François Biltgen: "Mehr Gestaltungsraum für die Sozialpartner" Le ministre du Travail au sujet de la modernisation du droit du travail

Tageblatt: Bedarf das Luxemburger Arbeitsrecht überhaupt einer Modernisierung? Jährlich werden tausende neue Arbeitsplätze geschaffen. Die aktuelle Gesetzgebung kann dem folglich nicht im Wege stehen.

Francois Biltgen: Für all jene, die meinen, Arbeitsplätze würden nur geschaffen, wenn Arbeitsrecht abgebaut wird, müsste Luxemburg ein gutes Gegenbeispiel sein. Obwohl wir ein rigides Arbeitsrecht haben, schaffen wir dauernd neue Arbeitsplätze. Was jedoch nicht heißen soll, dass man das Luxemburger Arbeitsrecht nicht anpassen sollte. Denn was gut auf dem Papier aussieht, hilft in der Wirklichkeit nicht immer.

Wir haben einen hohen Kündigungsschutz und hohe Arbeitslosenbezüge, und ich sehe auch direkt keinen Grund, dies in Frage zu stellen. Aber das hilft uns weder bei Restrukturierungen noch bei der Lösung aller Probleme auf dem Arbeitsmarkt. Deshalb wollen wir eine Politik des "Maintien dans l'emploi" betreiben. Man kann Restrukturierungen nicht verbieten. Andererseits helfen auch Sozialpläne alleine nicht. Also, lasst uns im Vorfeld eine Politik betreiben, die es Leuten ermöglicht, eine andere Arbeitsstelle zu finden, ohne dass sie erst in eine Kündigungsphase und dann in die Arbeitslosigkeit fallen.

In Sachen Arbeitszeiten meine ich, dass unsere Gesetze oftmals zu starr sind. Das Patronat möchte weitere Öffnungen. Wenn wir das Gesetz öffnen, haben wir Flexibilität, aber keine Sicherheit mehr. Meine Philosophie ist es, das Arbeitsrecht flexibler zu gestalten, um den Sozialpartnern zusätzlichen Gestaltungsraum zu geben. Diese Möglichkeiten bestehen bereits. So können sich Partner im Rahmen der Verhandlungen zum Kollektivvertrag auf Modelle einigen, die nicht im allgemeinen Recht vorgesehen sind, zum Beispiel in Sachen Referenzperiode.

In diese Richtung geht auch die Idee der berufsübergreifenden Vereinbarungen zwischen Patronat und Gewerkschaften, wie das für den Bereich Telearbeit getan wurde. Gesetzgeberische Initiativen bergen das Risiko von zu starren und damit die Beschäftigung hemmenden oder allzu laschen Regelungen.

Eine zweite Vereinbarung betrifft den individuellen Zugang zur beruflichen Weiterbildung.

Tageblatt: Beim Wort Modernisierung des Arbeitsrechts denkt man unwillkürlich an Flexibilisierung und Prekarisierung der Arbeitsverhältnisse. Das Grünbuch plädiert auch für mehr Selbständigkeit, um die direkten und indirekten Arbeitskosten zu senken, die dann von den Beschäftigten getragen werden müssten.

Francois Biltgen:: Diese Fragen werden tatsächlich vom Grünbuch aufgeworfen. Die unbefristeten Arbeitsverträge werden in der EU - ich spreche da nicht von Luxemburg - zur Ausnahme. Atypische Arbeitsformen wie befristete Verträge, Leiharbeit oder Teilzeitarbeit gewinnen die Oberhand.

Mehr Sorgen bereitet mir auf europäischem Plan, dass wir immer mehr Personen ohne Arbeitsvertrag haben, die selbständig sind und sich in prekären Arbeitsverhältnissen befinden.

Die EU-Kommission stellt eine provokante Frage, indem sie wissen will, ob es nicht besser wäre, in den normalen Arbeitsverträgen mehr Flexibilität einzubauen und in den atypischen mehr Sicherheit. Die beiden also einander anzunähern.

Tageblatt: Wäre es für Luxemburg wünschenswert, noch weiter in Richtung Aufweichung der Standardverträge zu gehen?

Francois Biltgen: Diese Frage stellt sich in dieser Form nicht. Es geht nicht um Aufweichung. Ich erinnere daran, dass das Grünbuch eine Initiative vom Sozialkommissar ist. Der EU-Arbeitgeberverband war gegen dieses Grünbuch. Es geht nicht um Aufweichung, sondern um mehr Sicherheit und Flexibilität. Die Überlegung dahinter ist: Wenn man nicht mehr Flexibilität schafft, wird sich der Anteil der unbefristeten Verträge noch weiter reduzieren.

Das Grünbuch wirft die Frage auf, was man tun muss, um zu verhindern, dass der atypische Vertrag zum Standard wird. In Luxemburg wehren wir uns dagegen. Gleichzeitig überlegen wir uns, wie man mehr Flexibilität bekommen kann. Der Arbeitskodex Luxemburgs wird nicht in Frage gestellt.

Tageblatt: Was kommt nach dem Grünbuch?

Francois Biltgen: Zuerst mal wird es eine Kommunikation der Kommission geben. Dann kann es zu einem Weißbuch kommen und zu Richtlinien.

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