Dreiergipfel ist eine sinnvolle Vorbereitung des EU-Gipfels. Der Premierminister über das Gipfeltreffen in Berlin

Deutschlandfunk: Der Dreiergipfel von Frankreich, Deutschland und Großbritannien, darüber möchte ich mich jetzt unterhalten mit Jean-Claude Juncker. Er ist der Ministerpräsident von Luxemburg. Schönen guten Morgen Herr Juncker.

Jean-Claude Juncker: Guten Morgen.

Ist das Stümperei und Murks, wie Silvio Berlusconi aus Rom schimpft?

Jean-Claude Juncker: Nein, das ist eine sehr nützliche Sitzung, die die drei Kollegen heute Abend halten. In Großherzogtümern reagiert man auf derartige Vorkommnisse souveräner als in kleinen und großen Republiken.

Da hätten Sie als kleines Land eigentlich erst Recht Angst zu befürchten, die drei wollen sagen wo es lang geht in Europa.

Jean-Claude Juncker:  Nein, ich möchte wissen, ob die drei einer Meinung sind, wenn es um die Frage geht wo es lang geht. Vor einigen Monaten anlässlich der Irak-Krise gehörte ich zu jenen, die sich grün und gelb geärgert haben, weil Deutsche, Franzosen und Briten nicht an einem Strang zogen, sondern manchmal den Eindruck gaben, wie Blücher aufeinander los zu gehen. Nein: mir ist es lieber es wird der Versuch gestartet, so wie andere dies auch tun. Die drei Benelux-Premierminister machen das regelmäßig, im Vorfeld der Gipfel die Positionen abzustimmen, damit man anlässlich der Sitzung schneller weiter kommt. Wenn ich mir die große Zahl der Sitzungsunterbrechungen ansehe, die ich habe erleiden und erdulden müssen, weil diese drei großen nicht einer Meinung waren und sich während der Sitzung konsultieren mussten, dann ist es ja auch ein Zeichen der Nächstenliebe und der Rücksicht auf andere, dass man dies im Vorfeld versucht und nicht während der Sitzung und zu deren Lasten.

Wäre es für die EU sogar gut, mal überspitzt gesagt, sie hätte ein Direktorium?

Jean-Claude Juncker: Nein, das hielte ich nicht für gut. Die Europäische Union ist ab dem 1. Mai eine Union aus 25 Mitgliedsstaaten. Da geht es nicht, dass einige in der Tat versuchen würden, direktorale Gewalt auszuüben. Dies möchte ich auch niemandem unterstellen.

Wie aufgeschlossen, Herr Juncker, stehen Sie denn dem Wunsch der Bundesregierung gegenüber, einen Super-Minister, einen Super-Kommissar für Wirtschaft zu schaffen?

Jean-Claude Juncker:  Der Kanzler hat ja zurecht darauf aufmerksam gemacht - dies war ja auch in Ihrem Bericht zu hören -, dass dies Sache des zukünftigen und des neuen Kommissionspräsidenten und der Gesamtkommission ist. Der Kommissionspräsident muss seine Kommission ähnlich zusam-mensetzen, wie der nationale Regierungschef seine Koalitionsregierungen bildet, muss darauf achten, dass Kommissare aus großen und kleinen Ländern ebengewichtige und gleichgewichtige Ressorts zu verwalten haben. Dies machte Sinn. Auf dem Papier hieße das dann aber auch, dass die nationalen Regierungen ebenso zusammengesetzt werden müssten. Nehmen Sie mal an, wir hätten jetzt diesen Super-Kommissar. Schauen Sie sich mal die Zahl der Minister an, allein aus Deutschland, Frankreich und Großbritannien, mit denen er reden muss. Er wäre ja allein für etwas zuständig, wofür in den nationalen Regierungen - das zeigt die Zusammensetzung der heutigen Sitzung - drei oder vier Minister zuständig wären. Also die nationalen Kabinette müssten dann auch so verändert werden.

Aber auf der anderen Seite ist man in Berlin der Meinung, in Brüssel weiß manchmal die linke Hand nicht was die rechte tut, und eine etwas abgestimmtere Politik, vielleicht eben gebündelt in einer Hand, gerade beim wichtigen Thema Wirtschaft wäre sinnvoll.

Jean-Claude Juncker:  Ja, es wäre sinnvoll, aber dies wird der Zuschnittkompetenz des zukünftigen Kommissionspräsidenten überlassen werden müssen. Im Übrigen es stimmt schon, dass in der Kommission die linke Hand manchmal nicht weiß, was die rechte Hand macht. Insofern ähnelt die Kommission nationalen Kabinetten. Das stimmt!

Wo ist da in der Vergangenheit etwas schief gelaufen?

Jean-Claude Juncker: Ich glaube es gibt zwischen Wettbewerb, zwischen Sozial- und zwischen Währungs- und Industriepolitik manchmal auseinanderdriftende Vorstellungen. Das sieht man zur Zeit beispielsweise auch in Sachen Kyoto-Protokoll, wo die für Transport zuständige Kommissarin A sagt und die Umweltkommissarin B sagt. Aber wie gesagt: das gibt es in nationalen Kabinetten auch.

Herr Juncker, halten Sie es für möglich und praktikabel, dass alle 25 künftigen Kommissare ein sozusagen gleichgewichtig zugeschnittenes Ressort erhalten?

Jean-Claude Juncker: Nein, das halte ich nicht für praktikabel. Luxemburg, Belgien, die Niederlande, Frankreich, Deutschland, einige andere sind auch der Meinung, wir bräuchten nach der Erweiterung weniger Kommissare als Mitgliedsstaaten, weil wir eine effiziente, leistungsstarke, intensiv operierende, klug vorschlagende, behutsam führende, aber kräftig in der Sache zupackende Kommission brauchen. Das kann man mit 25 Kommissaren am Tisch nicht leisten. Deshalb bleiben wir am Ball, wenn es um die Verfassungsgebung der Europäischen Union geht, dass die Kommission konzentrierter operieren kann.

Welche Größe hielten Sie für angemessen?

Jean-Claude Juncker:  Auch darüber habe ich keine endgültigen Vorstellungen, aber so zwischen 15 und 17 Kommissare wäre wohl die Idealzahl.

Mal angenommen es werden doch 25 - das fordern ja die Beitrittskandidaten, die Beitrittsländer - und angenommen Sie, Herr Juncker, werden Kommissionspräsident. Graut es Ihnen schon bei der Vorstellung, 25 Kommissare bändigen zu müssen?

Jean-Claude Juncker:  Es graut mir bei dieser Vorstellung überhaupt nichts, weil ich werde Ministerpräsident in Luxemburg bleiben. Aber ich kann mir durchaus vorstellen, dass derjenige, der eine 25er-Kommission im Vorsitz führen muss, mehr mit interner Seelenmassage beschäftigt sein wird als mit effizienter Führung der europäischen Dinge.

Eine Frage noch zum Schluss. Thema der Gespräche heute Abend wird auch die EU-Verfassung sein. Wann glauben Sie könnte es doch eine Einigung in der Verfassungsfrage geben?

Jean-Claude Juncker:  Ich bin der Meinung, dass man die Verfassungsfrage erst dann wieder auf die Agenda der Regierungschefs setzen sollte, wenn die Aussicht besteht, dass man auch zum Erfolg kommt. Ein zweites Scheitern des Verfassungsversuches auf höchster EU-Ebene sollte man tunlichst unterlassen. Die Iren sind jetzt dabei - das sind ja sehr bodenständige Menschen -, Elemente zusammenzutragen, aus denen sich der Stoff ergeben könnte, aus dem man Kompromisse schmieden kann. Wenn dies unter irischem Vorsitz nicht gelingt, wird man dies unter niederländischem Vorsitz dann allerdings nicht ergebnisoffen, sondern mit Abschlusszwang in der zweiten Jahreshälfte noch einmal versuchen müssen. Sich lieber Zeit lassen wäre mein Rat, als Hals über Kopf ins zweite Verderben rennen.

Der luxemburgische Ministerpräsident Jean-Claude Juncker heute Morgen bei uns im Deutschlandfunk. - Herr Juncker, schönen Dank nach Luxemburg und auf Wiederhören!

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