"Denksperren aufheben". Lucien Lux au sujet de l'accord de la tripartite ferroviaire

Télécran: Herr Minister, unter Ihrer Leitung hat die Dreierkonferenz die Weichen zur Liberalisierung des Frachtverkehrs gestellt. Der erste Schritt zum Abbau der Bahn wurde ausgerechnet vom Sohn eines Eisenbahners gemacht. War das eine zusätzliche Schwierigkeit oder eher ein Vorteil?

Lucien Lux: Anfangs war es schwierig. Ich bin ja mit dem Eisenbahnermikrokosmos verwurzelt – durch meine Familie und durch Bettemburg. Doch die Eisenbahn hatte nur eine Überlebenschance: Sie musste sich bewegen. Diese Botschaft galt es zu vermitteln. Als ich mich in diesen Dialog mit den Eisenbahnern eingefressen hatte, öffentlich und auch im kleinen Kreis, bescherte mir meine persönliche Biografie mit Sicherheit einen Vertrauensbonus. Nach dem Motto: "Lux macht das schon, er lässt uns nicht hängen".

Sie haben unter Zeitdruck verhandelt. Bereits vor 30 Monaten hätte Luxemburg seine Liberalisierungsvorschläge in Brüssel abgeben müssen. Woher stammt diese Verspätung?

Mein Vorgänger hat das Dossier fünf Jahre lang liegen lassen. Im August 2003 hätte die Richtlinie umgesetzt sein müssen. Als ich die Geschäfte im August 2004 übernahm, befand sich das Ministerium in einem unverantwortlichen Zustand der Nicht-Vorbereitung. Luxemburg war bereits ein erstes Mal verurteilt worden. Auf meinen Antrag hin hat die EU-Kommission am 6. Dezember 2005 weitere juristische Schritte suspendiert mit der Maßgabe, dass wir bis Ende des Jahres einen Vorschlag unterbreiten. Dies ist uns gelungen. Die Verspätung hat der Bahn nicht geholfen und dem Steuerzahler geschadet, weil er für das kumulierte Defizit von etwa 154 Millionen Euro aufkommen muss. Mein einziger Wunsch ist, dass so etwas nie mehr passieren wird.

Was ist eigentlich positiv an der Liberalisierung der Bahn in Europa?

Wir sind gegen die Liberalisierung, aber durch die bereits verabschiedeten EU-Richtlinien sind wir mit Tatsachen konfrontiert. Die kann man nicht einfach wegdenken. Es wurden Fakten geschaffen, europäisches Recht steht über dem nationalen Recht. Es war unverantwortlich, sich nicht rechtzeitig auf diese Herausforderung vorzubereiten.

2012 muss auch der Bereich Personenverkehr für die Konkurrenz geöffnet werden. Was bleibt denn eigentlich von der Bahn übrig?

Die Infrastruktur wird bleiben. Die Briten waren die ersten, die auch das Netz privatisiert haben. Dies hatte negative Konsequenzen auf die Sicherheit.

Das Bahnnetz in Luxemburg wird nicht privatisiert?

Nein. Das steht nicht zur Diskussion. Es gibt zwei Stichdaten: Am 1.1. 2007 muss der Güterverkehr liberalisiert sein, 2012 der internationale Personenverkehr. Wobei man wissen muss, dass 2012 nur für Luxemburg gilt, die übrigen EU-Länder müssen diese Aufgabe bereits zwei Jahre früher erledigen. Begründet ist diese Ausnahmeregelung durch den hohen Anteil des internationalen Personenverkehrs in Luxemburg. EU-weit sind es etwa zehn Prozent, in Luxemburg jedoch 70 Prozent.

Die Liberalisierung der Bahn führt kaum zu mehr Sicherheit, wie das Beispiel England zeigt. Welche Sicherheitsgarantien bietet CFL-Cargo eigentlich?

Die CFL stellt die Mehrheit in der neuen Gesellschaft. Außerdem ist es grundfalsch anzunehmen, dass Arcelor nicht die gleichen Sicherheitsstandards hätte wie die CFL. Fakt ist, dass Arcelor in Sicherheitsfragen genauso pingelig ist.

Dahinter stecken auch kommerzielle Überlegungen. Ein Unternehmen wie Arcelor kann es sich nicht leisten, dass Stahlträger von den Waggons abrutschen. Privat heißt nicht automatisch Sicherheitsmängel. Im Tripartite-Abkommen haben wir uns auf die Einhaltung der hohen Sicherheitsstandards und den entsprechenden Ausbildungen geeinigt.

Bleibt die Tatsache, dass in England Bahnunfälle an der Tagesordnung sind.

Das ist eher auf den schlechten Zustand des Netzes zurückzuführen als auf die Betreiber. In Deutschland hat Railion, die privatisierte Frachtgesellschaft der Deutschen Bahn, nicht mehr Unfälle verursacht als ihre staatliche Vorgängerin.

Das Tripartite-Abkommen wird den Staat 125 Millionen Euro kosten. Wozu wird dieses Geld gebraucht?

Um der neuen Gesellschaft einen guten Start zu ermöglichen. Es müssen zusätzliche Loks und neue Waggons erworben werden, die Modernisierung der Werkstätten in Petingen steht an und die Gesellschaft braucht auch Startkapital, um unter anderem die Kosten der Restrukturierung zu bewältigen.

Was war das schwierigste bei den Verhandlungen?

Klar zu machen dass die Partnerschaft mit Arcelor die richtige Wahl war. Ich habe mir den Mund fusselig geredet, in der Tripartite, in bilateralen Gesprächen, zu Hause in der Stube – die letzten Diskussionen liefen am Sonntag vor dem "Tatort". Die Gewerkschaften bevorzugten eine Zusammenarbeit mit der belgischen oder der französischen Bahn. Dort wäre unser Einfluss jedoch verschwindend gering gewesen. Eine Alternative wäre der Verkauf des Frachtbereichs gewesen. Die Niederländer haben ihren Güterverkehr an Railion verkauft, die Dänen ebenfalls. Es gab also viele Möglichkeiten – Arcelor war die richtige. Besonders schwierig war es, die Denksperren in den Köpfen aufzuheben: Um eine Rolle im europäischen Netzwerk zu spielen, müssen wir wettbewerbsfähig sein. Die Bahn ist kein geschützter Sektor mehr. Ab 1.1.2007 ist staatliche Finanzhilfe verboten.

Die neuen Eisenbahner werden weniger verdienen...

Die Eisenbahner haben heutzutage gute Löhne. Das war nicht immer so. Früher verdiente man auf der "Schmelz" das Doppelte. Ich kann mich gut an diese Zeiten erinnern. Nach der Nachtschicht morgens um sechs nahm mein Vater den Zug nach Ulflingen, wo er nebenbei noch als Marmorarbeiter schuftete, um die Familie über die Runden zu bringen. Ich habe diese Realitäten miterlebt. Deshalb kann ich auch aus dem Bauch heraus mitreden. Ich lasse nicht zu, dass man mit dem Finger auf die Eisenbahner zeigt. Auch für sie gilt die Devise "pacta sunt servanda", Verträge müssen eingehalten werden.

Wie bewerten Sie die Aussicht, bis 2012 rechtzeitig abschließen zu können?

Diesmal hatten wir 30 Monate Verspätung, nächstes Mal müssen wir 30 Monate Vorsprung haben. Die Vorbereitung in meinem Ministerium beginnt 2006. Im ersten Semester wird intensiv an der Umsetzung der Tripartite-Beschlüsse gearbeitet.

Anschließend wird gemeinsam mit den CFL nach einer luxo-luxemburgischen Lösung gesucht.

Als Transport- und Umweltminister reiten Sie offensichtlich auf der Erfolgswelle. Greenpeace lobt Sie, der Staatsminister auch. Nur ihr Parteikollege Jeannot Krecké flickt Ihnen am Zeug. Reden Sie noch miteinander?

Ich bin gar nicht erfreut über diese Diskussion. CFL-Cargo ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Projekt sowohl der Industrie als auch der Umwelt nutzen kann. Jede Fahrt über die Schiene ist ein Gewinn für die Umwelt, CO2 Emissionen, Stickoxyde, Feinstaub, Lärm usw. Grundsätzlich bin ich davon überzeugt, dass im 21. Jahrhundert Wirtschaft und Umwelt keine gegensätzlichen Begriffe sind. Das sehen große Betriebe wie Arcelor genauso. Leider führen die Aussagen von Jeannot Krecké uns zurück in eine Debatte der 50er Jahre.

Tenor des Wirtschaftsministers ist, dass zu strenge Umweltauflagen dem Standort Luxemburg schaden.

Ich kenne keinen Betrieb, den wir aus Umweltgründen abgelehnt hätten. Und keinen Betrieb, der Luxemburg aus Umweltgründen verlässt. Im Kioto-Bereich gibt es Länder, die in einer viel schlechteren Lage sind als Luxemburg: Österreich, Finnland und Spanien. Spanien hat ein Reduktionsziel von minus acht Prozent. Derzeit liegen sie bei plus 40 Prozent.

Ist die Problematik demnach aufgebauscht?

Wir brechen eine Diskussion vom Stapel, die nicht nötig ist. Es stimmt auch nicht – wie Jeannot Krecké kürzlich im Fernsehen behauptete –,dass Professor Ewringmann, der das Umweltministerium in dieses Fragen berät, gesagt hätte, Luxemburgs Kioto-Ziel sei unerreichbar. Der Professor hat auf alle Schwierigkeiten aufmerksam gemacht, aber nie behauptet, eine Lösung sei unmöglich. Die Regierung hat die nationalen Kioto-Ziele noch einmal bestätigt – dies gilt für alle Minister.

Und reden Sie noch miteinander?

Momentan läuft die Kommunikation hauptsächlich über die Presse. Nein, im Ernst: Wir verstehen uns besser, als es den Anschein hat.

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