Jean Asselborn au sujet du résultat du référendum français sur le traité constitutionnel

Journalist: Zunächst aber der Blick nach Frankreich. Die Franzosen haben ja die EU-Verfassung abgelehnt. Gestern gab es die Volksabstimmung und die ging so aus wie erwartet. Fast 55% sagten Nein. Eine klare Entscheidung, aber mit welchen Folgen. Darüber will ich mit Jean Asselborn sprechen. Er ist Außenminister Luxemburgs, und noch bis Ende Juni hat ja Luxemburg die Ratspräsidentschaft der EU inne. Guten Morgen, Herr Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen.

Journalist: Was ist denn die EU-Verfassung jetzt noch wert?

Jean Asselborn: Ja, man muss aufpassen, dass man jetzt nicht von Debakel, von Krise der Verfassung redet. Frankreich hat sich gestern ausgedrückt. Das ist demokratisch. Wir haben jetzt ein Problem, aber ich glaube nicht, dass wir jetzt die ganze Verfassung in die Ecke schmeißen sollten und müssen.

Journalist: Gut, aber die Frage steht ja, wie ist die Krise zu lösen? Denn die EU-Verfassung kann ja nur in Kraft treten, wenn alle Ja sagen, und nun hat ein Land, und nicht irgendeines, sondern Frankreich, Nein gesagt, also, wie geht es weiter?

Jean Asselborn: Ja, also zuerst vielleicht eine kleine Analyse. Es ist wirklich das erste Mal seit Kriegsende, dass in einem Land dieser Größenordnung wie Frankreich, dass alle Parteien, rechts, links, die Mitte, die Gewerkschaften, die Forces vives, von den eigentlich an den Rändern angesiedelten Position in die Minderheit gesetzt werden. Das ist bemerkenswert. Man muss schon die Glaubwürdigkeit der Politik hinterfragen, man muss aber auch fragen, Europa, ist das nur der verlängerte Arm von Frankreich für die Franzosen? Welches Frankreich hat jetzt Nein gesagt? Ist es die France profonde, wie man sagt, oder ist es eine Antwort auf den 21. April 2002? Diesmal hat die Oppositionslogik gewonnen. All das sind Fragen, die man analysieren muss, aber Sie haben schon Recht. Wie geht es jetzt weiter? Wir müssen als Präsidentschaft Ruhe behalten, wir müssen sagen, dass die Prozeduren, die Ratifizierungsprozeduren nicht gestoppt werden können, dass sie weitergehen sollen. Am 13. Juni werden die Außenminister in Brüssel zusammen sein, am 16., 17. haben wir einen Europäischen Rat. Es wäre ein fataler Fehler, ein kapitaler Fehler, dieses Votum nicht ernst zu nehmen.

Journalist: Gut, das müssen Sie ja, denn Sie müssen sich ja was einfallen lassen, wie Sie Franzosen doch noch rumkriegen, denn, wenn die nicht Ja sagen, dann wird ja nichts draus.

Jean Asselborn: Wenn ich sage, man muss das Referendum ernst nehmen, dann heißt das, dass man nicht heute schon wieder von einem Referendum in einigen Monaten in Frankreich reden darf, und auch nicht von anderen Prozeduren, um die Verfassung trotzdem anzunehmen. Aber man muss trotzdem versuchen, Frankreich zu helfen, dieses Resultat richtig einzuschätzen, richtig zu sehen.

Im 4. Kapitel des Verfassungsabkommens steht, dass wenn 20 der 25 [Länner] ratifizieren, dass dann für die restlichen der Europäische Rat einen Entschluss fassen kann. Soweit sind wir noch nicht. Wir müssen unbedingt England an Bord behalten. Wir müssen sehen, dass es wirklich schwierig wird, jetzt in Holland und auch in 6 Wochen in Luxemburg wird es nicht einfach werden. Wir dürfen den Franzosen die Tür nicht zuschlagen auf der einen Seite, andererseits müssen wir das Referendum ernst nehmen und uns auch Gedanken machen, wie Europa besser funktionieren kann. Wie das Bild, das wir abgeben von der europäischen Politik, wie wir das ändern können.

Journalist: Ich habe Sie richtig verstanden. Wenn also 20 Staaten Ja sagen, kann der Europäische Rat dann sagen, es wird trotzdem stattfinden, auch wenn in mehreren Staaten mit Nein abgestimmt wird?

Jean Asselborn: Ja, also das steht nicht drin. Es steht nur drin, dass wenn in 20 der 25 Staaten Ja gesagt wird, dass dann der Europäische Rat einen Entschluss fassen kann. Wie der Entschluss ausfällt, wie man dazu kommt, also, ich will jetzt nicht sagen, dass man jetzt die ganzen Prozeduren abwarten muss, aber Sie wissen, es kommen noch Referenden in nächster Zeit, und es wird auch im September weitergehen mit anderen Referenden. Ich hoffe, und das ist wirklich meine Botschaft, dass wir zum Beispiel, was die Finanzperspektiven angeht, dass wir den Europäern zeigen, dass wir diese Kirchturmmentalität in Europa, dass wir damit Schluss machen. Es ist sehr, sehr schwer, den Leuten zu vermitteln, dass man für Europa stimmen muss, aber dass dieses Europa es nicht fertig bringt, nach jahrelangen Diskussionen, und auch wegen dieser Kirchtturmsmentalität, wie ich gesagt habe … [wird unterbrochen]

Journalist: Was verstehen Sie denn darunter, unter Kirchturmmentalität?

Jean Asselborn: Ja, das heißt, dass man selbstverständlich in Belgien nach dem Hainault schauen muss, und in Deutschland nach Mecklenburg-Vorpommern und in Luxemburg nach irgendeinem Kanton. Aber wir müssen doch sehen, dass wir für 7 Jahre planen können. Wieviel Ausgaben soll Europa oder muss Europa machen? Und wieviel Einnahmen sind vorzusehen? Das bringt jede kleine Firma fertig. Und das müssen wir auch in Europa dann den Leuten, den Menschen sagen, dass wir im Stande sind, das zu tun. Es genügt jetzt nicht mehr, dass die Regierungschefs, auch die Außenminister selbstverständlich, dass die sich, wenn sie sich in Brüssel sehen, dass die mit sich selbst, mit der Welt zufrieden sind. Europa ist für mich nicht in einer Krise.

Journalist: Herr Asselborn, ich muss trotzdem kurz nochmal unterbrechen, war es nicht doch ein bisschen arrogant, da reinzuschreiben: Es tritt nur, die EU-Verfassung tritt nur dann in Kraft, wenn alle dafür sind, aber es gibt kein Szenarium, kein richtiges, klares Szenarium, was passiert, wenn jemand Nein sagt? Und bei einer demokratischen Abstimmung muss man ja auch davon ausgehen, dass der eine oder andere Nein sagen könnte.

Jean Asselborn: Ja, aber hier sind wir im internationalen Recht. Wenn man ein Verfassungsabkommen dieser Größenordnung annehmen will, muss ja das einzelne Mitgliedland auch Ja dazu sagen. Es kann ja nicht sein, glaube ich, das wäre ja komplett undemokratisch, wenn diese Verfassung anderen Ländern oder allen Ländern aufgezwungen werden würde. Das ist ein Szenario, das ist im internationalen Recht überhaupt nicht vorstellbar.

Journalist: Ich danke Ihnen herzlich. Das war Jean Asselborn, der Außenminister Luxemburgs.

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