Interview avec le Premier ministre Jean-Claude Juncker au sujet du Conseil européen les 20 et 21 juin 2003 et des travaux de la Convention européenne

Luxemburger Wort: Herr Premierminister, Ihre ersten Reaktionen gegenüber dem Nachrichtenmagazin "Der Spiegel" und dem Radiosender DNR zu den Ergebnissen des EU-Verfassungskonvents waren nicht gerade von Begeisterung geprägt. Was müsste Ihrer Meinung nach am institutionellen Teil der Verfassung geändert werden, um ihn effizienter und für die Bürger verständlicher zu machen?

Jean-Claude Juncker: Wir haben das Risiko nicht eliminiert, dass es zu einem ungesunden Wettbewerb in der Doppelspitze zwischen dem EU-Kommissionspräsidenten und dem Europäischen Ratspräsidenten kommt. Es bleibt Aufgabe des Europäischen Rates in Zukunft festzulegen – nachdem die rotierende Präsidentschaft abgeschafft wird, deren Mängel aber auch deren Verdienste wir kennen gelernt haben – wer in den nächsten Jahren den Vorsitz betreuen wird. Zur Zeit weiß ich sehr genau, dass Luxemburg im ersten Halbjahr 2005 den Gesamtvorsitz im Rat der Europäischen Union führen wird. Und zwar vom Europäischen Rat (der Staats- und Regieruneschefs) bis zum Sportministerrat. Niemand vermag aus heutiger Sicht zu sagen, wer im ersten Semester 2006 Vorsitzender des Finanzministerrats sein wird, wer Vorsitzender des Agrarministerrats im Jahr 2007, wer Vorsitzender im Justizministerrat 2008. Niemand vermag sich halbwegs vorzustellen, auf welche Weise die Beziehungen zwischen dem Europäischen Ratspräsidenten und den Vorsitzenden, die aus verschiedenen Ländern kommen werden, zu einer wünschenswerten Effizienzsteigerung beitragen sollen, ist bis heute schleierhaft. Man überlässt es dem Europäischen Rat einstimmig festzulegen, wie in Zukunft der Vorsitz in den Fachministerräten zu regem sein wird, und man verschiebt einen Konflikt auf die Jahre 2006 und 2007, der nur dadurch entstanden ist, dass man die rotierende Ratspräsidentschaft abgeschafft hat. Man hätte die Entschärfung des Konflikts im Vertrag selbst anlegen sollen.

Luxemburger Wort: Halten Sie es für möglich, dass die Regierungskonferenz doch noch eine andere Lösung findet, z. B. die einjährige Rotation im Vorsitz statt einer sechsmonatigen?

Jean-Claude Juncker: Die Regierungskonferenz wird viele Aspekte, die im Konvent zufrieden stellend geregelt wurden, nicht erneut thematisieren. Dort wird es bei den Festlegungen bleiben. Es gibt aber einige Punkte, wo die Regierungskonferenz nachbessern muss. Dies trifft vor allem für die Ausweitung der Mehrheitsentscheidungen in Außen- und Sicherheitspolitik zu. Allerdings mache ich mir keine Illusionen, dass alle Regierungen dort zu weiterführenden Integrationsschritten bereit wären. Und wir werden die Texte so aufpolieren müssen, dass sie sich auch entfalten können. Beispielsweise steht heute noch im Entwurf, dass der Europäische Rat Gesetze erlassen kann, dass er aber nicht gesetzgeberisch tätig werden kann. Derartige Widersprüche müssen selbstverständlich eliminiert werden. Im übrigen muss ich ausdrücklich sagen, dass vor allem der Luxemburger Regierungsvertreter Jacques Santer eine vorzügliche Arbeit im Konvent geleistet hat. Santer ist von vielen Seiten immer wieder für seine konsensbildenden und kompromisserleichternde Verhandlungsführung gelobt worden. 

Luxemburger Wort: Jacques Santer hat sich im Konvent, auch im Namen der Benelux-Länder, für eine starke EU-Kommission und einen gestärkten Kommissionspräsidenten eingesetzt, weil sich die kleinen Länder bei der Kommission gut aufgehoben fühlen. Sind Sie mit der künftigen Rolle der Kommission zufrieden?

Jean-Claude Juncker: Wenn die Kommission einen starken Präsidenten erhalt, der sich seiner Machtbefugnisse selbstbewusst annimmt, wird er nicht als der Verlierer des Konvents und der Regierungskonferenz betrachtet werden können. Wenn sich allerdings jemand in den Vorsitz des Europäischen Rats einschleicht, der versucht, die schmalen und mickrigen Befugnisse seines Amtes auszuweiten, dann käme es zu einem unedlen Wettbewerb in der Doppelspitze der Europäischen Union und zu einer abnehmenden Sichtbarkeit europäischer Aktivität auf der internationalen Bühne. Der Kommissionspräsident hat nicht alle Einflusszonen zusätzlich erhalten, die wir ihm gewünscht hätten. Es hängt wesentlich von der personellen Ausstattung in den nächsten Jahren ab.

Luxemburger Wort: Lassen Sie uns noch ein wenig in medias res gehen. Wir möchten Ihnen nach dem Vorbild einer Fernsehsendung jetzt einige Stichworte geben, die Sie bitte in einem kurzen Satz vervollständigen.

Der europäische Außenminister... (Jean-Claude Juncker) ist eine nützliche Novellierung, die zu einer effizienteren Außenpolitik der EU führen kann, wenn wir die Perspektive des Übergangs zu Mehrheitsentscheidungen in der Außenpolitik offen halten.

Luxemburger Wort: Der Legislativrat... (Jean-Claude Juncker) ist eine Totgeburt, die es nicht geben wird.

Luxemburger Wort: öffentliche Ratstagungen... (Jean-Claude Juncker) haben Nutzen, wenn sich die Minister vorher auf den Fluren unterhalten können.

Luxemburger Wort: Juniorkommissare... (Jean-Claude Juncker) sind die einzige Möglichkeit, zu einer funktionsfähigen Kommissionszusammensetzung zu gelangen.

Luxemburger Wort: Die Abschaffung der Rotation ... (Jean-Claude Juncker) klingt gut, wird aber die Lösung der europäischen Probleme nicht wesentlich erleichtem.

Luxemburger Wort: Giscard d'Estaing... (Jean-Claude Juncker) ist Giscard d'Estaing.

Luxemburger Wort: Das Mitentscheidungsrecht des Europaparlaments... (Jean-Claude Juncker) halte ich für eine demokratische Notwendigkeit und begrüße seine Ausweitung ausdrücklich.

Luxemburger Wort: Die Regierungskonferenz... (Jean-Claude Juncker) wird die Ergebnisse des Konvents in vielen Teilen übernehmen und in anderen Teilen überprüfen müssen.

Luxemburger Wort: Wann sollte die Regierungskonferenz starten und wann müsste sie beendet werden?

Jean-Claude Juncker: Die Regierungskonferenz sollte im Oktober dieses Jahres beginnen und im März 2004 zum Abschluss gebracht werden, so dass wir danach gemeinsam mit den neuen Mitgliedern der Europäischen Union den neuen Vertrag im Mai 2004 in Rom unterschreiben können.

Luxemburger Wort: Eine persönliche Frage: Welchen Posten würden Sie nach 2006 lieber annehmen, den des Kommissionspräsidenten, des Europäischen Ratspräsidenten oder jenen des Ecofin-Vorsitzenden?

Jean-Claude Juncker: Wenn die Luxemburger bereit sind, im Juni 2004 zum Ausdruck zu bringen, dass sie mich gerne als ihren Premierminister behalten würden, werde ich keine der von ihnen gestellten Fragen beantworten müssen.

Luxemburger Wort: Weitere Themen werden in Porto Carras die Einwanderungspolitik, sein, die Balkan-Strategie, die Vorbereitung des Gipfels EU-USA und sicherlich auch der Nahe Osten. Auf welchen Feldern erwarten Sie konkrete Ergebnisse?

Jean-Claude Juncker: Ich glaube, die Chancen stehen gut, dass wir auf dem Feld der Asyl- und Einwanderungspolitik aufgrund der von den Justizministerräten getroffenen Vorbereitungen vorankommen werden.

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