Henri Grethen, Transportminister: Keine Option versperren

REVUE: Welches würden Sie als das Herzstück des neuen Streckennetzes für Schienenfahrzeuge bezeichnen, das Sie vor zwei Wochen der Öffentlichkeit vorgestellt haben?

Henri Grethen: Das Projekt betrifft die Anbindung des Kirchberg-Plateaus und des Findel an das bestehende Eisenbahnnetz und wird in zwei Phasen verwirklicht. In der ersten Phase wird der bestehende Schienenstrang zwischen dem Hauptbahnhof und Dommeldingen mit dem Plateau Kirchberg verbunden. Ab 2007 werden dann Fahrzeuge des neuen Typs "Train-Tram" sowohl aus Richtung Dommeldingen wie auch vom Hauptbahnhof aus nach Kirchberg fahren. In der zweiten Phase wird der Bahnhof Luxemburg für traditionelle Eisenbahnzüge über Irrgarten mit dem Findel angebunden. Um den Kreis zu schließen, führt diese Strecke dann auch weiter nach Kirchberg. Der unterirdische Bahnhof am Flughafen wird allerdings in der ersten Phase mitgebaut, da zu der Zeit ohnehin ein neues Flughafengebäude errichtet wird.

REVUE: Muss neues Rollmaterial angeschafft werden?

H.G.: Über Fahrzeuge, die sowohl auf den bestehenden Zugstrecken als auch auf der neuen Tramstrecke auf Kirchberg fahren können, verfügen wir noch nicht. Es gibt zurzeit jedoch ein Problem, da der Preis, den der Hersteller für die Spezialfahrzeuge verlangt, mir zu hoch erscheint. Die möchten uns wohl an den Entwicklungskosten zugunsten aller künftigen Käufer in der ganzen Welt beteiligen.

REVUE: Ihre Streckenführung lässt das Stadtzentrum außer Acht. Ist das nicht ein großer Nachteil?

H.G.: Nein. Studien der vorigen Regierung haben lediglich im günstigsten Szenario leichte sozio-ökonomische Vorteile für das damalige BTB-Projekt ergeben. Für die Bürger aus den Vierteln der Stadt hätte der BTB den Nachteil gebracht, dass sie öfters hätten umsteigen müssen. Wer im BTB-System von Bonneweg ins Stadtzentrum hätte fahren wollen, wäre mit dem Bus zum Bahnhof gefahren und hätte dort auf die Tram umsteigen müssen. Für Passagiere allerdings, die etwa aus Bettemburg oder Düdelingen ins Stadtzentrum müssen, hätte der BTB mehr Komfort bedeutet.

REVUE: Wird bei Ihrem Projekt nicht der berühmte Clausener Halt wieder aktuell, da die Tram nun über die bestehende Eisenbahnstrecke fährt?

H.G.: Nein, topographisch ist das nicht realistisch. Wie viele Leute, glauben Sie, würden es auf sich nehmen, den halben Clausener Berg hinauf zu Fuß in die Oberstadt zu gehen? Erst mal einen Haltepunkt errichten, und danach feststellen, dass er nicht benutzt wird, das ist mit mir nicht zu machen.

REVUE: In einer vom "Mouvement Ecologique" in Auftrag gegebenen Umfrage sprechen sich fast zwei Drittel der Befragten für eine Trasse durch das Stadtzentrum aus. Auch unter den Stadtbürgern ist mehr als die Hälfte dafür. Ist das kein Argument?

H.G.: Ich lasse mich nicht durch Umfragen aus meinem Konzept bringen. Wenn das Parlament mir die notwendigen Kredite gewährt, wird das Projekt so realisiert, wie ich es vorgestellt habe. Die Umweltbewegung ihrerseits hat keine politische Verantwortung zu tragen. Sowieso habe ich den Eindruck, der "Mouvement Ecologique" ist immer für eine andere Lösung als die, die ich vorschlage.

REVUE: Sie erklären jedoch selber, das Projekt sei derart angelegt, dass eine Weiterführung in die Oberstadt jederzeit möglich ist. Warum dann nicht gleich der BTB?

H.G.: Sowohl die Regierungserklärung als auch das Programm des hauptstädtischen Schöffenrates sehen vor, dass keine Tram durch die Stadt gebaut wird. Daran halte ich mich. Ich bin allerdings nicht der Meinung, dass ich das Recht habe, alle weiteren Optionen, die eventuell einer meiner Nachfolger trifft, zu versperren.

REVUE: Welche positiven Auswirkungen kann man von Ihrem Projekt auf die Verkehrssituation in der Stadt erwarten?

H.G.: Auf Kirchberg werden derzeit 93 Prozent der Fahrten im Auto zurückgelegt, und nur sieben Prozent mit öffentlichen Transportmitteln. Ich möchte dort zumindest das Verhältnis erreichen, das in der Stadt herrscht: 75 zu 25 Prozent.

REVUE: Ingenieur Georges Schummer hat auf privater Basis ein Projekt vorgelegt, das unter dem Kürzel BB bekannt ist und eine unterirdische Eisenbahnverbindung unter der Stadt vorsieht. Haben Sie das Projekt studiert?

H.G.: Ich habe ein ausländisches Studienbüro damit beauftragt, den Vorschlag des Herrn Schummer zu analysieren und aufseine Finanzierbarkeit hin zu überprüfen.

REVUE: Und wenn das BB-Projekt sich als das bessere herausstellen würde, könnte es dann in dieser Phase noch berücksichtigt werden?

H.G.: Warten wir ab, was bei der Studie herauskommt. Aber es scheint mir, als sei das Projekt BB weniger vollständig als das unsere.

REVUE: Herr Schummer kritisiert Ihr Konzept als unlogisch, da Hybridrollmaterial angeschafft werden muss, d. h. Fahrzeuge, die gleichzeitig als Zug und als Tram fahren können. Wäre es nicht in der Tat ein Vorteil, wenn überall mit klassischen Zügen gefahren würde, da der Stadtkern ohnehin ausgeklammert ist?

H.G.: Man muss bedenken, dass die anzuschaffenden Tramfahrzeuge nicht nur vom Hauptbahnhof nach Kirchberg fahren, sondern auf dem gesamten CFL-Netz eingesetzt werden können. Außerdem ist die Steigung von der Nordstrecke hinauf auf den Kirchberg zu steil für reines Zugmaterial.

REVUE: Bequemlichkeit und kurze Fahrzeiten sind die wichtigsten Voraussetzungen für einen kundenfreundlichen öffentlichen Transport. Kann man also 2007 ohne Umsteigen von Mersch, Thionville oder Bascharage nach Kirchberg fahren?

H.G.: Von Mersch und Bascharage wird es ab Fertigstellung der ersten Phase, also ab 2006 oder 2007 möglich sein, mit der Trambahn direkt und ohne Umsteigen nach Kirchberg zu fahren. Problematischer sieht es mit Thionville aus. Es ist bahntechnisch kaum möglich, die Kapazität dieser Strecke zu erhöhen, deshalb planen wir den Bau eines zusätzlichen Gleises zwischen Luxemburg und Bettemburg. Ein weiteres Problem besteht bei Thionville darin, dass wir mit unserer Tram auf ein ausländisches Streckennetz fahren müssten.

REVUE: Wie lange soll die Fahrt vom Hauptbahnhof zum FIL-Terminus dauern?

H.G.: Dazu kann ich mich heute noch nicht äußern. Warten Sie ab, bis wir das Material haben und die Fahrpläne erstellt sind.

REVUE: Georges Schummer und Mady Delvaux-Stehres werfen Ihnen vor, auf Kirchberg den Boulevard Kennedy für die Streckenführung ausgesucht zu haben. Liegt der nicht etwas abgelegen von den Arbeits- und Wohngebieten?

H.G.: Die Trasse, die wir auf dem Kirchberger Plateau ausgesucht haben, ist millimetergenau dieselbe wie die, die für den BTB vorgesehen war. Die Tram kann nicht über den Kirchberg schlängeln, um jedem eine Haltestelle vor der Tür einzurichten.

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