Nicolas Schmit: Es gibt Arbeit genug

Télécran: Herr Schmit, hatten Sie mit Ihrer Ernennung zum Regierungsmitglied gerechnet?

Nicolas Schmit: Absolut nicht. Ich war weder Wahlkandidat, noch hatte ich sonst von einem Ruf in die Regierung gehört. Vielmehr war ich mental ganz darauf eingestellt, meine Aufgabe in der Ständigen Vertretung Luxemburgs bei der EU in Brüssel weiter zu erfüllen. Wir bereiten seit gut einem Jahr den EU-Vorsitz von Januar bis Juni 2005 vor. Mir selbst wäre es nicht im Traum eingefallen, so kurz vor der Präsidentschaft nach Luxemburg zurückzukehren ...

Die Rückkehr fiel Ihnen also schwer?

Nicolas Schmit: Ich habe mich natürlich sehr geehrt gefühlt. Aber ich konnte nicht verstecken, dass ich ein bisschen traurig war, meinen Job in Brüssel zu diesem Zeitpunkt aufzugeben – weil ich den EU-Vorsitz selbst, auf den die ganzen Vorbereitungsarbeiten der Ständigen Vertretung hinauslaufen, in dieser Funktion nicht mitbegleiten kann. Dazu kommt, dass in dem europäischen Korps ein guter Kollegialgeist herrscht und ich meine Amtskollegen recht abrupt verlassen musste.

Immerhin können Sie nun den Vorsitz als Minister erleben ...

Nicolas Schmit: Sicher, nun arbeite ich als delegierter Minister auf der höheren Entscheidungsebene. Der Fachbereich Europafragen bleibt der gleiche, aber als Minister sind meine Entscheidungskompetenzen größer. Dabei kommen mir die Erfahrungen aus sechs Jahren in Brüssel natürlich zugute. Neu für mich ist die politische Ebene.

Was ändert sich in Ihrem Arbeitsalltag?

Nicolas Schmit: Als Minister in Luxemburg muss ich mich viel stärker mit der öffentlichen Meinung auseinandersetzen, Luxemburger Debatten verfolgen und die Kommunikation pflegen. Es ist wichtig, den Menschen Europa näher zu bringen und ihnen Ängste zu nehmen – durch Erklärungen und neue Wege der Diskussion. Deshalb halte ich das Volksreferendum zur EU-Verfassung auch für eine gute Sache. Ansonsten muss ich jetzt schnell in den Arbeitsrhythmus hier finden. Und das unter Druck, da ja nur noch vier Monate bis zum EU-Vorsitz bleiben.

Und – ist Luxemburg gut vorbereitet?

Nicolas Schmit: Ich sehe die Präsidentschaft mit Ruhe auf uns zukommen. Wir haben früh genug mit den Arbeiten begonnen und auch personell die nötigen Mittel.

Was ist überhaupt der Unterschied zwischen einem "delegierten" Minister und einem "normalen" Minister?

Nicolas Schmit: Was die Kompetenzen angeht, gibt es keine großen Unterschiede. Der delegierte Minister genießt denselben Rang wie ein Minister und wird im Ausland auch nicht als Staatssekretär angesehen. Außenminister Jean Asselborn ist sozusagen mein Vorgesetzter, aber wir arbeiten im Team.

Kann man dieses Amt denn überhaupt aufteilen?

Nicolas Schmit: Die Aufgaben in der Außenpolitik sind heute so umfangreich, dass das kein Problem ist. Praktisch kein Land in Europa vertraut diesen Job noch einer einzigen Person an. Ich werde mich vor allem um EU-Fragen, die europäische Dimension von Immigration, Asyl und die Beziehungen zum EU-Parlament kümmern. Es gibt genug Arbeit, um sich nicht gegenseitig auf die Füße zu treten. Im Übrigen kenne ich Herrn Asselborn schon seit 1989, als er Vorsitzender der LSAP-Fraktion war und ich Fraktionssekretär, wir haben also schon einmal zusammen gearbeitet.

Werden Sie nicht stets in Asselborns Schatten stehen?

Nicolas Schmit: Also, das ist meine letzte Sorge. Ich bin es gewohnt, nicht in der ersten Reihe zu stehen, hatte aber nie das Gefühl, deshalb keine gute Arbeit zu leisten.

Sie wurden vor allem wegen der EU-Präsidentschaft in die Regierung berufen – was machen Sie eigentlich danach?

Nicolas Schmit: Europa geht auch nach der Präsidentschaft weiter. Das Thema Asyl zählt zum Beispiel zu den Problemen, die unbedingt zu bewältigen sind. Ich habe keine Angst, nächstes Jahr im Juli arbeitslos zu werden.

Das Außenministerium wechselt die Parteifarbe von Blau zu Rot. Setzt die LSAP-Führung andere Schwerpunkte?

Nicolas Schmit: Charakteristikum unserer Außenpolitik ist, dass sie über der Parteipolitik steht. Klar gibt es in Stil und Inhalt Unterschiede, aber das sind eher Nuancen. Die LSAP ist zum Beispiel der Meinung, dass das Soziale in der EU unterentwickelt ist. Insgesamt aber setzt die Regierung hier auf Kontinuität.

Sie wohnen jetzt in Berdorf – haben Sie und Ihre Familie sich privat wieder schnell eingewöhnt?

Nicolas Schmit: Natürlich Ich war beruflich oft in Luxemburg und auch privat immer wieder gern zu Hause. Zudem kostete mein Job zu viel Zeit, alt dass ich die Angebote einer Weltstadt wie Brüssel hätte nutzen können. Meine beiden Söhne, die ohnehin in Luxemburg zur Schule gehen, werden sich freuen, ihren Vater nun öfter zu sehen.

Dernière mise à jour