"Zusätzliche Pfeiler für die Entwicklungshilfe"

D'Wort: Herr Schlitz, beneiden Ihre Regierungskollegen Sie eigentlich um das Amt des Entwicklungsministers? Sie reisen um die Welt, sind in den Medien sehr präsent, und sind kaum der Kritik der Opposition ausgesetzt.

Jean-Louis Schiltz: Die Kooperation ist nun mal ein Teil der Außenpolitik und darüber hinaus ist es sicherlich einer der Bereiche, in dem Luxemburg auf der internationalen Bühne mit am Sichtbarsten vertreten ist. Zwar ist Luxemburg das jüngste Mitglied in der Gruppe der großen Geberländer. Doch war die Zeit reif, international nicht nur auf dem rein finanziellen Aspekt der Kooperation zu bestehen, sondern die Bedeutung des Landes als politischer Initiator zu fördern.

Von Vorteil war in diesem Zusammenhang der Vertrauensschub, den die Ratspräsidentschaft uns verschuf. Den in diesem Zeitraum getroffenen Beschluss, die EU-Entwicklungshilfe bis 2015 auf 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens aufzustocken, wird allgemein als bedeutender Schritt europäischer Entwicklungspolitik angesehen.

Wichtig war für mich auch Anfang 2006 die Schaffung des Fonds der Vereinten Nationen für humanitäre Katastrophen und vergessene Krisen, der auf Initiativen von Luxemburg, Schweden und Großbritannien zurückgeht. Ein weiteres Anliegen ist mir darüber hinaus die Reform der Vereinten Nationen, die wir gemeinsam mit anderen EU-Mitgliedstaaten fördern – auch wenn die Arbeiten in diesem Fall nur sehr schleppend voranschreiten.

D'Wort: Im Mittelpunkt der luxemburgischen Entwicklungshilfe stehen die zehn Zielländer. Wird es bei dieser Zahl und unseren jetzigen Partnern bleiben?

Jean-Louis Schiltz: Internationale Studien, wie etwa Untersuchungen der OECD, belegen, dass es für die Wirksamkeit der Kooperation eher schädlich ist, wenn Entwicklungsprogramme m einer Vielzahl von oft grundverschiedenen Ländern abgewickelt werden. Deshalb wollen wir unsere Präsenz in den Staaten abbauen, die nicht zu den zehn Zielländern gehören, wie etwa Ecuador, Marokko, Tunesien oder auch Chile. Ein kurzfristiger Rückzug aus den zehn Zielgebieten kommt für mich nicht in Frage. Zwar wurden in Staaten wie El Salvador oder Vietnam in den letzten Jahren wichtige Fortschritte erzielt. Auch Luxemburg hat dazu beigetragen. Unsere Zelte werden wir dort aber frühestens in ein paar Jahren abbrechen. Bis dahin muss gewährleistet sein, dass die positive Entwicklung dieser Staaten solide abgesichert ist Die Frage nach einem neuen Partnerland stellt sich vor diesem Hintergrund. Ich denke dabei an Staaten in Westafrika oder Asien.

D'Wort: Die Bildung, die Wasserversorgung und die Gesundheit sind die Hauptschwerpunkte der luxemburgischen Entwicklungsprogramme. Halten Sie auch weiterhin daran fest?

Jean-Louis Schiltz: Ohne diese Pfeiler im Kampf gegen die Armut grundsätzlich in Frage zu stellen, bin ich dabei, unsere Kooperation um die Kerngebiete Mikrofinanzierung, berufliche Eingliederung und gute Regierungsführung zu erweitern.

D'Wort: In der Diskussion um eine möglichst wirksame Verwendung der Entwicklungshilfe muss der StehersteNurig ekler guten Regierungsführung doch dne besondere Bedeutung zukommen.

Jean-Louis Schiltz: Absolut. Ich weigere mich jedoch, zwischen der Entwicklungszusammenarbeit und der guten Regierungsfühning eine automatische Verbindung herzustellen, die immer und in allen Fällen Gültigkeit hätte. Gleichwohl ist es klar, dass die Kooperation ihre Wirksamkeit dort am besten entfaltet, wo die Behörden rechtmäßig arbeiten. Dem Dialog auf Regierungsebene müssen deshalb konkrete Projekte vor Ort folgen. Daran arbeiten wir. So werden wir zum Beispiel ab 2007 ein Schulprogramm in Senegal über die Schäden, die durch Korruption entstehen können, unterstützen.

D'Wort: Dem Regierungsprogramm zufolge soll dte Entwicklungshilfe auf ein Prozent des Bruttonationaleinkommens ansteigen. Gleichzeitig mahnt der Premierminister zur Sparsamkeit.

Jean-Louis Schiltz: Die Regierung ist entschlossen das Budget der Kooperation auf einem konstant hohen Niveau zu halten. Ich hatte in der Vergangenheit schon mehrfach die Gelegenheit zu betonen, dass sich die Entwicklungszusammenarbeit nicht im lüftleeren Raum bewegt; deren Ausrichtung muss dem wirtschaftlichen Umfeld m Luxemburg Rechnung tragen. Deshalb werden wir in den nächsten Jahren sicherlich nicht so schnell weiter wachsen wie wir dies in den letzten Jahren getan haben. Die Ein-Prozent-Marke haben wir mittelfristig weiterhin fest im Blick. Staaten wie Norwegen und Schweden werden diese Hürde übrigens in diesem Jahr nehmen.

D'Wort: Der Fall Kongo belegt, wie eng die Verbindung zwischen Entwicklungszusammenarbeit und Verteidigungspolitik ist, für die Sie seit Februar verantwortlich sind. Was bedeutet dieser neue Aufgabenbereich für Sie?

Jean-Louis Schiltz: Die Verteidigungspolitik ist wie die Kooperation ein Aspekt der Außenpolitik. Die Region der Großen Seen unterstützen wir in diesem Jahr mit mehr als zwei Millionen Euro an humanitären Zuwendungen. Und auch wenn wir was an der EU-Militarmission zur Absicherung der Wahlen in Kongo nur mit zwei Mann beteiligen, so bewährt sich der Einsatz doch: Dank unserer Sprachkenntnisse bilden unsere Offiziere ein wichtiges Bindeglied zwischen den deutschen und den französischen Soldaten sowie zwischen den EU- und den UN-Soldaten.

D'Wort: Luxemburg beteiligt sich mit drei Offizieren an der Unifil Mission im Libanon. Wie hoch schätzen Sie das Gefährdungsrisiko ein, das mit diesem Einsatz verbunden ist?

Jean-Louis Schiltz: Einsätze in Krisenregionen sind per se gefährlich. Sonst brauchte man kein Militär. Von einem Nullrisiko kann bei solchen Missionen nie die Rede sein. Die drei Soldaten, die wir in den Libanon entsenden, werden kaum in das aktive Geschehen im Süden des Landes einbezogen werden. Ein Offizier wird nach Beirut delegiert. Zwei Minenräumexperten sollen sich an der Ausbildüng der libanesischen Armee beteiligen. Als Teil des belgischen Kontingents genießen sie den besonderen Schutz, den Brüssel seinen Soldaten nach den schlechten Erfahrungen in Rwanda zukommen lässt.

D'Wort: Damit die Armee ihre internationalen Aufgaben erfüllen kann, wird seit einiger Zeit eine Reform in Erwägung gezogen. Wie weit sind Ihre Überlegungen mittlerweile fortgeschritten?

Jean-Louis Schiltz: Zuerst möchte ich auf die soziale Bedeutung der Armee hinweisen. Sie liegt mir am Herzen. Es geht darum, jungen Erwachsenen die Chance auf eine berufliche Ausbildung zu geben. Was die internationalen Aufgaben anbelangt, so sind wir insbesondere der EU und der Nato gegenüber zur langfristigen Planung verpflichtet. Um diese Aufgaben erfüllen zu können, sind Anpassungen unumgänglich. Wie wir dies am besten tun können, habe ich in den letzten Wochen mit den Armeegewerkschaften in einer ersten Serie von Gesprächen besprochen. Die intensiven Arbeiten über die künftige Ausrichtung der Armee werden im Herbst beginnen.

D'Wort: Als Kommunikationsminister fallen Sie in der Öffentlichkeit besonders durch Auftritte bei den Filmfestspielen in Cannes auf. Wird dieses Ressort von Ihnen vernachlässigt?

Jean-Louis Schiltz: Wo denken Sie hin? Es ist wichtig für die kleine, aber feine Luxemburger Filmindustrie, dass das Land in Cannes durch den zuständigen Minister vertreten ist. Doch meine Arbeit als Kommunikationsminister beschränkt sich nicht auf den Filmsektor. An Veränderungen und Reformen in anderen Bereichen mangelt es nicht. Zuletzt habe ich etwa das Gesetzesprojekt über die Informationsautobahnen in die Wege geleitet, mit der wir unsere Datenverbindungen zum Ausland verbessern und damit unsere Standortvorteile wahren wollen. Schnell umsetzen will ich die Reform des Datenschutzgesetzes. Damit soll dem Wunsch der Privatwirtschaft nach einem Abbau der administrativen Hürden Rechnung getragen werden, ohne dabei den Anspruch des Einzelnen auf den Schutz seiner Privatsphäre zu mindern.

D'Wort: Dank des günstigen Steuerumfelds haben sich Unternehmen wie Amazon, AOL und Skype in Luxemburg niedergelassen. Wird sich die Regierung weiter gegen die Mehrwertsteuerpläne der EU wehren?

Jean-Louis Schiltz: Es bleibt bei unserem Nein in dieser Frage. Allerdings hat Luxemburg diesen Firmen weitere Vorzüge zu bieten, wie etwa ein gut ausgebildeter Dienstleistungssektor, die Mehrsprachigkeit, die zentrale Lage in Europa, das sichere politische und soziale Umfeld oder die Planungssicherheit im reglementären Umfeld.

D'Wort: Wie wollen Sie den Konflikt mit Coditel lösen?

Jean-Louis Schiltz: Dass hier keine Lösung möglich ist, leuchtet jedenfalls nicht ein. Nicht nur der Minister, auch die Gemeinden und die Kunden müssen ihren Spielraum nutzen. Es gibt technologische Alternativen. Bleiben die Endverbraucher unzufrieden, werden sie diese nutzen.

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