen. Aber in der EU ist das Thema, das uns zwölf Jahre beschäftigt hat, vom Tisch. Der Druck wird nachlassen.

LW: 1989 legte Luxemburg sein Veto ein als es um eine Quellensteuer von nur 15 Prozent ging. Wäre es nicht besser gewesen, Luxemburg hätte der damals auf dem Tisch liegenden Zinssteuerrichtlinie zugestimmt?

Luc Frieden: Es ist schwierig, die damalige Entscheidung aus der Sicht von 2003 zu bewerten. Der Finanzplatz und dessen Kunden präsentierten sich anders als heute. Der heutige Kunde sucht Knowhow und einen legalen Weg, sein Geld anzulegen, mit dem Ziel, dass die Anlage eine gute Rendite abwirft. Die Situation von heute ist nicht mit jener von 1989 zu vergleichen.

LW: Ein früheres Regierungsmitglied hat einmal inoffiziell erklärt, dass der Luxemburger Staat alle andern Steuern abschaffen könnte, falls das Land ein Viertel der Erträge aus der geplanten neuen Quellensteuer für sich behalten kann. Der Verteilungsschlüssel ? ein Viertel für das Land, in dem die Steuer abgeführt wird und drei Viertel für das Wohnsitzland des Anlegers ? wurde jetzt bestätigt. Mit wie viel Mehreinnahmen rechnen Sie als Budgetminister?

Luc Frieden: Wir haben noch keine Berechnungen durchgeführt. Solche Schätzungen sind auch nicht möglich, weil man nicht weiß, in welchen Produkten die Anleger 2004 ihr Geld angelegt haben werden, zumal auch in Erwartung der Quellensteuer mit Umschichtungen zu rechnen ist.

LW: Wie sieht der weitere Zeitplan aus? Wann wird die Zinsrichtlinie zur Abstimmung gelangen?

Luc Frieden: Im März sollen die Verträge mit den Drittstaaten vorliegen. Diese Abkommen werden am gleichen Tag wie die Zinsrichtlinie zur Abstimmung gelangen. Alle Entscheidungen müssen einstimmig getroffen werden. Dann muss die Direktive in allen Ländern in nationales Recht umgesetzt werden. Die Zeit ist knapp bemessen. Es ist aber klar, dass Luxemburg nur die Quellensteuer erhebt, wenn alle anderen Länder gleichzeitig ihre Verpflichtungen eingehen.

LW: Herr Frieden, vielen Dank für das Gespräch

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