Le Premier ministre Jean-Claude Juncker sur le dépôt d'un recours devant la Cour européenne de justice pour violation du pacte de stabilité

Elke Durak: Sind denn die in Brüssel jetzt verrückt geworden oder ist es normal, dass sich hochrangige, hochrangigste europäische Institutionen gegenseitig verklagen vor dem höchsten europäischen Gericht, dem EUGH? Das mag sich mancher fragen, nachdem die EU-Kommission nun die Finanzminister und Wirtschaftsminister wohl verklagen will. Der Rat hatte Ende November beschlossen, die Defizitverfahren gegen Deutschland und Frankreich vorerst auszusetzen. Die Kommission findet diese Entscheidung verstoße gegen den Stabilitätspakt. Was ist der Zweck der Übung, um mal im Militärischen zu bleiben, für diese Klage? Ich weiß es nicht, aber Jean-Claude Juncker vielleicht, Finanzminister und Premier in und für Luxemburg. Schönen guten Morgen, Herr Juncker.

Jean-Claude Juncker: Guten Morgen.

Elke Durak: Auch Sie sollen ja wohl, wenn ich das richtig sehe, des Rechtsbruchs angeklagt werden als Finanzminister. Wie fühlen Sie sich?

Jean-Claude Juncker: Ich ertrage das mit Fassung.

Elke Durak: Was macht Sie da so sicher?

Jean-Claude Juncker: Es ist nicht ungewöhnlich, dass die Kommission Mitgliedstaaten vor den Europäischen Gerichtshof bringt. Ungewöhnlicher ist schon, dass die Kommission dies in einer Materie tut, die sich dem genauen Urteil des europäischen Richters entzieht. Finanzpolitik ist Sache der Finanzminister und der Regierungen, ist nicht Sache der Richter.

Elke Durak: Und auch nicht Sache der Kommission sich darüber zu beklagen?

Jean-Claude Juncker: Die Kommission hat einen Vorschlag in Brüssel gemacht Deutschland und Frankreich betreffend. Aufgrund einschlägiger Vertragsbestimmungen hat der europäische Finanzministerrat dem Wunsch der Kommission nicht entsprochen. Wir befinden uns also in strikter Anwendung des Vertrages. Stattdessen haben wir zur Kenntnis genommen die Selbstverpflichtungen Deutschlands und Frankreichs, so dass in der Sache genau das geschah, was die Kommission auf einem anderen Verfahrensweg herbeiführen wollte. Ich halte den Vorgang, den jetzt die Kommission einläutet, für der Sache nicht dienlich und im übrigen auch nicht zweckdienlich.

Elke Durak: Was wird denn die Kommission, wenn sie mit der Klage überhaupt durchkommt, tatsächlich erreichen, Herr Juncker?

Jean-Claude Juncker: Dann wird die Kommission eigentlich nur erreicht haben, dass das Verfahren wieder eröffnet wird. Es geht hier um einen Prozedurstreit und der Euro eignet sich nicht zu Prozedurstreitigkeiten, die weder die Finanzmärkte, noch die Öffentlichkeit im Detail nachvollziehen können.

Elke Durak: Wird hier, Herr Juncker, eine politische Auseinandersetzung in den Gerichtssaal verlegt?

Jean-Claude Juncker: Das sehe ich so und ich halte ein Gerichtsforum für inadäquat, um dies zu tun.

Elke Durak: Welche Folgen hat denn dieses ganze Vorgehen, die ganze Diskussion darüber, die Klage nun, das Hin und Her Ihrer Meinung nach für den ganz normalen EU-Bürger, der ja in diesem Jahr auch noch zur Wahl gehen soll?

Jean-Claude Juncker: Ich glaube der ganz normale EU-Bürger - davon gibt es eine ganze Menge - wird überhaupt nicht verstehen, worum es hier geht. Das hätte die Kommission auch wissen müssen, dass hier in der Öffentlichkeit kaum Verständnis für das, was sie jetzt tut, entgegenschlägt. Da ich aber der Meinung bin, dass europäische Institutionen sich untereinander so benehmen sollten, dass der Normalbürger auch versteht worum es geht, halte ich den Vorgang, den die Kommission eingeleitet hat, für wirklich schädlich. Man denkt, man würde über Stabilitätspolitik streiten. De facto und dann auch de jure streitet man über Verfahrensfragen. Dies ist wirklich der Sache nicht angemessen.

Elke Durak: Also schadet die Kommission im Grunde dem europäischen Gedanken?

Jean-Claude Juncker: Ich bin der Meinung, dass die Kommission hier keinen Beitrag zu einem besseren Verständnis europäischer Vorgänge und Implikationen leistet.

Elke Durak: Herr Juncker, angenommen die Klage wird abgewiesen - dann ist das ja sowieso erledigt - oder sie wird angenommen und die Finanzminister verfahren so wie Sie es beschrieben haben. Hat sich die Kommission dann damit eigentlich selbst ihres Einflusses beraubt künftig vernünftig mit anderen europäischen Institutionen umzugehen?

Jean-Claude Juncker: Wenn wir jedes Mal wenn wir im Finanzministerrat abstimmen davon ausgehen müssen, dass falls das Abstimmungsergebnis nicht so wäre wie die Kommission gern hätte dass es wäre, die Kommission dann den Rat vor Gericht bringt, dann sind wir meilenweit davon entfernt, die gemeinsame Währung kollektiv und solidarisch zu führen. Ich bin der Meinung, in der Sache hat die Kommission sich und dem Euro keinen Dienst erwiesen, im Gegenteil. Wir werden jetzt etwas früher als geplant in die Reformdebatte über den Stabilitätspakt eintreten müssen. Wenn wir über Verfahrensfragen streiten, dann werden wir uns die Verfahrensfragen und ihre exakte Regelung im Detail neu überlegen müssen.

Elke Durak: Wohin soll denn der Stabilitätspakt reformiert werden? Verschärft?

Jean-Claude Juncker: Er muss nicht verschärft werden. Mein Wunsch wäre es gewesen, dass wir die Reformdebatte über den Pakt erst beginnen, wenn alle Mitgliedstaaten sich wieder paktkonform im Detail verhalten. Ich hielte es für schlimm, wenn wir auf Grund dieses etwas ungestümen Vorgehens der Kommission jetzt die falsche Reformdebatte kriegten. Für mich bleibt es so, dass Stabilität ein dauerhaftes Gebot in der Eurozone sein muss und ich hätte auch gerne, dass eine Reform des Stabilitätspaktes diesen nicht von Stabilitätszielen dauerhaft entfernt.

Elke Durak: Denken Sie denn, Herr Juncker, dass die Sünder, Deutschland und Frankreich, den Stabilitätspakt auch künftig einhalten werden? Die Zeichen stehen dagegen.

Jean-Claude Juncker: Deutsche und Franzosen stehen in der Pflicht sich paktkonform zu verhalten, haben beide versprochen im Jahre 2005 wieder unter dem Drei-Prozent-Defizitlimit zu sein. Das müssen beide auch tun. Eine zweite Chance, ein zweites nachsichtiges Handeln des Finanzministerrates für 2005 wird es nicht geben können und nicht geben dürfen.

Elke Durak: Das heißt, wenn Frankreich und Deutschland erneut reißen, wird was passieren?

Jean-Claude Juncker: Wenn Deutschland und Frankreich im Jahre 2005 die gesteckten Ziele nicht erreichen, wird auch der luxemburgische Finanzminister für einen Vorschlag der Kommission votieren, wo Deutschland und Frankreich in die Prozedur des Strafverfahrens eingewiesen werden. Für 2004 haben wir uns davon überzeugen lassen, dass es gute Gründe gibt dies nicht zu tun. Aber der Prozess, den jetzt die Kommission anstrengt, wird uns auf dem Wege hin zu einer strikten Observierung der Stabilitätsgebote keinen Millimeter weiterbringen.

Elke Durak: Was wird, wenn das Verfahren eingeleitet wird, noch einmal?

Jean-Claude Juncker: Ich bin der Meinung, dass dies eine politische Frage ist, dass wir mit der Kommission darüber reden müssen, wie wir uns verständigen werden. Kooperation ist jetzt angesagt, nicht Konfrontation. Wer aber vors Gericht geht, der hat sich scheinbar für die Konfrontation entschieden. Dies halte ich nicht für zweckdienlich.

Elke Durak: Ein Wort noch zu den Ländern, die neu hinzukommen. Was denken Sie was dieses ganze Prozedere, dieser ganze Streit für eine Wirkung auf die Neuen haben wird?

Jean-Claude Juncker: Ich denke, dass die so staunen wie Altgediente auch staunen.

Elke Durak: Vielleicht belassen sie es nicht ganz beim Staunen?

Jean-Claude Juncker: Ich glaube, wir werden erklären müssen, die Kommission wird erklären müssen wieso sie denkt, dass der Gang vor den Richter dem Stabilitätsgebot weiterhilft und die Kommission wird sich schwer dabei tun dies zu erklären.

Elke Durak: Jean-Claude Juncker, Finanzminister und Premier von Luxemburg. Herzlichen Dank, Herr Juncker, für das Gespräch.

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