"To bomb or not to bomb"- das kann nicht die Frage sein. Jean Asselborn au sujet de la situation en Iran

Marcel Kieffer: Herr Außenminister, der Atomstreit mit dem Iran tritt am Montag in eine neue Phase, wenn die fünf Veto-Staaten plus Deutschland über einen Resolutionsentwurf gegen Teheran diskutieren werden. Wird der Druck nun stärker gegen das Mullah-Regime?

Jean Asselborn: Noch weiß man nicht, wie stark der Druck sein wird, den die internationale Gemeinschaft auf den Iran via UN-Sicherheitsrat ausüben wird. Das werden die nächsten Tage jetzt zeigen. Sicher ist, dass kein Staat – auch nicht China oder Russland – ein Interesse daran hat, dass der Iran in den Besitz der Atombombe gelangt. Das weiß ich aus persönlichen Gesprächen mit den russischen und chinesischen Außenministern.

Marcel Kieffer: Dadurch dass nun aber eine Resolution auf der Basis von Kapitel VII der UN-Charta auf die Tagesordnung rückt, gehen die sechs Verhandlungsländer aber doch einen Schritt weiter gegenüber Teheran...

Jean Asselborn: Das stimmt, und das ist auch nur logisch. Der Iran hat das ihm gestellte einmonatige Ultimatum zum Stopp der Urananreicherung reaktionslos verstreichen lassen. Es ist klar, dass die internationale Gemeinschaft sich nun die legale Basis geben muss, um gegebenenfalls Zwangsmaßnahmen anwenden zu können. Der Einstieg in diese nächste Stufe ist logisch und konsequent, zumal damit die Fortführung diplomatischer Verhandlungen mit dem Iran nicht ausgeschlossen wird.

Marcel Kieffer: Aber Kapitel VII der UN-Charta sieht ja auch die Möglichkeit von Sanktionen bis hin, gemäß Artikel 42, zu militärischen Maßnahmen vor. Hat sich nun die harte amerikanische Linie gegenüber dem Iran durchgesetzt?

Jean Asselborn: Nein, nein! Noch sind die USA die einzigen unter den fünf Veto-Staaten, die auf sofortige Sanktionen gegenüber Teheran drängen. China und Russland wollen davon noch gar nichts wissen, und für die EU kommt ein Rückgriff auf Artikel 42 keinesfalls in Frage.

Das was wir Europäer wollen, ist den Druck auf die iranische Führung so weit zu verstärken, d.h. sie international so sehr zu isolieren, dass sie den an sie gerichteten Forderungen nachgibt und endlich einsieht, dass sie sich mit ihrer derzeitigen sturen und rücksichtslosen Politik auf dem falschen Weg befindet. Meines Erachtens wäre das ideale Mittel, sie dorthin zu bringen, jenes, eine internationale geschlossene und solidarische Position gegen Teheran zustande zu bringen und das dortige Regime so maximal unter Druck zu setzen.

Marcel Kieffer: In den USA kursiert aber schon ganz offen die Frage "To bomb or not to bomb" in den Medien. Die Parallele zum Irak-Szenario ist inzwischen nicht mehr zu erkennen.

Jean Asselborn: "To bomb or not to bomb" – das kann nicht die Frage sein. Eine militärische Lösung darf einfach kein Thema sein. Sie würde direkt in die Katastrophe führen. Allein schon laut darüber nachzudenken, würde uns tatsächlich wieder in das Szenario des Irak-Kriegs versetzen, und wohin dies geführt hat, wissen wir ja nun. Auch die stärkste Macht der Welt kann eventuelle innenpolitische Schwächen nicht durch einen Krieg verdrängen. Zudem muss man bedenken, dass ein militärisches Eingreifen zu einer Allianz aller iranischen nationalistischen Kräfte und den islamistischen Fundamentalisten aus der ganzen arabischen Welt führen würde. Ein explosives Gemisch, das in seiner Sprengkraft unabsehbare Folgen haben würde. Eine Bombardierung des iranischen Territoriums kann also nicht die Lösung sein. Man kann zwar Kriege unilateral führen, aber doch niemals den Frieden damit gewinnen. Ebenso unverantwortlich wäre ein Krieg aber auch aus ökonomischer Sicht. Die ganze auf dem Erdölmarkt beruhende Weltwirtschaft würde aus den Fugen geraten, was weder im Interesse der USA, Asiens oder auch Europas wäre.

Marcel Kieffer: Aber wie stellen Sie sich denn nun vor, Herr Minister, dass es weitergeht? Das Tor zu Zwangsmaßnahmen gegenüber dem Iran steht ja nun immerhin offen.

Jean Asselborn: Also, zu allererst muss kurzfristig alles Gerede über eine Militäroption vermieden werden. Es kann keine Option sein und würde ohnehin nur ins Chaos führen. Auch bin ich der Überzeugung, dass allein schon dadurch, dass man nicht mehr über einen Militärschlag spricht, es einfacher werden wird, mit China und Russland zu einem Konsens zu kommen. Mittelfristig müssten die USA von der Wichtigkeit überzeugt werden, direkte Gespräche mit dem Iran aufzunehmen. Sie tun es ja auch mit Nordkorea, dessen Nuklearbedrohung weitaus imminenter ist als die iranische. Langfristig sehe ich die Chance und Perspektive einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten, unter der Voraussetzung, dass es vorher zu einer friedlichen Lösung des Palästina-Konflikts kommt.

Marcel Kieffer: Das aber wird doch auch von den innenpolitischen Entwicklungen im Iran abhängen, oder?

Jean Asselborn: Ganz sicher, aber da bin ich zuversichtlich. Der Iran ist ein junges Volk. Die Menschen dort werden sich früher oder später von dem fundamentalistischen Regime losreißen und somit den Weg freimachen für eine kooperative Rolle ihres Landes in der internationalen Gemeinschaft. Die Chance darauf dürfen wir ihnen und uns nicht heute durch ein unüberlegtes Handeln verbauen.

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