Le ministre des Affaires étrangères et de l'Immigration, Jean Asselborn, invité de l'émission "Interview der Woche"

Christoph Heinemann: Guten Morgen, Jean Asselborn, Außenminister des Großherzogtums Luxemburg.

Jean Asselborn: Guten Morgen Herr Heinemann.

Christoph Heinemann: Herr Asselborn, bevor wir über Europäisches und Internationales sprechen, gilt es, eine sportliche Leistung zu würdigen. Sie haben den Weg von Luxemburg nach Köln auf dem Fahrrad zurückgelegt. Muss Ihr Ministerium sparen?

Jean Asselborn: CO2! Also, es ist so, dass ich seit Jahren sehr gerne radfahre. Mit einem Freund sind wir vorgestern, also am Freitag, in Trier fortgefahren, dann die Mosel entlang über Bernkastel nach Cochem. Das waren 130 Kilometer, aber "platte" Kilometer. Dann sind wir gestern fortgefahren aus Cochem, Richtung Mayen. Das ist für Anfänger nicht zu rekommandieren, für Fortgeschrittene auch extrem schwierig. Das sind 40 Kilometer fast nur bergauf und nur ein wenig bergab. Und dann kamen wir an den Rhein nach Godesberg – zuerst Remagen, Godesberg, Bonn, und dann nach Köln. Es waren zusammen 265 Kilometer, wir haben es genossen.

Christoph Heinemann: Gerade beim Wetterbericht – 31 Grad an Rhein und Mosel – da haben Sie gelacht, geschmunzelt.

Jean Asselborn: Ja, also es war hitzig gestern. Das hat mich gewundert: Am Rhein entlang, aber auch an der Mosel entlang, haben wir – ich würde sagen – Zehntausende Menschen auf dem Fahrrad gesehen, mit Kindern, mit Hunden. Es ist wirklich ein Fest gewesen, ohne irgendeine Organisation da vorher gesehen zu haben. Also, das war schon beeindruckend.

Christoph Heinemann: Und Sie haben das ohne verbotene Substanzen geschafft?

Jean Asselborn: Ja. Also, ich versuche, jeden Morgen daran zu denken, Apfelessig zu trinken mit ein wenig Honig . . .

Christoph Heinemann: . . . Apfelessig mit Honig, jeden Morgen?

Jean Asselborn: Apfelessig mit Honig, das schmeckt nicht ganz gut, aber das hilft. Das verwandelt Fett in Energie. Wenn Sie das jeden Morgen einhundert Jahre machen, dann werden Sie ein alter Mann und fahren viel Fahrrad.

Christoph Heinemann: Sie sind begeisterter Radfahrer. Wie haben Sie die Tour de France erlebt in diesem Jahr?

Jean Asselborn: Also, erlauben Sie mir ein Wort. Wenn ich hier in Köln bin, im großen Deutschland – ihr habt, glaube ich, 160 Mal mehr Einwohner als wir. Aber in der Pro Tour, das ist ein Ranking, ein Listing der verschiedenen Länder, ist nur Australien, Italien, Spanien vor uns. Wir sind die vierte Nation, vor Deutschland, vor Frankreich, vor Belgien. Das will ich nur sagen. Sehen Sie, wir haben da den vierten Platz, wir sind noch besser im Radfahren als im Bankenwesen. Und wir hatten sehr große Radsportler – Charly Gaul hatten wir zum Beispiel. Wir haben jetzt sehr große auch: Andy Schleck, Zweiter der Italienrundfahrt, Frank Schleck, ein sehr guter Fahrer, genau wie auch Kim Kirchen, der der erste Telekom-Fahrer war in der Tour de France, siebter Platz. Also, wir sind begeisterte Radanhänger.

Tour de France: Also, ich verfolge seit Jahrzehnten die Tour de France. Man darf sie nicht kaputt machen. Man muss auf die junge Generation bauen. Ich weiß, was Sie jetzt denken – Sinkewitz oder Contador sind junge Fahrer, und vieles ist nicht in Ordnung höchstwahrscheinlich. Aber . . .

Christoph Heinemann: . . . sehen Sie Contador durchaus im selben Boot wie Sinkewitz?

Jean Asselborn: Also, Sinkewitz hat es ja zugegeben. Contador hat es nicht zugegeben, aber es spricht nicht alles für ihn, sagen wir so . . .

Christoph Heinemann:. . . das war der Diplomat . . .

Jean Asselborn:. . . ja. Aber was man sagen muss, das ist, glaube ich – ich bin ein Optimist –, die Tour ist auf dem guten Wege, der Radsport ist auf dem besseren Weg. Dieses Geschwür musste aufgepickt werden, jetzt kommt der Eiter raus. Das ist nicht schön anzusehen, aber wir müssen durch diese Phase gehen im Radsport, um es fertigzubringen, das Doping unter Kontrolle zu bringen. Nur ein Wort: In der Gesellschaft darf es keine Korruption geben. Im Sport, wenn Sport Sport bleiben soll, hat Doping keinen Platz. Es ist eine riesige Aufgabe, aber ich bin überzeugt: Wenn Sport auch eine Funktion hat, um junge Menschen anzuspornen - früher hat man vielleicht auf gut Deutsch gesagt "Lebensertüchtigung", im guten Sinne des Wortes, dass man lernt, dass man im Leben auch auf die Zähne beißen muss, muss Sport sauber bleiben. Da heißt es, sich im Radsport, aber auch in anderen Sportarten, anstrengen.

Christoph Heinemann: Herr Asselborn, Sie setzen auf Apfelessig und Honig. Wollten Sie Ihre sportlichen Leistungen mit Milch steigern, dann wird das künftig teurer. Die Preise für Milchprodukte steigen. Nun fragen sich viele Menschen: Wofür haben wir eigentlich Europa? Konnte Brüssel das nicht verhindern?

Jean Asselborn: Kaum. Wir sagen ja immer, wenn wir auf den Vertrag zu sprechen kommen . . .

Christoph Heinemann:. . . den Reformvertrag . . .

Jean Asselborn:. . . auf den Reformvertrag zu sprechen kommen, sagen wir ja immer, dass Europa ja eigentlich das Instrument ist, um gegen die Globalisierung vorzugehen, um die Globalisierung – sagen wir – in reguläre Bahnen zu bekommen. Hier bei der Milch muss man ja wissen: Die Quote besteht seit 1984 . . .

Christoph Heinemann:. . . und noch bis 2015 . . .

Jean Asselborn: . . . und bis 2015, wie es jetzt aussieht. Die Quote kostet 40 Milliarden pro Jahr. Deutschland bekommt sechs Milliarden aus dem Haushalt für die Milchquote – jedes Jahr. Die Kommission führt im Schilde, wenn ich das so sagen darf, jetzt, wo eine Situation durch die Australier, durch die Chinesen, durch die Inder, durch die Lateinamerikaner entstanden ist – der Konsum ist gestiegen und die Nachfrage ist größer als das Angebot –, um die Quote abzuschaffen. Es wird eine interessante Diskussion werden, aber man darf nicht vergessen: Die Quote war auch vor allem für viele, viele Kleinbauern, für Bauern in Luxemburg oder in Deutschland, in den letzten Jahrzehnten – wenn auch auf niedrigem Niveau – war es eine Garantie, dass man für die Milch einen gewissen Preis bekam, der aber akzeptabel war.

Christoph Heinemann: Gleichwohl denkt jetzt die EU-Agrarkommissarin laut darüber nach, diese Quote abzuschaffen.

Jean Asselborn: Ja, ich habe eben gesagt, das ist in der Diskussion. Ich weiß, dass zu diesem Zeitpunkt die Bauernverbände noch nicht eindeutig Stellung bezogen haben, um die Quote abzuschaffen. Das wird ein extrem riskantes Unternehmen werden. Ich hoffe wirklich, dass auch die Bauern und die Politik im Allgemeinen nicht zu kurzsichtig sind, denn auf ein Hoch kommt gewöhnlich auch in der Wirtschaft ein Tief. Und die Landwirtschaftsunternehmen sind – oder die Landwirtschaft im Allgemeinen ist vielleicht nicht so gut gerüstet, um gegen zu steuern, wie andere Sektoren in der Wirtschaft das sind.

Christoph Heinemann: Herr Asselborn, statt auf die Milch sind in Brüssel gegenwärtig alle Augen auf den Reformvertrag gerichtet, der nicht mehr "Verfassungsvertrag" heißen darf. Was haben normale Bürgerinnen und Bürger in Luxemburg oder in Deutschland von diesem Reformvertrag?

Jean Asselborn: Also, gestatten Sie mir nur ein Wort: Wenn man das ein wenig genereller sagen kann – zuerst das Außereuropäische, planetarisch will ich nicht sagen . . .

Christoph Heinemann:...darauf kommen wir noch zu sprechen…

Jean Asselborn:. . . ja, ich glaube, dass es wichtig ist, dass die Europäische Union diesen Stein jetzt aus dem Wege räumt, dass wir es fertigbringen, wenn in Russland 2008 und in Amerika 2009 neue Präsidenten da sind, dass wir uns nicht wieder mit uns selbst beschäftigen und den Europäern, den Bürgern in Luxemburg oder in Deutschland, sagen: Jetzt haben wir diesen Vertrag, wir haben es fertig gebracht, es ist kein Verfassungsvertrag, aber es bringt Europa trotzdem, politisch gesehen, mehr auf die Landkarte.

Christoph Heinemann: Der EU-Ratsvorsitzende, Portugals Ministerpräsident Jose Socrates, möchte diesen Vertrag jetzt bis zum EU-Gipfel im Oktober in Lissabon unter Dach und Fach bringen. Ist dieses Datum zu halten, oder erwarten Sie Schwierigkeiten?

Jean Asselborn: Ja, das Datum ist absolut zu halten. Wir haben am 23. Juli als Außenminister die Regierungskonferenz eröffnet, jetzt arbeiten die Juristen. Anfang September schon während einer Woche werden die Juristen sich sehen für eine erste Lektüre, eine erste Lesung. Die Außenminister werden sich sehen am 7. und 8. in Lissabon, werden – glaube ich – keine längere Diskussion darüber führen, denn – in Klammern gesagt – es geht ja jetzt nicht mehr um zu verhandeln. Es geht, um das umzusetzen, was im Mandat steht. Das Mandat wurde auf höchster Ebene angenommen, wir müssen es jetzt umsetzen. Also glaube ich, dass es realistisch ist, dass wir im Oktober im Europäischen Rat dann den neuen Vertrag auch annehmen können. Es kommt natürlich dann auf die nächste Etappe an, das ist das Ratifizieren.

Christoph Heinemann: Eben. Und da wird zum Beispiel in Irland zwingend ein Referendum stattfinden, möglicherweise auch in Großbritannien, in Dänemark oder in den Niederlanden. Das fordert zumindest die Opposition. Schließen Sie aus, dass ähnliches passiert wie im Mai 2005, als die Franzosen ja überraschend deutlich "Nein" gesagt haben?

Jean Asselborn: Also, Herr Heinemann, man muss ja in der Politik manchmal realistisch sein. Ich gehe davon aus, dass ein Referendum stattfinden wird in Irland. Es ist eine Diskussion zurzeit in Holland, aber hier ist der Staatsrat in Holland ja jetzt befragt worden, und die Regierung wird entscheiden, ob Referendum oder nicht Referendum. In Dänemark läuft die Diskussion aber eher in Richtung einer parlamentarischen Ratifizierung. In England kennen wir die Position der Opposition, das ist klar, aber auch die Position von Brown, das ist auch ganz klar. Also wir müssen jetzt aufpassen, dass wir den Fehler nicht machen, um nur Referenden zu vermeiden, um nur Referenden zu vermeiden und dadurch meinen, dass wir Großes geleistet haben, wenn wir die parlamentarische Ratifikation zustande bekommen. Aber ich kann Ihnen sagen – aus Erfahrung in Luxemburg: Ein Referendum – die Erfahrung haben sie nicht mehr seit Kriegsende –, aber ein Referendum hat ja die Eigenart, dass die Menschen nicht auf die Frage genau antworten, sondern, wie man das in Frankreich und in Holland gesehen hat, dass das Umfeld auch mit bewertet wird. Darum glaube ich, dass jetzt im nächsten Jahr die Länder sich schon im Oktober vielleicht, oder spätestens im Dezember sich engagieren sollten, während einer delimitierten Zeitspanne im Jahre 2008 zu ratifizieren. Dann könnte man davon ausgehen, dass während zwei Monaten sich jedes Land engagiert, die Ratifikationsprozedur durchzubringen – ob mit Referendum oder ohne Referendum.

Christoph Heinemann: Die Frage ist, wer was ratifiziert. Die Briten wollen bei Justiz, bei Inneren und Äußeren nicht mitmachen, auch nicht bei der Grundrechtcharta. Die Polen erwägen das jetzt auch. Was halten Sie von einem Europa à la carte, wo jeder sich jetzt sein Menü selbst zusammenstellt?

Jean Asselborn: Also, Herr Heinemann, wir haben ja schon ein Europa à la carte, nicht im pejorativen Sinne des Wortes. Sehen Sie: Schengen – sind nicht alle dabei, Euro – sind nicht alle dabei. Bei Justiz-Inneres müssen wir aufpassen, technisch: Einige Länder können beschließen, mitzumachen, sie haben kein Opt-Out, sie können ein Opt-In beantragen. Man muss aufpassen, vor allem bei den Briten bei Justiz-Inneres, dass wir keine Verzerrung der Kompetitivität erreichen. Die Gefahr besteht. Darum, Herr Heinemann, glaube ich, dass man selbstverständlich das, was man hat, weiterführen soll unter den Staaten, die zum Beispiel beim Euro, bei Schengen, bei Justiz-Inneres dabei sind. Aber es darf nicht die Regel sein. England muss eines Tages ganz klar sagen, wo es steht. Es genügt nicht, sich herauszupicken, was positiv ist für England, und dann bei allem anderen, wo Solidarität gezeigt werden muss, in die Ecke zu schauen. Wir werden jetzt mit der Finanzperspektive 2008 anfangen. Da werden wir auch sehen, wie groß die Solidarität auch von den Engländern zu den anderen Ländern in Europa ist. Nur ein Wort zu Polen: Die Grundrechts-Charta haben Sie erwähnt. Das stimmt, für mich ist das ein sehr großer Irrtum der Polen. Aber ich hoffe jetzt wirklich, dass ein Land wie Polen, das während fünf Jahrzehnte nicht frei war, als wir hier im Westen frei waren, dass die wirklich nicht den Fehler machen, bei der Grundrechts-Charta nach einem Opt-Out zu fragen. Es sind zwei Länder, das wissen Sie: Neben England, die dieses Opt-Out fragen können, Irland hat jetzt schon gesagt, dass sie es nicht fragen. Bleibt Polen, die haben das angekündigt – vielleicht. Sie sollten das meiner Meinung nach – das ist jetzt keine professorale Einstellung – nicht tun, denn das wäre ein schlechtes Zeichen.

Christoph Heinemann: Herr Asselborn, keine Verfassung, keine Fahne, keine Hymne – in dem Reformvertrag wurde alles getilgt, was eine europäische Identität stiften könnte. Soll jedweder europäischer Patriotismus damit verhindert werden?

Jean Asselborn: Ja, das ist eine wunderbare Frage, Patriotismus. Patrie – Heimat. Ich glaube, von vorneweg darf man nicht Patriotismus zu seiner Heimat, zu Luxemburg, zu Deutschland, zu Frankreich, zu Polen, darf man jetzt nicht ersetzen durch einen europäischen Patriotismus. Das wäre falsch. Wir sollen gute und engagierte Deutsche oder Luxemburger bleiben, wenn wir beide uns jetzt in die Augen sehen. Aber wir müssen auch anerkennen, alles was geleistet wurde von Europa für unsere Heimat, dass das trotzdem die Basis ist der europäischen Idee, das heißt Frieden. Frieden wurde sehr, sehr viel fertiggebracht, und da kann man stolz darauf sein. Die jüngere Generation, sagen wir mal unsere Kinder jetzt, die machen Programme wie Erasmus-Programm durch. Sie gehen ein Jahr in Frankreich studieren, ein Jahr in Polen, ein Jahr in Deutschland, ein Jahr in England. Ich glaube, die sehen Europa schon als ein größeres zusammenhängendes Gebilde, kulturell als Nachkriegsgeneration. Schumann hat ja auch gesagt, wenn er es noch einmal zu verwirklichen hätte, würde er mit der Kultur anfangen. Und hier ist das ein sehr, sehr interessanter Punkt, glaube ich, dass die Generationen, die jetzt kommen, die ins Leben einsteigen, Europa jetzt nicht unter einem Hurra-Patriotismus sehen, aber trotzdem anders sehen, als noch wir das gesehen haben. Und natürlich muss man auch dann den Reflex haben, wenn man von Patriotismus redet, nicht seinen eigenen nationalen Patriotismus vor die europäische Zielsetzung zu stellen.

Christoph Heinemann: Stichwort. Sie sprachen eben von dem zusammenhängenden Gebilde. Die junge Generation kennt nur noch den Euro, oder viele von denen jedenfalls. Jean-Claude Trichet, der Präsident der Europäischen Zentralbank, pocht auf die Unabhängigkeit dieser Bank, während Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy jetzt Maßnahmen gegen den starken Euro in Europa gefordert hat: Benötigen wir die?

Jean Asselborn: Herr Heinemann, Trichet war ja Präsident der französischen Zentralbank. Auch damals hat er sich gewehrt gegen die Einmischung der Politik in die monetären Angelegenheiten. Und heute macht Trichet das, aus meiner Sicht jedenfalls, ganz richtig, wenn er sich nicht als Franzosen konsideriert, sondern als ein Europäer, der eine Aufgabe zu bewältigen hat. Im Vertrag ist ja klar ein Konsens fertiggebracht worden zwischen den Ländern wie Deutschland, die mit der Macht die Erfahrung gemacht hat in Unabhängigkeit der Zentralbank, und dann der "gouvernance économique“, wenn man so sagen darf, Wirtschaftsregierung – "gouvernance" ist ein schweres Wort zum Übersetzen – in Frankreich. Dadurch, dass der Vertrag ja die Eurogruppe vorsieht, und dass in der Eurogruppe auch der Präsident der Europäischen Zentralbank vertreten ist – zwar kein Stimmrecht, aber trotzdem –, wo der Dialog laufen kann, und unser Premier Jean-Claude Juncker ist ja Präsident der Eurogruppe. Ich glaube, man soll diesen Bicephalismus zwischen beiden Positionen nicht zu hoch spielen. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Präsident Sarkozy die Reformen in seinem Land mit einer Blockade oder mit einer ablehnenden Meinung gegenüber dem Leitzins verbessern kann. Man muss ja auch sehen, dass viele Beobachter sagen, so lange Präsident Sarkozy die Befugnisse der Zentralbankpräsidenten angreift, wird die Zentralbank sicherlich nicht das tun, was er will. Und jetzt sind wir bei vier – wir kommen zu 4,25 – Prozent Leitzins. Man muss wissen, dass von 2005 bis jetzt das von zwei auf vier Prozent gestiegen ist. Und viele, viele, viele Millionen Menschen in Europa müssen dadurch mehr bezahlen, um ihre Schulden zurückzuzahlen. Darum ist ja auch eine politische Auseinandersetzung mit der Erhöhung des Leitzinses nicht abwegig.

Christoph Heinemann: Stichwort Sarkozy. Staatschef Ghaddafi von Libyen hatte noch vor kurzem einen Stammplatz auf der Achse des Bösen inne. Jetzt ist er wieder ein Guter. Er wird belohnt mit Kernkraftwerken und mit Waffen. Das geht sehr schnell heutzutage.

Jean Asselborn: Ja, also man muss in dieser Frage – ich jedenfalls für meine Person habe die Durchsicht nicht komplett. Ich verfolge ganz gespannt die französische Politik. Erstens, dass man alles gemacht hat, um die bulgarischen Krankenschwestern und den Arzt zu befreien, ist in Ordnung.

Christoph Heinemann: … aber nicht nur in Paris …

Jean Asselborn: Ja. Nur ein Wort: Ich weiß aus unserer Präsidentschaft, dass seit 2005 daran gearbeitet wird. Und die, die am meisten daran gearbeitet hat, war Benita Ferrero-Waldner, die Kommissarin. Und ich kann Ihnen auch sagen, das letzte Wochenende seiner Präsidentschaft hat auch Frank-Walter Steinmeier, der Außenminister, mit Benita Ferrero-Waldner in Libyen verbracht, um wirklich das ganze auf die Schiene zu bringen. Zweitens: Man weiß nicht, was jetzt Sache ist in Frankreich. Präsident Sarkozy sagt, es ist keine Gegenleistung. Der Verteidigungsminister spricht von einem Geschäft, um Panzerabwehrraketen für 100 Millionen Euro zu liefern, also ein Geschäft. Also ich frage mich, was Ghaddafi in der Wüste mit Panzerabwehrraketen macht. Gut. Aber dann kommt das andere, das ist dieses Atomkraftwerk für die Entsalzung des Meerwassers. Da hat Kouchner gesagt, das ist möglich, aber nichts ist entschieden. Was ich weiß, das ist, dass François Hollande jetzt im Parlament gefragt hat, eine Kommission einzusetzen, damit Licht in diese Angelegenheit kommt. Es ist wie bei allem in Europa: Wir sind immer nur stark, wenn wir solidarisch sind, wenn jeder informiert ist. Sologänge sind nicht das, was man unbedingt befolgen sollte.

Christoph Heinemann: Was früher Ghaddafi war ist heute das Regime in Teheran. Gerade kam wieder eine Meldung, dass Präsident Ahmadinedschad das Existenzrecht Israels wieder in Frage gestellt hat. Das iranische Atomprogramm kennt keine Pause. Rechnen Sie damit, dass die USA Militärschläge gegen den Iran vorbereitet?

Jean Asselborn: Nein. Wir sind im Iran in einer Situation, wo der Präsident das sagt, was wir seit Monaten, seit fast zwei Jahren jetzt, kennen. Das kann man nicht überhören, vor allem, wenn er sagt, Israel hat kein Recht zu existieren. Das ist wirklich ein unqualifizierter politischer Ausdruck. Andererseits werden im Iran Leute noch gesteinigt. Letzte Woche wurden Leute gesteinigt, öffentlich hingerichtet. Und wir wissen, dass im Iran sehr viele junge Menschen sind, die prowestlich orientiert sind. Und die wollen ein anderes Regime als diese bärtigen Männer da. Und darum glaube ich, dass wir als europäische Union sehr raffiniert, sehr klug vorgehen sollen. Das Regime hat einen ersten Schritt gemacht. Die IAEO, auf deutsch heißt das Internationale Atomenergiebehörde, ist mit einer zweiten Mannschaft jetzt in Teheran. Einige Stellen wurden ja geöffnet für diese Kontrolle. Andererseits wird mit den Amerikanern, mit den Russen, diese P5 plus Deutschland, wird verhandelt, immer noch aufgrund von Kapitel 7, Artikel 41. Das heißt – das war Ihre Frage –, dass keine Gewalt angewendet wird. Das wäre katastrophal.

Christoph Heinemann: Und Sie glauben auch nicht, dass so etwas vorbereitet wird?

Jean Asselborn: Nein, ich kann mir das nicht vorstellen, wie das funktionieren würde. Man kann nicht mit militärischen Schlägen diese ganzen Atomanlagen zerstören. Wir müssen dem Iran die Chance geben und natürlich auch den Druck ausüben, damit zwei Sachen geschehen. Das Erste ist: Dieses Regime ist nicht unendlich. Und zweitens sollte man wirklich probieren, im Iran auch nicht das zu machen, was jetzt geschieht, die Länder um den Iran aufzurüsten. Das ist meiner Meinung nach Futter für die Hardliner im Iran um wieder zuzulegen.

Christoph Heinemann: Wir haben Konflikte auch vor der eigenen Haustüre der Europäischen Union. Die Vereinten Nationen und die USA wollen noch in diesem Jahr eine Unabhängigkeit unter internationaler Aufsicht für das Kosovo festschreiben. Moskau und Belgrad lehnen dies ab. Werten sie das als endgültiges "Njet"?

Jean Asselborn: Nein. Auch hier sah vor einem Monat noch die Welt, was Kosovo angeht, noch viel komplizierter aus. Wir haben es jetzt fertig gebracht, erstens mal, dass nach dem Scheitern im Sicherheitsrat, dass Ban Ki Moon, der Generalsekretär der UNO, der Troika diesen Auftrag gegeben hat. Wir haben Russen, Amerikaner, Europäer an einem Tisch, in einer sehr kleinen Gruppe, wo auch Vertraulichkeit selbstverständlich bewahrt werden kann. Und diese Troika muss es fertig bringen, die Serben und die Kosovaren noch einmal richtig an den Tisch zu bekommen.

Christoph Heinemann: Vielleicht auch Geld auf den Tisch zu legen?

Jean Asselborn: Ich weiß, wenn die Serben sagen, wir haben die Russen mit ihrem Veto, und die Albaner im Kosovo sagen, es ist ja kein Problem, es bleibt sowieso bei Ahtisaari, ich weiß, dass es schwierig ist. Aber ich kann nur von meiner Person sagen, wenn die Kosovaren und die Serben wollen, dass sie ihr Problem zusammen lösen – sie müssen es zusammen lösen, denn wenn das Problem einmal gelöst ist und Kosovo wäre unabhängig, ist das ja die Marschroute nach Brüssel. Aber das sind zwei Nachbarstaaten, die müssen miteinander können. Wenn sie es also fertig bringen, zusammen eine Lösung zu finden, egal welche, wird kein anderer ihnen eine Lösung oktruieren. Ich hoffe und ich bin überzeugt, dass in diesen 120 Tagen die 15-Prozent-Chance, die besteht, dass miteinander geredet wird, dass die wirklich ausgenützt wird.

Christoph Heinemann: Jean Asselborn, wir sind fast am Ende unseres Gesprächs, uns bleibt eine knappe Minute. Sie steigen heute wieder aufs Fahrrad?

Jean Asselborn: Nein, nein, nein. Also, ich muss morgen nach Finnland, das wäre ein wenig weit. Aber die Frau meines Freundes ist hier. Die Tochter konnte ich Ihnen heute Morgen präsentieren, die ist hier auf einer Maskenbildnerschule. Wir fahren heute Mittag oder gegen Abend mit dem Auto zurück nach Luxemburg. Das sind mit dem Auto nur 250 Kilometer, mit dem Rad fahren an der Mosel entlang wären das 365.

Christoph Heinemann: Sind Sie mit Ihrem Freund Frank-Walter Steinmeier schon einmal Fahrrad gefahren?

Jean Asselborn: Ja. Er hat mich eingeladen nach Brandenburg. Er wird ja jetzt in Brandenburg eine spezielle Aufgabe bekommen, und ich werde bestimmt Zeit finden, um in Brandenburg mit ihm Rad zu fahren.

Christoph Heinemann: Also, für den Deutschlandfunk gilt auf jeden Fall, jeder Außenminister, der hier vorbei radelt, ist uns herzlich willkommen. Gute Reise, gute Fahrt, Jean Asselborn, und vielen Dank für das Gespräch.

Jean Asselborn: Bitte, Herr Heinemann, vielen Dank.

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