Jean-Claude Juncker: Wir sind klein, aber nicht blöd

Herr Juncker, Sie sind ein großer Trier-Fan. Woher kommt ihre Zuneigung zu Deutschlands ältester Stadt?

Jean-Claude Juncker: Ich mag das Ambiente. Es gibt nicht viele Städte, in denen sich der Besucher spontan wohl fühlt. Trier ist eine davon. Meine besondere Beziehung zu Trier ist übrigens schon etwas älter. Trier war in meiner frühen Jugend die einzige deutsche Stadt, die ich kannte. Deshalb habe ich jahrelang Trier und Deutschland miteinander verwechselt. Mittlerweile habe ich aber gemerkt, dass Trier nicht Deutschland ist und Deutschland nicht Trier. Damit will ich die Trierer nicht beleidigen, sondern hervorheben...

Geht's auch etwas konkreter, Herr Premierminister...

Jean-Claude Juncker: Ich mag die Stadt und ihre Menschen. Die Trierer sind den Luxemburgern sehr ähnlich. Die Leute sind bodenständig, fleißig, ernsthaft und haben trotzdem Lust zu leben. Und bei allem sind sie nicht provinziell. Trier ist ja eine weltoffene Stadt. Gleiches gilt für Luxemburg. Kurzum: Wir sind beide klein, aber nicht blöd.

Gibt es auch etwas, was Ihnen an Trier und der Umgebung missfällt?

Jean-Claude Juncker: Was mir an Trier nicht gefällt, ist das, was mir auch an der Welt nicht gefällt: Dass man die guten Dinge normal findet und sich nie darüber Gedanken macht, dass es auch wesentlich schlechter sein könnte. Trier und Luxemburg sind bestimmt nicht der Himmel auf Erden. Aber die Hölle sieht anders aus.

Aber es gibt doch bestimmt auch Unterschiede zwischen den Menschen in der Region Trier und den Luxemburgern...

Jean-Claude Juncker: Wenn ich in Trier bin, fühle ich mich nie im Ausland. Und ich weiß aus unzähligen Gesprächen auf der Straße, dass die meisten Luxemburger genauso empfinden. Und ein Trierer, der nach Luxemburg fährt, fährt nicht ins Ausland. Ich glaube, dass sich ein Trierer in Luxemburg unendlich wohler fühlt als in Mainz.

Hat das Auswirkungen auf ihren Job als Premierminister?

Jean-Claude Juncker: Als Regierender in Luxemburg ist es einfach normal, den Trierer Raum immer mit im Blick zu haben. Ich telefoniere laufend mit Politikern aus der Region Trier, ich rede mit Arbeitgebern, Gewerkschaften und ganz normalen Leuten. Es ist einfach Teil meines Jobs, die Trierer Dinge mitzubedenken. Das Wertvolle an unserer Zusammenarbeit ist eben, dass sie so undramatisch ist.

Sie haben die Region jetzt relativ klein gefasst. In Sonntagsreden sprechen die Politiker hüben wie drüben dagegen gerne von der Großregion, die den Namen Maas-Mosel-Saar ("Ma-Mo-Sa") tragen soll. Wer hat sich diesen Quatsch denn ausgedacht?

Jean-Claude Juncker: Ich weiß es nicht. Ich weiß nur, dass wir in der Großregion der Meinung waren, Saar-Lor-Lux sei nicht mehr das Richtige. Ende Juni wird über den neuen Namen entschieden, und ich muss mir nicht jeden Tag den Kopf über unwichtige Dinge zerbrechen.

Kommen wir zu den wichtigen Dingen: Luxemburg gilt in Deutschland wirtschaftlich als "Musterländle". Vergangene Woche haben Sie in der Rede zur Lage der Nation Ihren Landsleuten gesagt: Es gibt in der Zukunft keine Pralinen mehr, sondern trockenes Brot. Was ist plötzlich los im Musterländle?

Jean-Claude Juncker: Es gibt in Luxemburg weder eine tief gehende Wirtschaftskrise noch Rezession oder Stagnation. Aber es kriselt. Insofern müssen sich Regierende und Regierte daran gewöhnen, dass die Bäume nicht mehr in den Himmel wachsen. Allerdings sind wir besser auf den konjunkturellen Rückgang vorbereitet als andere Länder, weil wir in der Vergangenheit Haushaltsüberschüsse nicht verprasst, sondern auf die hohe Kante gelegt haben. Davon profitieren wir jetzt.

Da konnten Sie Bundeskanzler Gerhard Schröder bei seinem Privatbesuch im Großherzogtum ja ein paar nützliche Tipps geben...

Jean-Claude Juncker: Wir haben uns kontrovers über die Themen unserer Zeit unterhalten. Sie können ja in ein, zwei Jahren feststellen, ob meine pädagogischen Versuche nachhaltigen Erfolg hatten.

Lassen Sie doch mal die Katze aus dem Sack...

Jean-Claude Juncker: Es ist eine gute Gepflogenheit, aus Privatgesprächen nichts an die Öffentlichkeit dringen zu lassen.

Versuchen wir es mal mit einem anderen Thema: Wenn irgendwo in Europa ein schmuckes Pöstchen zu vergeben ist, fällt der Name Jean-Claude Juncker. Mal ehrlich, Herr Premierminister: Welche höhere Weihen möchten Sie noch empfangen?

Jean-Claude Juncker: In Europa kandidiert man nicht für einen Job, man bekommt ihn. Im übrigen haben wir nächstes Jahr Parlamentswahlen. Und ich kandidiere wieder für das Amt des luxemburgischen Ministerpräsidenten. Wenn die Luxemburger möchten, mache ich also weiter, wenn nicht, werde ich mich intensiv mit der Lektüre deutscher Zeitungen beschäftigen.

Die Stellenanzeigen gehen derzeit aber zurück...

Jean-Claude Juncker: Noch gibt es jeden Samstag neue.

Wenn Sie schon keine Lust haben: Joschka Fischer hat sie. Was halten Sie von einem EU-Außenminister Fischer?

Jean-Claude Juncker: Ich habe schon ein paar Mal erklärt, dass ich ihn für eine ausgezeichnete Besetzung hielte. Und ich habe jedes Mal hinzugefügt, nur hat es nie jemand gedruckt: Diese Frage stellt sich zur Zeit nicht.

Der Irak-Konflikt hat gezeigt, wie uneins die EU-Länder sind, wenn es um eine gemeinsame Außenpolitik geht. Wie viele solche Auseinandersetzungen kann sich die EU leisten, ohne daran zu zerbrechen?

Jean-Claude Juncker: Damit Europa in der Welt gehört wird, und damit die Welt auf Europa hört, können wir uns auf Dauer – jedenfalls nach Außen hin – keine divergierenden Standpunkte erlauben. Wir müssen alles dafür tun, uns auch in schwierigen außenpolitischen Fragen so zusammen zu raufen, dass wir mit einer Stimme sprechen.

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