Chancengleichheit, die ewige Baustelle. Marie-Josée Jacobs au sujet de l'égalité des chances entre les femmes et les hommes

Joelle Merges: Frau Ministerin, im vergangenen Jahr wurden Politikerinnen wie Angela Merkel, Michelle Bachelet oder Ellen Johnson Sirleaf als Staats- oder Regierungschefinnen gewählt. Deuten Sie das als Kehrtwende für die Lage der Frauen im Allgemeinen?

Marie-Josée Jacobs: Dass es diese Politikerinnen so weit gebracht haben, liegt meiner Meinung nach vor allem an ihrer persönlichen Ausstrahlung. Erstaunlich ist, dass sie in Ländern gewählt wurden, die nicht unbedingt eine Vorreiterrolle bei der Gleichberechtigung spielen.

Die UN-Statistiken belegen, dass Frauen heute stärker in der Politik vertreten sind als noch vor zehn Jahren.

Joelle Merges: Noch geringer als in der Politik ist der Anteil der Frauen im Management. Wie wollen Sie dem entgegenwirken?

Marie-Josée Jacobs: Von der erzwungenen Gleichstellung in der Wirtschaft, wie sie in Norwegen erprobt wird, halte ich wenig. Dass die skandinavischen Staaten zu solchen Maßnahmen gezwungen sind, belegt doch, dass sie die Vorbildfunktion, die wir ihnen gerne zuschreiben, nur zum Teil erfüllen können. Wir setzen stattdessen auf einzelne Fördermaßnahmen, die wir in enger Abstimmung mit den Unternehmen durchführen. Man mag uns vorwerfen, dass solche Initiativen nur einen Tropfen auf den heißen Stein sind. Wir hoffen jedoch, dass sich auch andere Firmen von diesen Beispielen überzeugen lassen.

Auch wenn wir den Freiraum der Unternehmen prinzipiell nicht antasten wollen: nicht länger hinnehmen wollen wir die Einkommensunterschiede zwischen Mann und Frau. Ist die Wirtschaft nicht freiwillig zur Abhilfe bereit, werden wir Gesetze erlassen müssen.

Joelle Merges: Sie sind seit elf Jahren im Amt. Welche Herausforderungen gilt es noch zu meistern?

Marie-Josée Jacobs: Da fallen mir viele Bereiche ein, sei es die Beschäftigung, die Kinderbetreuung, die Aus- und Weiterbildung oder die Berufsorientierung der Mädchen, die sich nicht ausreichend für zukunftsträchtige Berufe begeistern.

Joelle Merges: Das bedeutet doch, dass sich die Probleme seit Ihrem Amtsantritt vor elf Jahren nicht wesentlich verändert haben.

Marie-Josée Jacobs: Eins steht fest: Den Tag, an dem die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau endgültig hergestellt sein wird, wird es nicht geben. Chancengleichheit ist eine ewige Baustelle. Das bedeutet nicht, dass wir in der Vergangenheit keine wesentlichen Fortschritte erzielt hätten.

Joelle Merges: Vor einigen Jahren hat die Regierung die Gemeinden zur flächendeckenden Einführung der Früherziehung gezwungen. Nun plädieren Sie für die "Maisons relais". Ist diese Kehrtwende im Betreuungsangebot nicht überstürzt?

Marie-Josée Jacobs: Mit der Früherziehung verfolgten wir einen anderen Zweck als mit den "Maisons relais". Während erstere die gesellschaftliche Integrierung der Kinder bezweckten, sollen letztere den Erziehungsberechtigten den Einklang von Familie und Beruf vereinfachen.

Joelle Merges: Kann sich die öffentliche Hand diese Zusatzbetreuung angesichts der gegenwärtigen Haushaltslage überhaupt leisten?

Marie-Josée Jacobs: Jede Neuerung bedeutet auch, dass Althergebrachtes auf den Prüfstand kommt.

Joelle Merges: Das bedeutet konkret?

Marie-Josée Jacobs: Dazu will ich mich noch nicht äußern. Einige Ideen hatte der Premierminister in seiner politischen Erklärung zur Sprache genannt. So muss etwa die Frage erlaubt sein, ob etwa eine Indexierung des Kindergelds unbedingt notwendig ist angesichts der Summen, die wir andernorts in die Kinderförderung stecken.

Joelle Merges: Teuer auf dem Staatshaushalt lastet auch die Erziehungspauschale. Wird es zu einer Umverteilung auf die Rentenkassen kommen, wie im Regierungsabkommen angekündigt?

Marie-Josée Jacobs: Von einem solchen Transfer ist bei den gegenwärtigen Reformdiskussionen nicht die Rede. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir den 40.000 Frauen, die diese Maßnahme beanspruchen, die Anerkennung für ihre Erziehungsleistung wieder entziehen.

Joelle Merges: Werden Sie sich weiter für das Rentensplitting engagieren?

Marie-Josée Jacobs: Natürlich werden wir dafür sorgen, dass ältere Frauen im Fall einer Scheidung vor dem sozialen Absturz bewahrt bleiben. Allerdings darf diese Regelung die beabsichtigte Individualisierung der Rentenansprüche nicht konterkarieren.

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