"Nicht nur Feuerwehrmann sein". François Biltgen au sujet des récents licenciements chez Villeroy & Boch et TDK

Télécran: Herr Minister, seit Sie quasi Vollzeitarbeitsminister sind, häufen sich die Hiobsbotschaften. Was können Sie tun, um die Entlassung der Mitarbeiter von Villeroy und TDK zu verhindern?

François Biltgen: Allein, nichts. Bevor wir Näheres besprechen, möchte ich meine Politik definieren. Es reicht mir nämlich nicht, als Arbeitsminister zuständig zu sein, die Brände zu löschen. Ich habe nicht die Kompetenz, um Feuersbrünste zu verhindern.

Deshalb brauchen wir die Bereitschaft aller Verantwortlichen, inklusive der Sozialpartner, Feuersbrünste abzuwenden. Das fordere ich bereits seit Jahren, doch hat lange Zeit kaum jemand mir zugehört.

Télécran: Was meinen Sie damit?

François Biltgen: Wir müssen uns wegbewegen von einer defensiven Politik hin zu einer proaktiven Arbeitsmarktpolitik. Defensiv heißt, Stellenabbau hinzunehmen und best mögliche Abfindungen herauszuschlagen. Proaktive Politik bedeutet, sich von der Beschäftigungssicherheit hin zur Arbeitsplatzsicherheit zu bewegen.

Télécran: Sie fordern einen Mentalitätswandel?

François Biltgen: Die Menschen müssen sich bewusst werden, dass es keine lebenslänglichen Jobgarantien mehr gibt – außer vielleicht im öffentlichen Dienst.

Télécran: Ist der Standort Luxemburg in Gefahr?

François Biltgen: Nicht, wenn wir uns rechtzeitig anpassen. Wir können nur überleben, wenn wir Produkte und Dienstleistungen mit hoher Wertschöpfung produzieren. Diesbezüglich bin ich sehr froh, auch Hochschul- und Forschungsminister zu sein. Dies gibt mir die Gelegenheit, zusammen mit Firmen auf neue zukunftsträchtige Produkte hin zuarbeiten. Dies bedingt aber auch, die Arbeitnehmer beizeiten auf die technologischen Änderungen vorzubereiten. Generell ist es wichtig, Restrukturierungen vorherzusehen.

Rigide Reaktionen nach alt bewährten Mustern bringen uns nicht voran.

Télécran: Von welchen Rigiditäten reden Sie?

François Biltgen: Die Sozialpartner, allen voran die Gewerkschaften müssten ihre Verhandlungen nicht nur auf Lohnfragen beschränken, sondern verstärkt auf Erhalt, ja sogar Schaffen von neuen Arbeitsplätzen und natürlich auf Schulung und Weiterbildung der Beschäftigten setzen. Nur 20 Prozent der Branchenkollektivverträge behandeln aber diese Themen.

Télécran: Ist der Fall Brink's beispielhaft für Ihre neue Politik? Ganz ohne Gewerkschaften gelang es Ihnen, die Entlassung von 170 Mitarbeitern zu verhindern.

François Biltgen: Brink's ist ein Beispiel aktiver Arbeitsmarktpolitik. Es gab die Möglichkeit, Mitarbeiter im Betrieb weiterzubeschäftigen. Andere konnten im gleichen Sektor untergebracht werden, also beim Group 4 Falck. Ich hatte ausreichend Zeit, den Deal einzufädeln, und zwar vor der Erstellung eines Sozialplans. Positiv hat sich auch die Kooperationsbereitschaft der Firmenleitungen und des Berufsverbands ausgewirkt. Ich konnte somit ein gutes Beispiel meiner Politik der "employment security" liefern.

Télécran: Wird die Umschulung der Mitarbeiter integral vom Staat finanziert?

François Biltgen: Wir bezahlen 80 Prozent der Kosten. Die restlichen 20 Prozent übernimmt der Betrieb und kann sie anderweitig geltend machen.

Télécran: Ist dieses Szenario auch auf andere Brandherde anwendbar?

François Biltgen: Jeder Fall ist anders gelagert. Deshalb gibt es auch keine Universallösung. Bei Villeroy und TDK stehen wir unter Zeitdruck. Die Interventionsmöglichkeiten des Arbeitsministers sind begrenzt. Um effizient eingreifen zu können, benötige ich Informationen zur sozialen Lage eines Betriebes, und zwar bevor es zu Entlassungen kommt. Deshalb will ich ein "soziales Audit" im zukünftigen Gesetz über den "maintien sur le marché de l'emploi" verankern. Damit hätten die Sozialpartner auch eine Möglichkeit, vorbeugend aktiv zu werden.

Télécran: Sie reden von "maintien de l'emploi", der OGBL von "cellules pour l'emploi". Das hört sich ziemlich ähnlich an.

François Biltgen: Es ist aber nicht unbedingt und immer das Gleiche. Ich rede von Politik und nicht von Strukturen. Es macht keinen Sinn, Personen, die entlassen werden sollen, künstlich in einer so genannten "cellule" zu parken, wenn es überhaupt keine Aussicht auf neue Arbeit gibt. Mir geht es darum, die Menschen im Arbeitsprozess zu behalten und sie entsprechend umzuschulen. Ich predige dies bereits seit zwei Jahren. Die Arbeitgeber waren lange dagegen, die Gewerkschaften verstehen manchmal etwas anderes darunter.

Télécran: Wie geht es weiter bei Villeroy & Boch?

François Biltgen: Es wird schwierig, das Personal im gleichen Sektor unterzubringen. Bislang gibt es nur eine Keramikfabrik in Luxemburg. Wirtschaftsminister Jeannot Krecké und ich wären natürlich froh, wenn ein ähnlicher Betrieb an Land gezogen werden könnte. Gleichzeitig werden wir nach der Möglichkeit Ausschau halten, die Personen in anderen Betrieben unterzubringen. Vorerst benötigen wir das Profil des Personals, das entlassen werden soll. Erst dann kann ich entsprechende Umschulungen in die Wege leiten.

Télécran: Und bei TDK?

François Biltgen: Die Lage ist wirklich dramatisch. Noch im Juli hatte die Firma gute Resultate gemeldet. Dies zeigt auch, den begrenzten Wert eines sozialen Audits. In der Wirtschaft kommen viele Änderungen sehr schnell. Nicht alle Feuersbrünste sind abzuwenden.

Télécran: Wäre es nicht günstiger für Sie, auch noch Wirtschaftsminister zu sein? Dann hätten Sie die Lage besser im Blick...

François Biltgen: Das ist nicht unbedingt eine gute Konstellation. In den Ländern, wo der Wirtschaftsminister auch für Arbeit zuständig ist, haben arbeitspolitische Erwägungen stets das Nachsehen. Mir reicht es derzeit, Arbeits- und Hochschul und Forschungsminister zu sein. So kann ich aktiv mithelfen, neue Arbeitsplätze zu schaffen und vielleicht Feuersbrünste zu verhindern. Das Abkommen der TDK mit der Regierung und der Uni Luxemburg ist in diesem Sinn exemplarisch, auch wenn die Resultate leider erst in Jahren spürbar werden können. Diese gemeinsame Forschungspolitik der Wirtschaft mit den öffentlichen Forschungseinrichtungen muss ausgebaut werden, damit neue hochwertige Produkte mit neuen Arbeitsplätzen abgelaufene Produkte und abgebaute

Télécran: Haben Sie Kenntnis von anderen Betrieben, die Stellenabbau planen? Luxair, Brauerei Diekirch, WSA sind genannt worden.

François Biltgen: Es ist kontraproduktiv, über einen – oft nur eventuellen – Stellenabbau in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Oft werden dadurch unsere Verhandlungsmöglichkeiten eingeschränkt. Außerdem ist es für die Arbeitnehmer immer katastrophal, eine Entscheidung zuerst aus der Zeitung zu erfahren, auch wenn einer ihrer Gewerkschafter die Information verlautbart hat.

Kürzlich beschlossen die Behörde, Personen, die von "mise au travail"-Maßnahmen profitieren und Grenzgänger nicht mehr bei der Berechnung der Arbeitslosenquote zu berücksichtigen. Dies führt dazu, dass Luxemburg im vergangenen Dezember fünf Prozent Arbeitslose hatte und im Januar nur mehr 4,8 Prozent – und dies obwohl es im Januar 465 mehr Arbeitslose gab als im Dezember. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre hat die Zahl der Arbeitslosen sich verdoppelt: Von knapp 5000 im Dezember 2000 auf 10653 im Dezember 2005. In Wirklichkeit dürfte die Arbeitslosenzahl weitaus höher liegen. Immerhin sind die etwa 5700 Personen, die sich in Beschäftigungsinitiativen befinden, in der offiziellen Statistik nicht berücksichtigt.

Dernière mise à jour