Le ministre des Affaires étrangères et de l'Immigration, Jean Asselborn, au sujet du Conseil européen des 21 et 22 juin 2007

Deutschlandfunk: Die Zeit ist knapp. Heute beginnt der EU-Gipfel. Und der Widerstand vor allem Polens und Tcheschiens aber auch Großbritanniens und der Niederlande gegen die Einigung auf einem Grundlagenvertrag für die Union nimmt eher zu als ab. Gestern haben die Aussenminister beraten. Heute treffen sich noch einmal Unterhändler der Mitgliedsstaaten. Und am Telefon begrüße ich den luxemburgischen Aussenminister, einen klaren Freund dessen, was nun also nicht mehr Verfassung heißen soll. Guten Morgen Jean Asselborn.

Jean Asselborn: Guten Morgen, Madame Heuer.

Deutschlandfunk: Ihre Prognose, wird sich die EU bei ihrem Treffen einigen? Oder wird der Gipfel scheitern?

Jean Asselborn: Also wenn Sie mich so direkt fragen. Ich habe einen gezügelten Optimismus. Gezügelt, denn Sie haben wirklich auch auf die Länder hingewiesen, die noch Probleme haben. Wir haben noch viel zu arbeiten, aber Optimismus, weil ich glaube, dass jeder weiß, wieviel die Uhr geschlagen hat.

Deutschlandfunk: Nehmen Sie an, dass Super-Merkel die Sache doch noch retten wird?

Jean Asselborn: Ich glaube, dass Madame Merkel aber auch Frank Steinmeier sich sehr, sehr viel Mühe geben. Wenn es scheitert ist es bestimmt nicht ihre Schuld.

Deutschlandfunk: Also sind beide für Überraschungen gut?

Jean Asselborn: Beide für Überraschungen gut, selbstverständlich. Aber eine Person allein wird das nicht schaffen. Da muss schon wie im Fußball, wie im Handball, wie im Sport der Wille bestehen, dass man wirklich die Sache erledigen kann.

Deutschlandfunk: Also, den Willen scheinen die Polen nicht zu haben. Die bestehen weiterhin auf dem Quadratwurzelverfahren bei Abstimmungen. Das ist sehr kompliziert zu erklären, aber Mathematiker sagen, dieses Verfahren ist gerechter als die doppelte Abstimmung, die bisher vorgesehen ist. Wieso lehnen Sie es dann so vehement ab, den Polen entgegen zu kommen?

Jean Asselborn: Nein, ich glaube, die Polen die sehen das etwas verzwickt. Zuerst, die nackte Stimmenzahl im Rat korrespondiert nicht über die Influenzmöglichkeiten, die ein Staat hat. Nehmen Sie einen Staat wie Luxemburg. Wir hatten nie viel Stimmen, und unser Einfluss, glaube ich sagen zu dürfen, ist trotzdem viel, viel größer als das, was wir als Stimmen haben. Das habe ich den Polen auch versucht, aus meiner Sicht zu explizieren. Bei den Polen ist es, dass sie in Nizza sehr viel mehr hatten aus ihrer Sicht wie im Verfassungsvertrag, und da wollen sie wieder zurück dazu kommen. Wenn wir die Stimmengewichtung wieder aufmachen, machen wir wieder die Pandorabüchse der Institutionsdiskussion auf. Und das ist sehr, sehr gefährlich. Darum glaube ich auch, dass die Polen, die ja nur einen schwachen Secours haben von den Tschechen auf diesem Punkt, wissen, wie weit oder auch wie lange sie damit gehen können. Es gibt Möglichkeiten, um den Polen entgegen zu kommen ohne wieder das Institutionelle aufzumachen.

Deutschlandfunk: Welche Möglichkeiten gibt es?

Jean Asselborn: Es gibt Möglichkeiten, wenn man die natürlich jetzt auf den Markt setzt, dann sind es keine Alternativen mehr, die man diskutieren kann, aber es gibt Möglichkeiten. Zum Beispiel haben wir ja, wenn Sie an die Kommission zum Beispiel denken, die Reduzierung der Kommission ist beschlossen worden. Tritt aber erst 2014 in Kraft. Ich glaube, Europa wird nicht sterben, Europa wird nicht schwächer werden, wenn wir eine Lösung finden, die sich in der Zukunft appliziert. Das ist eine Möglichkeit. Es gibt noch andere. Man sollte den Polen entgegen kommen, da bin ich dafür, aber auch jetzt nicht wieder alles verkrampfen auf die Polen. Und Sie werden sehen, ich kann mich irren, aber Sie werden sehen, Polen wird nicht das größte Problem werden.

Deutschlandfunk: Wer denn?

Jean Asselborn: Das größte Problem, meines Erachtens, ist in der Substanz die Charta. Die Charta der Grundrechte. Sie wissen, dass wir überall erzählen auf der Welt, dass Europa eine politische Entität ist, die Werte vertritt, die Grundrechte vertritt. Jetzt haben wir seit 2000 diese Charta. Diese Charta soll jetzt in den Vertrag einverleibt werden. Jetzt haben wir mit den Briten im Jahre 2000 und auch noch im Jahre 2004 uns durchgerungen, dass sie damit einverstanden sind. Jetzt wollen die Briten wieder herunterschrauben. Das ist für die Kredibilität der Europäischen Union und für, das kann ich Ihnen sagen, für sehr, sehr viele Länder, sogar für ein kleines Land wie Luxemburg, nicht akzeptabel, dass die Rechtsverbindlichkeit der Charta, dass die unterlaufen wird. Da glaube ich wird die Diskussion sich wirklich fokussieren. Ich könnte mich irren. Und wenn die Engländer einen Schritt in die richtige Richtung machen, dann werden auch Holländer, Polen, Tschechen folgen, denn dann sind die Zeichen gesetzt, dass wir uns einigen wollen. Wenn die Briten natürlich bei ihrer Position um die Nicht-Rechtsverbindlichkeit der Charta beharren, werden sich andere Länder - und speziell Polen - auch dahinter verstecken können.

Deutschlandfunk: Herr Asselborn, das klingt als hielten Sie persönlich Großbritannien für ein wesentlich größeres Problem als die Polen. Könnte der Gipfel an den Briten tatsächlich scheitern?

Jean Asselborn: Auch da, wenn ich sage gezügelter Optimismus, wissen die Briten ja auch, wenn Sie jetzt zurück denken an diese Verkrampfung, die wir hatten mit den Finanzperspektiven. Die Briten haben im Juni 2005 eine Lösung der Finanzperspektiven, die damals auf dem Tisch lag, verhindert. Wir haben 6 Monate mutwilligerweise verloren. Das Resultat von Dezember 2005 hat dem von Juni 2005 praktisch genau geähnelt. Die Briten haben also damals uns 6 Monate aufgebürdet. Das glaube ich können die Briten nicht ein zweites Mal tun.

Deutschlandfunk: Wieso, was passiert, wenn sie es doch tun?

Jean Asselborn: Ja, wenn sie es doch tun ist es komplizierter wie bei den Finanzperspektiven. Denn wenn wir jetzt diesen Delai von Juni 2007 verpassen, wird es extrem schwierig einen neuen Text zu haben für die Europaparlamentswahlen von 2009. Und Sie dürfen das Argument der Engländer, man ist ja jetzt viel zusammen und man spricht darüber, Großbritannien fürchtet, Labour, die Regierung fürchtet, wenn 2009 im Frühjahr Wahlen sind, was wahrscheinlich ist in England, dass Labour den Tories nicht will eine Chance geben um irgendwie ein Referendum zu fragen, weil verfassungsrechtliche Argumente in einem Text währen.

Deutschlandfunk: Herr Asselborn, bevor wir jetzt in die britische Innenpolitik noch einsteigen. Eine Frage zum Schluss. Haben Sie manchmal als Freund Europas die Nase voll von Mitgliedern, die sich ständig sperren, aber trotzdem darauf beharren, in der EU zu bleiben?

Jean Asselborn: Ja, man muss sehr viel Geduld und sehr viele Nerven haben. Das stimmt. Wenn man all die Punkte sieht, zum Beispiel, dass wir über den Vorrang des europäischen Rechtes, eine einzige Rechtspersönlichkeit, streiten, auch über die Charta, das verstehen nur sehr wenige Menschen. Dass Europa mit allen Reden die wir halten, dass wir uns nicht durchkämpfen können um hier ein Resultat zu finden. Es steht sehr viel auf dem Spiel, vor allem aber die Glaubwürdigkeit und auch die Akzeptanz der Europäischen Union bei den Bürgern. Ob ich manchmal, wie viele andere vielleicht, denke, wir kommen nie voran, das sollte man nicht tun. Denn es war immer eine Politik der kleinen Schritte, wie ein Europa gemacht wurde, aber diesmal, wenn Sie mir noch einen Satz erlauben, im Jahre 2008 wird Russland einen neuen Präsidenten haben, Amerika wird einen neuen Präsidenten haben und wenn wir als Europäische Union im Jahre 2009 noch immer streiten und noch immer sehr viel Synergien und Energien verlieren mit dieser Frage des Vertrages, dann haben wir schon verloren, bevor es beginnt. Das müssen wir wissen. Wenn wir strategisch auf dem Planeten mitspielen wollen, müssen wir jetzt dieses Problem lösen, und das ist Ende dieser Woche, da wird der Eckstein gesetzt oder nicht.

Deutschlandfunk: Jean Asselborn, der luxemburgische Aussenminister. Herr Asselborn, danke fürs Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte, Madame Heuer.

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