Luxemburg ist nicht Hollywood. Le ministre Biltgen au sujet du "Lëtzebuerger Filmpräis"

Telecran: Herr Minister, wie viele jener Filme, die für den ersten Luxemburger Filmpreis in Frage kommen, haben Sie bisher gesehen? Werden Sie sich einige während der Luxemburger Filmwoche anschauen?

François Biltgen: Ja, wenn nur möglich! Ich habe leider nur ein knappes Drittel dieser Filme gesehen, weil ich kaum noch Zeit habe, ins Kino zu gehen...

Telecran: Gelingt es Ihnen, sich die Filme unvoreingenommen anzusehen, oder ziehen Sie die Luxemburger Brille an?

François Biltgen: Ich stelle mir die Frage, ob ich den Film mag, ob er mich langweilt. Es ist nicht so, dass ich einen Film wohlwollend betrachte, nur weil der Staat Geld hineingepumpt hat. Mich stört, dass Luxemburger Filme, auch in den Medien, entweder begeistert aufgenommen oder zu Boden gestampft werden. Wir sollten besser mit aller Objektivität an die Filme heran gehen. Die Luxemburger Filmszene ist sicherlich noch nicht am Ende ihrer Entwicklung angelangt. Aber nur durch Erfahrung, durch die kritische Masse, kann sie sich entwickeln und eine ordentliche Qualität abliefern.

Telecran: Sie vertreten die Interessen des Luxemburger Films regelmäßig im Ausland. Wie bekannt ist die Luxemburger Filmszene in Europa?

François Biltgen: Wenn man sich in der Branche umhört, muss man mit Zufriedenheit feststellen, dass wir einen guten Ruf genießen. Das habe ich z.B. in Cannes festgestellt, wo Luxemburg mit einem eigenen Stand vertreten war. Wir müssen auf die speziellen Möglichkeiten in Luxemburg aufmerksam machen, der Branche zeigen, was schon alles gedreht wurde. Die Luxemburger Filmproduzenten arbeiten absolut professionell und halten die ganze Branche am Leben. Darauf kann man bauen. Nicht unwesentlich sind auch die bilateralen Kooperationsverträge, für die ich mich persönlich eingesetzt habe und die wir in den letzten Jahren mit verschiedenen Ländern abschließen konnten. Und dann ist der Filmfonds in allen europäischen Instanzen vertreten – das alles trägt dazu bei, dass wir international bekannt werden.

Telecran: Hat der Luxemburger Filmpreis auch diesen Anspruch?

François Biltgen: Die Idee war vor allem, ein Ereignis für die Luxemburger Filmschaffenden ins Leben zu rufen und dem Publikum die einheimische Produktion näher zu bringen. Kurz: Es ging darum, den Luxemburger Film populär zu machen. Deshalb ist der Filmpreis in eine spezielle Filmwoche eingebettet worden, die vom 3. bis 9. September stattfindet. Von Anfang an gab ich die Weisung aus, der Rahmen müsse bescheiden bleiben. Luxemburg ist nicht Hollywood und auch nicht die Cinecittà, und Luxemburg wird das auch nie werden. Der Filmpreis ist nicht dazu bestimmt, dass die Akteure sich gegenseitig auf die Schulter klopfen und wir so tun, als seien wir die Größten. Es geht darum, ein kleines Ereignis in bescheidenem Maße zu veranstalten. Das Fest wird auf unsere Verhältnisse abgestimmt sein, nicht aufgeblasen, aber es soll uns erlauben, mit ein bisschen Stolz auf das zurückzublicken, das wir bisher erreicht haben.

Telecran: 15 Jahre Luxemburger Film – eine Bilanz. Es gibt zwei Fördermechanismen: die direkte, selektive Hilfe, und das Instrument der Steuerzertifikate CIAV. Wie viel Geld hat der Luxemburger Staat bisher in die Filmproduktion gesteckt? Und wie viel Geld ist zurückgeflossen?

François Biltgen: Was die Steuerzertifikate angeht, so wurden von 1989 bis 2002 rund 325 Millionen Euro in die Filmproduktion gesteckt. Davon wurden etwa 110 Millionen Euro von der Staatskasse getragen, was einem Steuerausfall von durchschnittlich 30 Prozent entspricht. Etwa 50 Prozent davon, also 55 Millionen Euro, sind nach einer Studie von 1997 direkt oder indirekt wieder in die Staatskasse zurückgeflossen, hauptsächlich über Steuern auf Honorare, auf Dienstleistungen, auf die Miete von Hotelzimmern, usw. Unter dem Strich bleibt also ein Steuerausfall von etwa 15 Prozent, das macht z.B. im Jahr 2002 bei Produktionsausgaben von 40 Millionen Euro etwa 6,5 Millionen. Addiert man die Direkthilfe – "aide financière sélective" – von 3,5 Millionen Euro, so kommen wir auf einen Betrag von zehn Millionen Euro: Diese Summe hat der Staat allein 2002 in die Filmproduktionen investiert. Lassen Sie mich klarstellen: Die Filmproduktion ist für den Staat kein gewinnbringendes Geschäft, aber ich habe kein Problem damit. Es gibt andere Aspekte: Wir wollten im Ausland zeigen, dass Luxemburg nicht nur als Sparbüchse funktioniert, sondern auch viel Wert auf sein kulturelles Image legt. Die Filmszene ist auch als ein Teil der Gesamtwirtschaft zu betrachten, heute leben einige hundert Menschen von der Filmproduktion, junge Luxemburger, die sich der Branche verschrieben haben, können in ihrer Heimat arbeiten und müssen nicht ins Ausland reisen.

Telecran: Wie viele Menschen leben regelmäßig von der Filmproduktion?

François Biltgen; In Luxemburg sind derzeit 40 Produktionsgesellschaften und vier Animationsstudios eingetragen. Es gibt 50 spezialisierte Firmen und drei Vertriebsgesellschaften. 37 Regisseure leben im Land, 29 sind Luxemburger! Allein 450 Film-Techniker leben von ihrem Beruf, davon haben 380 ihren Wohnsitz in Luxemburg, 250 sind Luxemburger. Insgesamt leben rund 500 Personen hauptsächlich von der Filmarbeit. Fazit: Es gibt eine Luxemburger Filmszene! Ohne die Unterstützungsinstrumente befänden wir uns noch im Pionierzeitalter. Für mich als Arbeitsminister ist es wichtig, dass Menschen in Luxemburg arbeiten können!

Telecran: Da hilft es wohl auch, dass der Arbeitsminister gleichzeitig Kommunikationsminister ist?

François Biltgen: Es ist schon interessant, beide Kappen aufzusetzen. Da die Gegebenheiten auf kulturellem Gebiet sehr speziell sind, habe ich mich mit Kulturministerin Erna Hennicot-Schoepges darauf geeinigt, Sonderlösungen für die "intermittents du spectacle" auszuarbeiten. Ich habe mich bereit erklärt, mehr Zeitverträge zuzulassen, obwohl ich diese begrenzten Arbeitsverträge, die sogenanten "cdd", als Arbeitsminister eigentlich vermeiden will. Produktionsgesellschaften funktionieren jedoch anders, sie können den Leuten, die regelmäßig an bestimmten Produktionen mitwirken, keinen unbefristeten Arbeitsvertrag anbieten. Bei aufeinanderfolgenden Zeitverträgen besteht jedoch die Gefahr, dass diese von Rechts wegen in einen unbefristeten Vertrag umgewandelt werden. So wird vermehrt auf "faux indépendants" zurückgegriffen, und das kann ich aus Gründen der Arbeits- und Sozialversicherung nicht gutheißen. Die doppelte Erfahrung, als Arbeitsminister dafür sorgen zu müssen, dass die Menschen rechtlich abgesichert sind, und als Kommunikationsminister eingestehen zu müssen, dass die Filmbranche anders funktioniert als der normale Arbeitsmarkt, hat mich dazu gebracht, das Aneinanderreihen kurzer Zeitverträge unter gewissen Umständen zuzulassen. Ganz einfach, damit diese Menschen sich in regulären Verhältnissen befinden.

Telecran: Warum werden so viele Filme in Luxemburg produziert, die trotz großen Aufwands und internationaler Besetzung später kaum in die Kinos kommen? Beispiele: "The Enemy" mit Roger Moore, oder der Venedig-Film "Secret Passage", der als unverkäuflich gilt?

François Biltgen: Die Faustregel im europäischen Geschäft lautet: Von zehn Filmen, die produziert werden, wird nur einer international vertrieben! Es stimmt, dass "Secret Passage" noch nicht in einen Vertrieb aufgenommen wurde. Ich habe den Film noch nicht gesehen, muss aber darauf hinweisen, dass es in der Filmgeschichte immer wieder Werke gegeben hat, die unverkäuflich waren und erst viel später anerkannt wurden. Ich will "Secret Passage" jetzt nicht einen Topf mit "Heaven's Gate" von Michael Cimino werfen. Aber es ist nicht die Aufgabe des Filmfonds, in den Verkauf eines Films einzugreifen.

Telecran: Ist "Secret Passage" kein Flop?

François Biltgen: "Secret Passage" ist noch nicht im internationalen Vertrieb, aber das kann ja noch kommen. Die Begleiterscheinungen für Luxemburg sind aber außerordentlich: Betrachten Sie nur einmal die fantastischen Venedig-Kulissen, die in Esch für den Film aufgerichtet wurden. Bei der Herstellung dieser Kulissen konnte ich als Arbeitsminister darauf einwirken, dass nicht nur Handwerker aus dem Ausland importiert wurden, sondern auch viele Luxemburger Arbeitslose für einige Zeit eine Beschäftigung fanden und Erfahrung sammeln konnten. Im Ausland konnten wir zeigen, dass wir zu solchen Leistungen imstande sind. Noch heute werden auf dem Venedig-Set Filme gedreht. "Secret Passage" hat wohl Steuerausfälle bedingt, dem Land aber in mancher Hinsicht einiges eingebracht. Die Frage, ob der Film schon einen Verleih gefunden hat oder nicht, ist für mich nicht entscheidend! Der Fall "Secret Passage" hat mich allerdings dazu bewogen, in Zukunft Höchstbeträge festzusetzen, Produktionen nur noch bis zu einem gewissen Budget zu unterstützen. Ich möchte aber unterstreichen, dass das unternehmerische Risiko immer beim Produzenten liegt, nicht beim Staat. Zum Schluss möchte ich aber unterstreichen, dass unsere Priorität in Zukunft Filmen gelten wird, bei denen der Luxemburger Input über die reine Produktion hinausgeht.

Telecran: Herr Minister, wenn Sie ein Drehbuch schreiben würden, welche Geschichte würden Sie erzählen?

François Biltgen: Es würde ein Film mit doppelbödigem Humor werden, ein Film mit ernstem Thema, das sich aber nicht zu ernst nimmt. Warum? Vielleicht, weil ein Politiker dauernd mit ernsten Themen zu tun hat und dabei Gefahr läuft, sich zu ernst zu nehmen: Es ist gut, wenn man auch einmal über sich selbst lachen kann.

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