Henri Grethen: Kein Krieg für die Konjunktur - Wirtschaftsminister Grethen kommentiert die Wirtschaftsdaten

Telecran: Herr Grethen, befinden wir uns in einer Rezession?

Henri Grethen: Wie kommen Sie denn darauf? Was das Statec geschrieben hat, bezieht sich auf das Jahr 2002. Über 2003 wird nichts gesagt.

Telecran: Das Statec selbst hat das Wort "Rezession" in den Mund genommen.

Henri Grethen: Noch im November sprach das Statec von einem Wirtschaftswachstum von 0,5 Prozent. Zurzeit ist nur gewiss, dass es mehr oder aber weniger werden kann. Im Augenblick vermag also noch niemand zu sagen, ob wir im vergangenen Jahr ein negatives Wirtschaftswachstum hatten oder nicht. Daraus zu schließen, wie es manch einer getan hat, wir kämen 2003 in eine Rezession, halte ich für völlig falsch.

Telecran: Wie geht es denn dann weiter?

Henri Grethen: Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass es 2003 schlechter gehen wird als 2002! Nach wie vor liegt unsere Prognose bei zwei Prozent Wachstum. Das hat mit Rezession nichts zu tun. Doch bei Prognosen ist immer Vorsicht angebracht.

Telecran: Sie wollen demnach auch nichts von Rezession wissen?

Henri Grethen: Nein. Zum jetzigen Zeitpunkt wäre das verfrüht. Die Unternehmen teilen dem Statec ihre 2002er-Ergebnisse ja erst mit. Im Mai gibt es dann eine erste Schätzung des BIP für das gesamte abgelaufene Jahr, Ende September folgt eine zweite. Die endgültige BIP-Berechnung wird aber erst 40 Monate nach dem 31. Dezember 2002 vorliegen. Das ist EU-Standard.

Telecran: Trotzdem die Frage: Wie ernst ist die Lage?

Henri Grethen: Unser Wirtschaftswachstum ist nicht mehr so stark wie früher. Aber wir waren verwöhnt, da ist eine Verlangsamung der Konjunktur umso schmerzlicher. Jetzt aber zu behaupten, man hätte das in dem Umfang vorhersehen müssen, das ist natürlich einfach.

Telecran: Wie ist es denn zu der Verlangsamung gekommen?

Henri Grethen: Wenn auf den Märkten weltweit Unsicherheit herrscht, wenn es den Wirtschaftsakteuren an Vertrauen mangelt, wenn die Börsen nach unten zeigen, wenn der Euro gegenüber dem Dollar zulegt und Exporte in die USA verteuert und wenn dann auch noch ein Krieg im Irak droht, dann trägt das sicher nicht dazu bei, dass die Wirtschaft in Europa einen neuen "Drive" erhält.

Telecran: A propos Irak. Würde ein Krieg der Wirtschaft eher schaden oder nutzen?

Henri Grethen: Im Irak wird es sicher nicht zu einem Krieg kommen, um die Konjunktur anzukurbeln. Das wäre doch pervers! Die wichtigste Frage ist denn auch: Wie können wir uns einer schrecklichen Diktatur, die unter Umständen sogar Massenvernichtungswaffen besitzt, entledigen, ohne in den Krieg zu ziehen? Ich hoffe, dass wir einen Ausweg finden. Krieg nutzt keiner Wirtschaft – und je länger er dauert, desto größer ist der Schaden!

Telecran: Zurück zur Luxemburger Ökonomie. Wie will die Regierung der Flaute begegnen?

Henri Grethen: Wenn wir 2002 ein negatives Wirtschaftswachstum feststellen sollten, können wir das nicht mehr ändern. 2003 wollen wir die Entwicklung auf den Märkten aber genauestens verfolgen. Akuten Handlungsbedarf besteht in den Augen der Regierung aber nicht: Die Steuern sind niedrig und das Budget sieht hohe Investitionen vor. Trotzdem soll Vorsicht bei den Ausgaben walten.

Telecran: Was aber tun, wenn die Staatseinnahmen einbrechen: Investitionsstopp, Steuererhöhungen oder gar Gehälterkürzungen?

Henri Grethen: Wer sagt denn so was? Nichts deutet auf so einen Einbruch hin! Wir wollen also weder die Investitionen zurückfahren, noch die Steuern erhöhen – und am "Accord salarial" wird auch nicht gerüttelt.

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