Henri Grethen: Wir müssen zunächst die Prioritäten erkennen, um dann gezielt vorgehen zu können

Luxemburger Wort: Die Modernisierung des Flughafens ist mittlerweile zu einem echten Monster von Loch Ness geworden. Wann endlich wird das Projekt Wirklichkeit?

Henri Grethen: Die Arbeiten am Terminal "petit porteur" haben begonnen, und ich hoffe, dass sie spätestens im kommenden Jahr abgeschlossen sein werden. Dann können wir auch den Bau der neuen Aérogare in Angriff nehmen. Es handelt sich um einen Neubau und nicht um einen Ausbau des Flughafens. Wir wollen die Infrastrukturen anpassen. Es geht letztlich darum, wie wir ausländische Gäste in Luxemburg empfangen wollen und unter welchen Bedingungen die Angestellten des Flughafens arbeiten werden. Derzeit haben wir 1,6 Millionen Fluggäste im Jahr, und das heutige Flughafengebäude wurde für 1,1 Millionen Passagiere gebaut. Die neue Infrastruktur ist für jährlich drei Millionen Passagiere konzipiert und soll eine Visitenkarte für die Europahauptstadt und das Land sein.

LW: Nun hat aber am vergangenen Dienstag das Umweltministerium das Projekt wieder gestoppt. Wird der Flughafen eine unendliche Geschichte?

H.G.: Wir mussten ein Kommodo-Inkommodo-Verfahren beantragen sowohl für die gesamte Modernisierung des Flughafens als auch für die einzelnen Projekte, wie Erneuerung der Aerogare und Bau des Terminals. Für die einzelnen Projekte liegen alle Genehmigungen vor, was aber nicht der Fall ist für den gesamten Flughafen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass das Innenministerium uns den "Plan d'occupation des sols" noch nicht zugestellt hat und wir unseren Kommode-Antrag deshalb nicht vollständig einreichen konnten. Bis auf weiteres wird das Umweltministerium den Kommode-Antrag in der Schwebe halten, derweil das Innenministerium den "Plan d'occupation des sols" bis spätestens Ende April nachreichen wird. Dies wird dann zu einer Befragung der Anwohner rühren, wonach dann später ein großherzogliches Reglement ausgearbeitet werden kann.

LW: Die Zahl von drei Millionen Passagieren macht einigen Interessenvertretern am Flughafen Angst. Sind diese Ängste berechtigt?

H.G.: Die Zahlen beruhen auf Studien, die von "Aeroports de Paris" durchgeführt wurden und die einen weiteren Anstieg der Flugpassagiere vorsehen. Es wäre falsch, jetzt eine Flughafenhalle zu bauen, die sich vielleicht bereits in fünf Jahren als zu klein erweisen würde. Luxair hat zur Zeit eine Flotte mit kleinen Sitzkapazitäten. Man kann aber davon ausgehen, dass in Zukunft die Flugzeuge größer werden, so dass das Passagierwachstum nicht unbedingt durch einen starken Anstieg der Flugbewegungen herbeigeführt wird. Übrigens konnte im vergangenen Jahr auch die Zahl der Nachtflüge stark verringert werden. Ich hatte mich vor dem Parlament und bei den Anwohnern des Flughafens dazu verpflichtet.

LW: Einer der großen Nutzer des Flughafens ist Cargolux, die als Perle der Luxemburger Wirtschaft gilt. Kann das Unternehmen sich überhaupt noch weiter entwickeln angesichts der Einschränkungen auf Findel?

H.G.: Cargolux ist tatsächlich eine Perle der Luxemburger Wirtschaft. Zusammen erwirtschaften Luxair und Cargolux 1,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes und beschäftigen 3.500 Angestellte. Zählt man die Randaktivitäten des Flughafens hinzu, dann ist der Findel ein Standbein der Luxemburger Wirtschaft, das auch gepflegt werden muss. Wir ermutigen die Cargolux dazu, ihre Aktivitäten verstärkt im Ausland auszubauen und nicht unbedingt alles auf Findel zu konzentrieren. Eine Initiative in diesem Zusammenhang betrifft das Bereitstellen von Frachtkapazitäten am Flughafen Frankfurt. Auch versuchen wir, "Open-Sky"-Abkommen für den Frachtverkehr mit möglichst vielen anderen Staaten abzuschließen. Dies soll der Cargolux ein harmonisches Wachstum im Ausland ermöglichen.

LW: mobilitéit.lu beruht auf einem starken Bevölkerungszuwachs in den kommenden Jahrzehnten. Macht das Projekt in Zeiten des Abschwungs überhaupt noch Sinn?

H.G.: Zusammen mit anderen Ministerien ist die Regierung damit beschäftigt, ein integriertes Verkehrs- und Landesplanungskonzept (IVL) auszuarbeiten. Im September dieses Jahres soll der Abschlussbericht vorliegen. Danach können wir den "plan sectoriel transport" abschließen, der noch in dieser Legislaturperiode unter Dach und Fach sein soll. Einige Element davon haben wir aber bereits in der Öffentlichkeit publik gemacht, zum Beispiel die Anbindung des Kirchbergs an das Schienennetz. Wir arbeiten mit den Zahlen, die auch im IVL angewandt wurden. Wir haben analysiert, wie wird der Kirchberg und auch andere Landesteile in Zukunft aussehen, und wie werden sich andere Landesteile entwickeln. Unser Ziel ist ein Modal-Split 25/75, den die Stadt Luxemburg teilweise schon erreicht hat. Ausnahme ist der Kirchberg, wo nur sieben von hundert Bewegungen mit dem öffentlichen Transport ausgeführt werden.

LW: Welches sind die einzelnen Projekte?

H.G.: Ich habe einige Module im Schienenverkehr vorgestellt, wobei wir auf die Erfahrungen der Eisenbahn zurückgegriffen haben: Der Nordausgang des Hauptbahnhofs muss restrukturiert werden, auch im Hinblick auf die Anbindung des Findels und des Kirchbergs. Das Gesetz vom Juli 2000 sieht einen Ausbau der Strecke Luxemburg-Bettemburg vor, um größere Kapazitäten auf diesen Gleisen zu ermöglichen. Die Strecke Petingen-Luxemburg soll zweigleisig werden. Zwischen Esch und Luxemburg soll eine Direktanbindung hergestellt werden, die mit "Train-Trams" befahren werden kann. Ab 2007 wird der TGV nach Luxemburg fahren, was wiederum ein neues Betriebskonzept für die Bettemburger Strecke erfordert. All diese Module ergeben ein Ganzes, machen aber auch einzeln genommen Sinn. Wir müssen deshalb zunächst die Prioritäten erkennen, um dann im Rahmen des mehrjährigen Investitionsprogramms gezielt vorgehen zu können.

LW: Betrachtet man die vielen Projekte, kommt man zum Schluss, das Ihre Vorgänger im Ministerium nicht viel geleistet haben...

H.G.: Ich habe im Parlament in einer Interpellation über den Öffentlichen Transport darum gebeten, dass man meine Aktivitäten mit denen meiner Vorgänger auf Basis von konkreten Beispielen vergleichen sollte. Wenn ich auch nur einen einzigen Kilometer Schiene lege, ist dies bei weitem mehr als das, was meine Vorgänger geleistet haben.

LW: Im Parlament wurde behauptet, die Train-Trams in Belval-West seien gekippt worden. Ist das so?

H.G.: Wenn in den Industriebrachen im Jahr 2005 die ersten Infrastrukturen wie Kinos oder Rockhalle in Betrieb sein werden, dann wird 150 Meter davon entfernt ein Bahnhof zur Verfügung stehen. Von dort aus werden wir in einer zweiten Etappe die Gleise bis nach Beles verlängern, die dann auch mit Trams befahren werden. Die Promovierungsgesellschaft der Industriebrachen Agora hat inzwischen vorgeschlagen, auf dem Gelände selbst noch kein definitives Gleisnetz einzuplanen, da dieses das Projekt nur verteuern, dafür aber keinen direkten Nutzen bringen würde. Vorerst werden wir deshalb einen attraktiven Busdienst einrichten, der auch bei weitem flexibler sein wird.

LW: Am 15. März trat die erste Etappe der Schienenliberalisierung in Kraft. Hat die CFL überhaupt eine Chance in einem liberalisierten Umfeld?

H.G.: Ich sehe keinen öffentlichen Transport in Luxemburg ohne die Eisenbahn. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass die Luxemburger Eisenindustrie auf die CFL verzichten könnte. Die Herausforderung, die auf die Bahn zukommt, ist die Liberalisierung der Schienennetze. Die CFL hat ein großes Know-How und ein gut ausgebildetes Personal und müsste deshalb in dem internationalen Umfeld berechtigte Chancen haben. 1999 habe ich bei der Eisenbahn nach der Strategie des Unternehmens gefragt. Ich möchte die Stärken und Chancen der CFL sowie die Gefahren, die auf das Unternehmen zukommen, aus der Sicht des Managements kennen lernen. Eine Gefahr ist ohne Zweifel die große Abhängigkeit des Unternehmens. Im Frachtbereich macht die CFL 80 Prozent ihres Umsatzes mit Arcelor. Die Stahlgruppe ist in Belgien verantwortlich für 25 Prozent des Frachtumsatzes der SNCB, und in Frankreich für sieben Prozent der SNCF. Wenn Arcelor seine Frachtkapazitäten bündelt, dann sollte die Luxemburger Eisenbahn einen Weg finden, um das Bestehende, die 80 Prozent im Inland, zu retten. Ein Weg dazu ist sicherlich die Kooperation mit den Eisenbahnen der Nachbarregionen. Ich kann Denkanstöße geben, die kommerzielle Ausrichtung des Unternehmens muss aber vom Management ausgehen.

LW: Die Einführung des gebührenpflichtigen Parkens in den Industriezonen der Hauptstadt stößt auf erheblichen Widerstand sowohl bei den Arbeitnehmern als auch bei den Arbeitgebern. Vorgeworfen wird, dass das Angebot nicht vorhanden sei, damit der Arbeitnehmer mit Bus und Bahn zu seinem Arbeitsplatz gelangen kann. Sind Sie nicht doch der Auffassung, dass die Stadt Luxemburg den zweiten Schritt vor dem ersten Schritt gemacht hat?

H.G.: Das Vorhaben der Stadt Luxemburg macht als Ganzes Sinn. Nur wurden Teilaspekte dieses Projektes frühzeitig bekannt, was zu Missverständnissen geführt hat. Die Stadt Luxemburg kann aber nicht länger zusehen, dass weiter Verkehr in die Hauptstadt einfließt. Sie will den öffentlichen Verkehr ausbauen. Man kann es ihr nicht verdenken. Ich bin zuversichtlich, dass ab l. Juli das Angebot vorhanden sein wird und die Hauptstadt ein kohärentes Konzept vorlegen wird.

Dernière mise à jour