Charles Goerens: "Die Lage ist ruhig, aber fragil". Der Verteidigungsminister über die Lage im Kosovo

Luxemburger Wort: Herr Minister, was sind ihre Eindrücke nach diesem Besuch in Kosovo?

Charles Goerens: Nach dem Kosovo-Konflikt befand sich die Provinz seit 1999 in einer Aufbauphase. Nach den Ereignissen vom vergangenen März und den Unterredungen mit meinen Gesprächspartnern verspürt man, dass die Kosovo-Albaner ihr Vertrauen, das sie bei den Serben genossen, verspielt haben, dies obwohl die albanische Seite versprochen hat, binnen Jahresfrist die zerstörten 700 Häuser wieder aufzubauen.

Wo liegen die Ursachen für diese Gewaltbereitschaft?

Charles Goerens: Die Wurzeln allen Übels liegen in der großen Unzufriedenheit bei den Jugendlichen. 70 bis 80 Prozent Arbeitslosigkeit in der Gegend um Mitrovica sprechen für sich. Und von der Wirtschaft kann man nicht viel erwarten. Wo lassen sich schon Investoren finden in ein Land, das ständig von Konflikten und ethnischen Auseinandersetzungen geschüttelt wird.

Wird die KFOR angesichts der jüngsten Ereignisse bleiben oder ihren begonnenen Truppenabbau in der Region fortsetzen?

Charles Goerens: An eine Herabsetzung der Truppenstärke ist derzeit nicht zu denken. Es werden vielmehr zusätzliche Truppen gebraucht. Die Lage ist zwar ruhig, aber fragil, und die KFOR muss diese Situation beherrschen solange keine politische Lösung in Sicht ist.

Welche Maßnahmen sind von luxemburgischer Seite aus geplant?

Charles Goerens: Wir werden bleiben und versuchen, das Niveau zu halten, das wir zurzeit kennen. Darüberhinaus sind unsere Ressourcen begrenzt, da die Luxemburger Kooperation auch noch weitere Verpflichtungen in anderen Ländern, z. B. in Kabul in Afghanistan, hat. 40 Männer resp. Frauen in Krisengebieten im Einsatz zu haben, heißt genauso viele zu Hause für die Ablösung auszubilden. Die zur Verfügung stehenden Ressourcen sind somit schneller erschöpft als man glaubt.

Die Kosovo-Krise und Luxemburgs EU-Präsidentschaft im ersten Halbjahr 2005: Was wird diesbezüglich auf Luxemburg zukommen?

Charles Goerens: Aufgabe der Luxemburger EU-Präsidentschaft wird es sein, die Haltung der EU in Sachen Kosovo-Konflikt zu koordinieren, ein sicherlich nicht leichtes Unterfangen.

Hat die Luxemburger Kooperation bisweilen ihre Aufgabe auf dem Balkan erfüllt?

Charles Goerens: Entwicklungshilfe ist ein kurzlebiges, vorübergehendes Phänomen. In diesem Jahr wird das Großherzogtum immerhin 8 Mio. € für Serbien und Montenegro aufwenden. Im Kosovo haben wir in einem Zeitraum von fünf Jahren u. a. 179 Häuser in Zusammenarbeit mit Caritas Luxemburg gebaut, ein Rehabilitierungsprogramm für sechs Schulen finanziert und das Diagnosezentrum und die Röntgenstation im städtischen Krankenhaus in Mitrovica erneuert.

Herr Minister, vielen Dank für dieses Gespräch.

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