Den Luxemburger Film in den Mittelpunkt der Diskussionen setzen

LJ.: Warum kümmert sich der Kommunikationsminister um den ersten "Letzebuerger Filmpräis"?

François Biltgen: Fangen wir von vorne an. Der Filmfund hängt vom Premierminister ab, als Chef des "Service Médias et Communications", und vom Kulturministerium. Als delegierter Kommunikationsminister kümmere ich mich um alle Dossiers aus dem Bereich Medien. Der Filmpreis ist eine gemeinsame Organisation zwischen Filmfund und Kulturministerium, und Erna Hennicot-Schoepges ist auch am Freitag bei der Filmpreisverleihung mit dabei.

LJ.: Wie oft gehen Sie denn als Minister ins Kino?

F. B.: Nicht oft, weil ich als Minister selten Zeit habe. Und wenn ich einmal ins Kino gehen kann, mache ich meiner Familie eine Freude und begleite meine Kinder, die sich die Filme aussuchen. Luxemburgische Filme schaue ich mir, wenn es geht, auf Video an.

LJ.: Wie heißt Ihr Lieblingsfilm überhaupt und wie Ihr Luxemburger Lieblingsfilm?

F. B.: Oh, da sind schon einige, aber auf Anhieb fällt mir "Saving Private Ryan" ein, ein Film der sich ernsthaft mit einem seriösen Thema auseinandersetzt. Dann "Schindler's List", ja, und Hitchcock, speziell "North By Northwest" mit Cary Grant. Und ein luxemburgischer Film, das ist eine AFO-Film-Produktion, "Mumm Sweet Mumm". Ich mag kurzweilige Filme mit Tiefgang eher als bloße Actionfilme.

LJ.: Viele Leute sagen, dass dieser Preis nie den Impakt eines Oscars haben wird, und dass er höchstens als Belohnung für alle Filmschaffenden hierzulande angesehen werden kann. Wie stehen Sie zu der Kritik, dass sich die Regierung hier selbst überschätzt hat, und der Preis aus puren Snobismus geboren wurde?

F. B.: Illusionen sollen wir uns überhaupt nicht machen, das ist klar. Aber von Anfang habe ich immer gesagt, und dafür gekämpft, dass wir uns nicht auf das Niveau anderer Länder setzen sollen und glauben, wir wären jetzt plötzlich irgendwer. Für mich sollte es von Beginn an eine Möglichkeit sein, dass überhaupt vom luxemburgischen Film geredet wird. Wenn jetzt die Leute dadurch ins Kino gehen würden, wäre ich froh, und so wäre wenigstens ein Publikumserfolg garantiert. In den Medien wird zur Zeit mehr über den luxemburgischen Film geredet als sonst. Meinem Hauptziel, den Luxemburger Film in den Mittelpunkt der Diskussionen zu setzen, kamen wir bis jetzt jedenfalls sehr nahe.

LJ.: Wie könnte man hier in Luxemburg die Qualität der hier produzierten Filme positiver beeinflussen, damit endlich mehr Filme gedreht werden, die international erfolgreich sind?

F. B.: Wir hatten "Liaisons pornographiques" und verschiedene Zeichentrickfilme, die von Luxemburger Technikern gemacht wurden, und die im Ausland gute Kritiken bekamen. Wir haben in Luxemburg Co-Produktionen produziert, die qualitativ gut sind. "Hochzäitsnuecht" war in Cannes, auch wenn dies nicht mein Lieblingsfilm ist. Man kann nicht sagen, wir hätten keine Qualität produziert. Für mich ist wichtig, dass wir, und hier komme ich auf den Filmpreis zurück, Luxemburger Talenten eine Chance geben. Den "Letzebuerger Filmpräis" sehe ich als Förderungselement für Luxemburger Talente. Geneviève Mersch zum Beispiel konnte sich Dank der Förderung entwickeln, und ihr erster Spielfilm "J'ai toujours voulu etre une sainte" hat ja auch einen Preis erhalten. Was ist zudem ein Luxemburger Film? Für mich ist es ein Film, der in Luxemburg produziert wurde.

LJ.: Andererseits wurde der in Wecker gedrehte Film "Sub Below" ein Alan-Smithee-Movie (Anmerkung: Das ist der Name eines Regisseurs, den es nicht gibt, und der immer dann im Vorspann eines Films auftaucht, wenn sich der eigentliche Regisseur der schlechten Filmqualitäten wegen aus dem Projekt zurückzog.) "D'Artagnan" wurde in Frankreich zum schlechtesten Film des Jahres gewählt.

F. B.: Wir haben hier ja zwei Sachen: den Filmfund, die direkte Hilfe, und die "Certificats d'Investissement Audiovisuel" (CIA V). "D'Artagnan" hat nichts vom Filmfund erhalten, auch nicht "Secret Passage", beide haben lediglich Zertifikate bekommen. Die Leute verwechseln oft beides. Die CIAVs dienen dazu die Produktion von Filmen zu fördern, während der Filmfund gezielt Produktionen unterstützt. Der Luxemburger Film darf nicht "Kachkéis, Bouneschlupp, an esou weider" und luxemburgisch gesprochen sein. Da spielt das "Comité de Lecture" des Filmfund eine Rolle, der das Drehbuch liest und seine Wahl trifft. Man muss sehen, was nachher dabei herauskommt. Den Leuten muss man die Chance geben, sich einen Namen zu machen. Zum Beispiel, die Kurzfilmregisseure, wie Bady Minck. Wenn wir nicht wären, würden diese Leute untergehen und bekämen nie eine Gelegenheit zu drehen.

LJ.: Der Filmpreis soll ja populär sein. Aber erneut, wie auch bei Cinenygma, ist das Publikum von der Preisverleihung ausgeschlossen. Man könnte beispielsweise ein TV-Übertragung ins Auge fassen.

F. B.: Die Idee, die Zuschauer bei der "Semaine du Film Luxembourgeois" mit einzubeziehen – sie befragen oder irgendetwas machen lassen -, kam mir effektiv zu spät. Das Problem war ein Instanzenproblem, gegen das ich viel zu kämpfen hatte. Ich wollte einfach nichts Kitschiges aufziehen, und es sollte das Fest des luxemburgischen Films sein, mit allen Schaffenden in diesem Bereich, die eingeladen wurden, um sie zu Ehren kommen zu lassen. Bei der nächsten Vergabe – ob es eine solche geben wird, weiß ich nicht – muss man jedenfalls wieder kritisch bleiben und schauen was besser gemacht werden kann. Ja, und eine live-Übertragung, ... das ist das Problem von RTL! Und RTL unterstützt den Filmpreis durch viel Werbung. Ich betone zwar noch einmal, dass die Zeremonie nicht das Wichtigste ist. Die Diskussion zum Luxemburger Film ist wichtiger. Mich stört hier in Luxemburg, dass wir uns nicht objektiv, kritisch genug mit den einheimischen Filmen auseinandersetzen, dass wir himmelhoch jauchsend oder zu Tode betrübt sind, was übrigens die Leute durcheinander bringt. Sagt den Leuten, das sind keine Oscar-Filme, aber schaut sie euch an, macht euch ein Bild, sie sind es wert, gesehen zu werden.

LJ.: Wir sind uns einig, dass in ganz Europa kein Film mehr ohne öffentliche Gelder existieren würde. Aber persönlich sehen ich das Problem nicht so sehr bei den Filmemachern, sondern eher in der Erziehung. Es gibt keine Schulfach Kino, Kultur im allgemeinen. Und das Kino artet immer mehr bei der Jugend w einem Ort aus, wo man diskutieren und Popcorn essen kann.

F.B.: Das sehe ich bei meinen Kindern. Auf ihrer Wunschliste stehen Filme, über die sie mit ihren Freunden reden können, und das sind Popcorn-Filme. Das ändert sich vielleicht in ein paar Jahren, und das bedauere ich. Mir kamen während den Vorbereitungen zur "Semaine du Film Luxembourgeois" viele Ideen: man könnte die Schulen mit einbeziehen, ihnen sagen, nehmt euch mal eine Stunde und redet über luxemburgische Filme. Es gibt diese Filme auf Kassette, man kann sie sich im Rahmen der Kunstfächer in den Schulen ansehen. Aber ich will meiner Kollegin Anne Brasseur nicht in ihr Geschäft reden. Wir haben ja "Presse à l'école", könnte man nicht "Film à l'école" machen, um den Kinder Lust zu machen, sich andere Filme anzusehen. Das selbe zählt auch für das Theater. Früher ging ich oft ins Theater, aber in der Schule wurde einem die Lust aufs Theater genommen. Ja, das müsste sich ändern.

LJ.: Vielen Dank für das Interview und viel Glück für den ersten Filmpreis und die folgenden.

Dernière mise à jour