Lydie Polfer: Gute Vorschläge zum Vorsitz in den Fachministerräten. Le ministre des Affaires étrangères au sujet du projet de Constitution et de la CIG

Luxemburger Wort: Frau Ministerin, von Freitag bis voraussichtlich Samstagabend findet in Neapel ein dreitägiges Konklave der EU-Außenminister statt. Die meisten Beobachter rechnen damit, dass der Durchbruch zu einer europäischen Verfassung erst auf dem Brüsseler EU-Gipfel vom 12. und 13. Dezember gelingt. Hat die Konferenz von Neapel dennoch mehr als nur Alibifunktion?

Lydie Polfer: Die Vorbereitungsarbeiten sind sehr wichtig. Ich hoffe, dass wir in Neapel in einer Reihe von Punkten zu einem Konsens gelangen können. Der Grundsatz lautet jedoch, dass wir über alles Einigung erreicht haben müssen, bevor wir sagen können, wir haben die Regierungskonferenz abgeschlossen. Das wird uns aber nicht daran hindern, im Vorfeld über den einen oder anderen Punkt zu reden, um ganz nahe an einen Konsens heranzukommen. Auch wenn die letzte Entscheidung auf dem Brüsseler Gipfel getroffen wird. Ich muss auch darauf hinweisen, dass in den jüngsten Vorschlägen der italienischen EU-Präsidentschaft die umstrittensten Punkte wie die Zusammensetzung der Kommission und die Stimmengewichtung im Ministerrat ausgeklammert wurden. Also diejenigen Punkte, welche die größten Interessenkonflikte beinhalten.

War es überhaupt klug vom Konvent, diese heiklen institutionetten Themen von Nice nochmals aufzugreifen?

Lydie Polfer: Tatsache ist, dass das im Dezember 2000 beschlossene Stimmensystem von Nice sehr kompliziert ist. Das betrifft nicht nur die Stimmengewichtung pro Land, mit der die Staaten ihre Bedeutung zum Ausdruck bringen, sondern auch den sehr hohen Anteil, mit dem überhaupt im Ministerrat Entscheidungen mit qualifizierter Mehrheit getroffen werden können, nämlich 72 Prozent der Stimmen. In einer größeren Union mit 25 und mehr Mitgliedstaaten müssen wir die Möglichkeit erhalten, einfacher zu Entscheidungen zu kommen. Deshalb ist dieser Versuch schon richtig. Der Vorschlag des Konvents, nämlich Beschlüsse mit 50 Prozent der Länder, die 60 Prozent der Bevölkerung hinter sich haben, ist eine klare Lösung, mit der Luxemburg gut leben könnte.

Schon in Nice waren wir für eine einfache doppelte Mehrheit (50 zu 50). Die größeren Länder waren jedoch der Meinung, dass ihrem hohen Bevölkerungsanteil dann nicht genügend Rechnung getragen würde. Beim Bevölkerungsanteil darf man nicht über die 60 Prozent hinausgehen. Man darf auch nicht vergessen, dass immer von der negativen Seite aus gerechnet wird, nämlich wie kann ich eine Sperrminorität gegen Beschlüsse bekommen. Bei 66 Prozent der Bevölkerung, die repräsentiert sein muss, wie sie im Gespräch ist, könnte bereits ein Anteil von 34 Prozent Beschlüsse verhindern.

Spanien und Polen bestehen auf ihren 27 Stimmen im Ministerrat, gemäß dem Vertrag von Nice. Haben Sie den Eindruck, dass sich beide Länder in der Regierungskonferenz doch in Richtung Konventsvorschlag bewegen?

Lydie Polfer: Ich hoffe, dass wir in Brüssel im Dezember eine Lösung finden, die einerseits diesen Ländern, die in Nice eine extrem gute Lösung erhielten, passt. Aber auch, dass sie mithelfen für ganz Europa eine Lösung zu finden, welche die Entscheidungsfindung vereinfacht. Verhindert werden muss in jedem Fall, dass im Gegenzug auf dem Niveau der Kommission Regelungen gefunden werden, die dem Funktionieren der Gemeinschaft nicht helfen. Wenn die großen Länder doch zwei Kommissare behalten würden - und ich habe den Verdacht, dass man sich auf eine solche Lösung zubewegt -, hätten wir demnächst mehr als 30 Kommissare. Dies aber könnte keine effiziente Kommission mehr sein.

Der italienische Vorsitz hat in seinen neuesten Vorschlägen präzisiert, wie die Fachministerräte geleitet werden sollen, wenn das Rotationsverfahren der halbjährlichen Präsidentschaft abgeschafft ist und das Amt eines Ständigen Europäischen Ratspräsidenten eingeführt wird...

Lydie Polfer: Hier liegt ein guter Vorschlag auf dem Tisch. Die Präsidentschaft hat vorgeschlagen, dass innerhalb eines Jahres drei Länder zusammenarbeiten und sich die Vorsitze in den Fachministerräten aufteilen (Ecofin, Verkehr, Landwirtschaft, Umwelt usw.). Damit erhielten wir eine schnellere Rotation als jetzt beim halbjährlichen System. Das ist genau der Vorschlag, den die Luxemburger Regierung am Anfang gemacht hatte, und es ist nur noch ein Schönheitsfehler vorhanden. Der Außenministerrat soll nämlich nochmals extra unter die drei betreffenden Länder innerhalb der 12 Monate aufgeteilt werden. Das heißt, jedes Land hätte während vier Monaten den Vorsitz. Aber damit hätte man in einem der wichtigsten Räte keine Stabilität. Als zweiter Faktor kommt hinzu, dass um diese Stabilität herzustellen, der Europäische Ratspräsident eine wichtige Rolle bei der Koordination auch der anderen Fachräte erhalten soll sowie beim Suivi der Arbeiten. Das können wir nicht mitragen.

Es gibt seit kurzem Bestrebungen, die Zahl der Luxemburger Europaabgeordneten von sechs auf vier zu reduzieren. Kann die Regierung dies akzeptieren?

Lydie Polfer: In keiner Hinsicht. Ich bin optimistisch eingestellt, weil wir unseren Partnern die Situation von Luxemburg erklärt haben. Sechs Abgeordnete sind wirklich ein Minimum, um die verschiedenen politischen Familien im Europaparlament zu vertreten. Wir hatten am Anfang der Gemeinschaft in der Parlamentarischen Versammlung sechs Deputierte von 142, jetzt bei 626 Abgeordneten liegen wir bei weniger als einem Prozent. Wir hätten auch kein Problem damit, dass Malta statt fünf ebenfalls sechs Abgeordnete erhält.

Ein wichtiger Punkt ist die Ausdehnung der Mehrheitsentscheidungen im Ministerrat. Auf welchen Feldern besteht Luxemburg dennoch auf dem Vetorecht?

Lydie Polfer: Prinzipiell sind wir für Mehrheitsentscheidungen. Es gibt jedoch Domänen, die für uns so wichtig sind, dass wir die Möglichkeit behalten wollen, unsere Interessen zu verteidigen. Auf zwei Punkten haben wir besondere Sensibilitäten. Einmal im Bereich der Fiskalität. Die Vorschläge, die derzeit auf dem Tisch liegen, sind uns nicht klar genug. Die bestehenden Regelungen (acquis communautaire) den Finanzplatz betreffend wollen wir nicht verlieren. Der italienische Text ist uns nicht klar genug, so dass Einstimmigkeit die einfachste Lösung wäre. Ein für uns sehr sensibler weiterer Bereich ist die soziale Sicherheit. In den meisten Fällen besteht zwar Einstimmigkeit, aber eine Domäne soll künftig mit Mehrheit entschieden werden: alles, was die Freizügigkeit der Arbeitnehmer angeht. Luxemburg ist eines der Länder, das die großzügigste Sozialgesetzgebung hat, und wir wollen das auch beibehalten. Weil wir aber nur einen kleinen Arbeitsmarkt haben, ist dieser sehr sensibel und wir haben Vorschläge gemacht, um der spezifischen Situation Rechnung zu tragen. Wenn das finanzielle Gleichgewicht des sozialen Systems in Frage gestellt würde, muss dasjenige Land sein Interesse bewahren können.

Über den Status des künftigen ständigen Außenministers herrscht noch keine Einigkeit. Die Briten wollen nicht, dass er gleichzeitig den Außenministerrat leitet. Welche Meinung vertreten Sie?

Lydie Polfer: Wir sind dafür, dass der europäische Außenminister den so genannten Doppelhut haben muss. Das heißt, er muss sowohl Mitglied der EU-Kommission sein als auch Mitglied des Außenministerrats, den er repräsentieren muss. Nur so erhält man Kohärenz und Definition der Politiken. Andererseits aber auch die wirtschaftlichen Instrumente, um die jeweiligen Entscheidungen umzusetzen. Ich gratuliere der Präsidentschaft zu ihren Vorschlägen des Doppelhutes in Neapel. In den Texten des Vorsitzes ist vorgesehen, dass im Rahmen der europäischen Außenpolitik mit Mehrheit abgestimmt werden kann, und zwar auf Vorschlag des ständigen Außenministers. Wir unterstützen dies voll und ganz, wissen aber, dass nicht alle damit einverstanden sind. Das wäre wirklich ein konsequenter Schritt zu einer gemeinsamen Außenpolitik.

Sehen Sie auch Verschlechterungen im italienischen Vorschlag in Bezug auf den Konventsentwurf?

Lydie Polfer: Verschlechterungen in unseren Augen stellen die Vorschläge im Bereich der justiziellen und polizeilichen Zusammenarbeit dar. Nachdem zunächst vorgeschlagen wurde, dass sich die europäische Staatsanwaltschaft auch mit der grenzüberschreitenden Kriminalität befassen soll, ist jetzt nur noch vorgesehen, dass sie beim Schutz der finanziellen Interessen der Union tätig wird. Wir aber wollen zum Konventsvorschlag zurückkehren.

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