"Luxemburg fällt bei der Vorauswahl oft durch". Jeannot Krecké fait le bilan de l'année 2005

Andreas Holpert: Die aktuellen Wachstumszahlen Luxemburgs sind im europäischen Vergleich nicht schlecht. Allerdings ist die Arbeitslosigkeit dramatisch gestiegen. Wo steht die luxemburgische Wirtschaft am Ende dieses Jahres?

Jeannot Krecké: Wirtschaftlich befindet sich Luxemburg international in einem schwierigen Umfeld. National gibt es Bereiche, die ganz gut laufen. 2005 dürfte für den Finanzsektor eines der besten werden in der Geschichte des Bankenplatzes. Das wirkt sich auch positiv auf die Beschäftigung aus. In der Industrie haben wir jedoch Schwierigkeiten. Da passiert im Grunde das Gegenteil - es werden Stellen abgebaut. In diesem Bereich müssen wir uns umorientieren. Wir können nicht nur von den Banken leben. Luxemburg braucht Industrie.

Andreas Holpert: Eine aktive Diversifikationspolitik hatten Sie sich auf die Fahnen geschrieben. Die Abhängigkeit der Luxemburger Wirtschaft vom Finanzplatz hat sich nicht wesentlich verringert. Müssen die Ziele neu gesteckt werden?

Jeannot Krecké: Diversifikation ist noch immer die richtige Lösung. Ich habe nur manchmal das Gefühl, dass wir nicht voll und ganz in diese Richtung gehen. Wir müssten uns dafür umstellen. Die Bereitschaft dazu scheint bisweilen zu fehlen. Müssen wir denn immer die strengsten Regeln haben? Noch könnten wir viele Sachen beeinflussen, aber wollen wir das? Wir könnten ein modernes Land sein und Betrieben, die sich hier niederlassen wollen, schneller die entsprechenden Genehmigungen erteilen. In Einzelfällen klappt das auch, aber eben nicht immer. Da sind wir noch nicht konsequent genug.

Andreas Holpert: Gilt das auch für die Deckung des Strombedarfs?

Jeannot Krecké: Es gibt viele Sachen, die wir selber beeinflussen können. Im Zuge der Liberalisierung werden die Unternehmen künftig ihren Energiebedarf überall decken. Wir engen uns selber ein aus Gründen der Tradition. Die Entwicklung ist nicht aufzuhalten. Zu einem modernen Land gehört auch ein funktionierendes Mobilfunknetz. Wir vergeuden zu viel Zeit. Eine ganze Reihe von Dienstleistungen hängt von neuen Antennen ab. Wir verlieren den Anschluss.

Andreas Holpert: Es würde ein nationaler Aktionsplan mit dem Titel "Innovation und Vollbeschäftigung" verabschiedet. Ist der Plan eine Utopie?

Jeannot Krecké: So wie er aufgesetzt wurde, ist er durchaus realisierbar. Vollbeschäftigung heißt ja nicht 0 Prozent Arbeitslosenquote. Wir zeigen aber, dass wir die 0 Prozent durchaus anstreben. Ich denke schon, dass in Luxemburg die Beschäftigung noch ausbaufähig ist.

Andreas Holpert: Wo?

Jeannot Krecké: In Branchen, die in Luxemburg etwas investieren und Arbeitsplätze schaffen. Derzeit verlieren wir jedoch mehr Stellen als neue hinzukommen.

Andreas Holpert: Sie sind im Verlauf des Jahres um die ganze Welt gereist, um Firmen nach Luxemburg zu locken. Wo sind die neuen Betriebe?

Jeannot Krecké: Ich bin in der Tat viel unterwegs gewesen. Dabei habe ich feststellen müssen, dass diejenigen Unternehmen, die schon in Luxemburg sind, ausbauen und sich engagieren wollen. Bei denjenigen, die noch keine Aktivität hier haben, fällt Luxemburg oft bei der Vorauswahl durch.

Andreas Holpert: Wie kommt das? Die Rahmenbedingungen in Luxemburg gelten doch allgemein als gut.

Jeannot Krecké: Wir fallen durch das Raster, weil wir bei einigen Kriterien schlecht sind oder ungünstige Bedingungen bieten. Unsere Steuern sind beispielsweise zu hoch. Luxemburg steht da im europäischen Vergleich nur im unteren Drittel. Viele der neuen EU-Mitglieder haben attraktivere Steuersätze. Bekannt ist auch, dass in Luxemburg das Lohnniveau sehr hoch ist. Schließlich sind die Grundstückspreise hoch. Dies sind Punkte, die bei ausländischen Firmen ins Gewicht fallen und bei denen Luxemburg oft den Kürzeren zieht.

Andreas Holpert: Was bleibt dem Minister denn dann noch im Gespräch mit Unternehmen im Ausland?

Jeannot Krecké: Wenn wir erklären und zeigen können, dass wir auch Vorteile haben, sieht die Sache schon wieder besser aus. Leider bekommt man nicht immer die Gelegenheit dazu. Das ist wie bei einem Bewerbungsgespräch. Zuerst wird nach bestimmten Gesichtspunkten eine Vorauswahl getroffen, bevor die Kandidaten zum Interview eingeladen werden.

Andreas Holpert: Was macht die Auswahl schwierig und wo liegt Ihrer Ansicht nach das Potenzial?

Jeannot Krecké: Die Konkurrenz ist groß. Luxemburg muss sich behaupten gegenüber Asien, vor allem China und gegenüber Indien. Auch die USA haben nur wenig an Attraktivität eingebüßt. Wir müssen kompensieren, was wir verloren haben. Es gibt eine Reihe von Produkten, die aus Markt- und Wettbewerbsgründen nicht mehr in Luxemburg hergestellt werden. Wir müssen auf Produkte setzen, die auch hierzulande verbraucht werden. Ich denke da an die Logistikbranche, Vertrieb und Umverpackung. Wir müssen für die Bereiche werben, in denen wir etwas vorzuweisen haben.

Andreas Holpert: Was ist mit dem elektronischem Handel? Das Trust-Center ist gegründet und jetzt?

Jeannot Krecké: Ich erhoffe mir viel vom e-Commerce. Dadurch entstehen Geschäftsvorteile. Es gibt einige ausländische Unternehmen, die sich für die Technologie interessieren und bereit sind, sie zu gebrauchen. Es ist der Schlüssel dafür, dass e-Letzebuerg seine Anwendungen erweitern kann. Anwendungen, die Zulassungs-Prozeduren vereinfachen könnten. Das Pilotprojekt "Assistance électronique aux entreprises" soll Möglichkeiten aufzeigen.

Andreas Holpert: Ist es in Luxemburg im Vergleich zu anderen Ländern einfacher oder schwieriger, einen Betrieb zu gründen?

Jeannot Krecké: Es ist hierzulande nicht einfacher als woanders. Wir sind vielleicht in einer ersten Phase schneller als andere. Wenn es aber konkret wird, wie lange es etwa dauert, bis der Betrieb seine Arbeit aufnehmen kann, dann wird schnell deutlich, dass Luxemburg eben nicht unbedingt schneller ist.

Andreas Holpert: Herr Krecké, Sie wollten sich daran messen lassen, ob Sie eine ordentliche Arbeit für das Land geleistet haben.

Jeannot Krecké: Das möchte ich immer noch.

Andreas Holpert: Was hat der Minister 2005 geleistet?

Jeannot Krecké: Er hat probiert, neue Betriebe anzuziehen. Er hat verhandelt, damit Betriebe hier bleiben. Ich habe angeregt, dass Umstrukturierungen gemacht werden. Wir haben eine ganze Reihe an Kooperationen gerade auch im Bereich Forschung und Entwicklung abgeschlossen. Es wurde viel gearbeitet. Ich habe eine ganze Reihe Baustellen angefangen, noch fehlen aber einige Resultate.

Andreas Holpert: Es wurde viel probiert, einiges auf den Weg gebracht. Was passiert 2006?

Jeannot Krecké: Wir müssen schauen, dass wir mit der Tripartite wichtige Weichen für die Zukunft stellen. Die elektronische Unterschrift muss in eine Phase eintreten, in der sie einen praktischen Nutzen abwirft. Wir müssen den Unternehmergeist fördern. Dafür gilt es, einige Gesetze anzupassen. Wir müssen weiter daran arbeiten, die Menschen durch Weiterbildung auf sich verändernde Rahmenbedingungen vorzubereiten. Bringen wir es in der Tripartite fertig, Geld freizumachen für eine neue Politik in dieser Richtung? Oder machen wir weiter wie bisher? Dann fehlen uns die Mittel für neue Projekte. Hier muss eine Antwort gefunden werden. Mit einem automatischen Anstieg der Budgetausgaben um sechs Prozent bleibt allerdings nicht viel übrig.

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