"Status quo ist keine Lösung mehr". Jeannot Krecké au sujet de la restructuration de quelques entreprises au Luxembourg

Alex Fohl: Villeroy & Boch will 175 Arbeitsplätze abbauen; TDK stellt die Produktion in Luxemburg ein. Wer ist der nächste? An diesbezüglichen Gerüchten mangelt es bekanntlich nicht.

Jeannot Krecké: Prinzipiell nehme ich keine Stellung zu Gerüchten. Seit Monaten sage ich, dass wir in einzelnen Wirtschaftsbereichen Schwierigkeiten bekommen. Das gilt insbesondere für die Industrie. Wir müssen uns in Luxemburg fragen, ob wir auch weiterhin ein Industriegeflecht behalten wollen oder nicht. Ich für meinen Teil will das.

Erstens reicht der Dienstleistungssektor nicht aus und zweitens bleibt der Dienstleistungsbereich von der Industrie abhängig.

Alex Fohl: Welche Alternativen schlagen Sie vor?

Jeannot Krecké: Seit geraumer Zeit versuche ich klarzumachen, dass wir prüfen müssen, ob wir nicht im Bereich Logistik – beim Vertrieb und Handling – tätig werden sollen, wenn wir selbst Produkte nicht mehr in Luxemburg herstellen können, sie aber für den Konsum brauchen.

In diesem Sinne habe ich eine Studie in Auftrag gegeben, weil mir bewusst war, dass es Probleme geben würde und weil ich eine Umstellung unserer Wirtschaft anstrebe. Der Logistik-Sektor ist ganz wichtig – nicht nur für hoch qualifizierte, sondern auch für weniger gut ausgebildete Arbeitskräfte. Das erfordert ein Umdenken.

Es gibt möglicherweise auch andere Sektoren, die wir ins Auge fassen müssen. Wir müssen unsere Prospektion anders ausrichten. Ich weiß, dass ich nach Bereichen Ausschau halten muss, die weniger in Konkurrenz mit dem asiatischen Markt stehen. Es gibt solche. Allerdings gibt es auch hier Konkurrenz – in der Großregion und den umliegenden Ländern. Das ist alles nicht so einfach.

Wenn bspw. ein italienischer Betrieb in ein anderes Land gehen will, schaut er nicht nur nach Luxemburg. Wir müssen also darauf achten, was wir im Steuerbereich tun. Wir müssen auch auf die Kostenexplosion im Energiebereich aufpassen. Wir müssen im Verwaltungsbereich auf Innovation setzen und proaktiv werden, um neue Betriebe anzuziehen.

Es reicht nicht mehr aus, zu sagen, "Wir sind hier, wenn ihr Lust habt, kommt zu uns". Wir müssen etwas mehr anbieten. Die anderen Länder sind nicht faul in diesem Bereich. Z.B. Irland, Belgien, die Niederlande, sie gehen alle aggressiv vor. Wir neigen nach wie vor dazu zu glauben, andere würden uns die Tür einrennen. Das ist nicht der Fall. Niemand steht Schlange. Wir müssen zuhören und potenziellen Investoren etwas anbieten. Wir können nicht gleich alles abwürgen.

Der Status quo ist für uns keine Lösung mehr. Das sage ich so klar wie möglich."

Alex Fohl: Was wollen Sie gegen die vorhandenen Probleme tun?

Jeannot Krecké: Selbstverständlich weiß ich, dass auch andere Betriebe Probleme haben. Doch jedes Mal, wenn sie angesprochen werden, neigt man dazu, sie unter den Teppich zu kehren. Wir berufen uns immer auf ein großes Wachstum, der aber hauptsächlich aus dem Finanzsektor stammt.

Dieses Wachstum hängt wesentlich von Börsenergebnissen ab. Wir sonnen uns in diesen Resultaten, dabei spiegeln sich diese Ergebnisse nicht mehr in den Steuereinnahmen wider. Das hängt mit allen möglichen finanziellen Konstruktionen zusammen.

Ein vierprozentiges Wirtschaftswachstum bedeutet nicht ein dementsprechender Zuwachs bei den Steuerabgaben. Vor zehn Jahren war das noch der Fall, heute nicht mehr.

Wir müssen auch wissen, dass diese Profite außergewöhnlich sind. Als solche sollten wir sie auch betrachten. Wir können die Zukunft nicht allein darauf aufbauen. Wenn es morgen an den Börsen schlecht geht, gehen wir in die Knie. Wer abhängig vom Finanzsektor ist, ist auch abhängig von den Börsen – das heißt von großen Entscheidungen, die irgendwo in der Welt fallen und manchmal völlig unvernünftig sind. Angesichts vorhandener technologischer Mittel ist auch nicht gesichert, ob der Finanzsektor uns in der Form erhalten bleibt. Wir müssen also jene Bereiche konsolidieren, wo es eine Bereitschaft gibt, sich in Luxemburg zu etablieren. Das heißt, wir müssen potenziellen Investoren entgegenkommen.

Alex Fohl: Sie zeichnen ein düsteres Bild ...

Jeannot Krecké: Nein, nein, keineswegs. Es ist eine Realität, auf die wir reagieren müssen. Ich glaube aber daran, dass wir dies können. Wir haben schon andere Tiefschläge bewältigt.

Alex Fohl: Nun wird Ihnen insbesondere von den Gewerkschaften vorgeworfen, kein industrielles Konzept zu haben. Teilen Sie diese Ansicht?

Jeannot Krecké: Selbstverständlich habe ich klare Vorstellungen. Wir sind in der Automobilbranche dabei, glaubwürdig etwas aufzubauen. Wir haben 30 Zulieferfirmen von großen Automobilherstellern. Wir sind auch glaubwürdig im Bereich eCommerce. Das gilt auch für das Plastikgeschäft, wo es viele erfolgreiche Unternehmen gibt. Wir haben Firmen, die hochtechnologische Equipments herstellen, Husky wäre ein Beispiel. Wir wollen auch im Bereich der Biotechnologien aktiv werden. Ich weiß schon, wo es hingehen soll. Das Problem ist nur, andere wollen auch in diesen Richtungen vorpreschen. Es ist nicht so, als ob wir kein Industriekonzept hätten. Ich frage mich, ob wir überhaupt Industrie in Luxemburg wollen. Darauf habe ich bis heute noch keine Antwort bekommen.

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